Sächsischer Jakobsweg von Bautzen über Dresden, Freiberg, Chemnitz, Zwickau nach Hof
Von Freiberg nach Chemnitz

Tag 4 (Sa, 15.6.2024) Von Freiberg nach Chemnitz / 38,6 km

Ich habe die Nacht ganz leidlich geschlafen. Das Sofa war zwar weich, aber man konnte da gut hochkant schlafen, was mir die Sache immer erträglich macht. Etwas ungewohnt war es, wieder mal im Schlafsack zu schlafen, denn in den vorherigen Quartieren gab es stets Bettzeug.

Ich war am Abend noch in dem nahen Kaufland, um mir was zum Abendbrot, zum Frühstück und heute zum Mitnehmen zu kaufen. Dort wimmelte es an fußballmäßig bemalten und entsprechend gekleideten Jugendlichen, die sich offenbar fürs Public Viewing mit geist­reichen Getränken eindeckten und dann in Richtung Innenstadt zogen. Ich wollte mich eigentlich auch irgendwo in eine Kneipe oder vor eine Leinwand setzen, um das Eröffnungs­spiel der EM 2024 (Deutschland gegen Schottland) zu sehen, aber ich war nach 39 km ziemlich k.o. und müde. Außerdem hatte ich kein Verlangen, Heerscharen um mich zu haben. Wie schon erwähnt, ist an diesem Wochen in Freiberg Stadtfest und aus allen Richtungen strömten Menschen in die Innenstadt. Die Musik hatte ich beim Anmarsch schon gehört, als von der Stadt noch nicht viel zu sehen war. Auf einer Bühne am Dom tobten sich zwei DJ‘s aus, die offenbar nach Dezibel bezahlt werden. So viele Leute und dieser Lärm sind genau das Gegenteil von dem, was man auf dem Jakobsweg sucht.

Ich habe mich also mit den erworbenen Vorräten in den Jugendraum im Keller des modernen Pfarrhauses der St. Johannes-Gemeinde zurückgezogen, am Tisch neben dem Kicker was gegessen, mir per WhatsApp die aktuellen Spielstände schicken lassen und mich noch vor dem Ende des Spiels niedergelegt. Heute früh war nicht nur die Freude, sondern vor allem die Überraschung groß, dass Deutschland 5:1 gewonnen hat. Weiter so, vielleicht werden doch wir und nicht Albanien Europameister.

Nach frisch gebrühtem Kaffee und gestern gekauften Sandwiches bin ich um viertel sieben los. Da waren die Straßen noch fast menschenleer - nichts war zu spüren von Stadtfest und Europameisterschaft. Ich bin allerdings auch nicht durchs Stadtzentrum gekommen, da hätten vielleicht noch ein paar Schnapsleichen rumgelegen. Über Kleinschirma ging es auf einem schönen Feldweg nach Oberschöna, wo ich mich in eine gläserne Bushaltestelle an der Schule geflüchtet habe, da es so stark zu regnen anfing. Die Schule von Oberschöna hat gerade einen ganz modernen Anbau bekommen, gefördert durch Bund und Land im Rahmen der „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Wenn an der Küste mal wieder ein Ort absäuft, weil der Damm nicht hoch genug ist, dann können sich die Leute damit trösten, dass von den bereitgestellten Fördermitteln in Sachsen eine Schule gebaut wurde.

Nach einer knappen Stunde hatte der Regen zumindest so stark nachgelassen, dass man sich mit einem Schirm raus trauen konnte. Rucksack, Pilgerhut und Schirm sehen zwar zusammen blöd aus, aber manchmal ist so ein Schirm leichter zu handhaben, als der Regenponcho. Der Schirm, den ich hier dabei habe, gehört nicht zu meiner Standard­ausrüstung. Den habe ich im Zug gefunden und verbotenerweise unterschlagen. Aber ich glaube nicht, dass jemand wegen einem Drei-Euro-Fünfzig-Schirm zum Fundbüro fährt. Und wenn doch, dann findet er dort bestimmt ein Dutzend gleicher Schirme zur Auswahl.

Der restliche Tag war schön, aber nicht spektakulär. Ich habe keine Bekanntschaften gemacht und nichts Außergewöhnliches gesehen - außer Wahlplakaten eines Wähler­bündnisses (WIFF – „Wählerinitiative Flöha - Falkenau“), auf denen Herzen klebten und ein Dankeschön an die Wähler. Dieses Bündnis, das ich nicht kenne und deshalb nicht beurteilen kann, hat 8 Sitze im Stadtparlament bekommen, die AfD nur 7. Egal, ob WIFF gut oder schlecht ist - es ist schon mal eine nette Geste, sich auf diese Weise zu bedanken.

Der Weg führte über Oederan, ein Ort der seinem Namen alle Ehre macht: öde! Hätten da nicht ein paar Autos gestanden, hätte man die Stadt für ausgestorben halten können. Es gibt da neben einem „Markt“ auch noch einen „Altmarkt“, aber an keinem dieser Märkte war ein brauchbares Geschäft oder ein Imbiss bzw. eine Gaststätte. Nur Versicherungen, Physio­therapien und sowas. Öde! In einer zum Markt führenden Straße habe ich dann aber doch eine Dönerbude gefunden, aber nur, weil mir ein Mann mit Essenpäckchen entgegenkam.

In Flöha führt der Jakobsweg entlang des gleichnamigen Flusses um die Stadt herum, von der ich dadurch nicht viel zu sehen bekommen habe. Danach ging es im Wald ein langes Stück geradeaus und permanent ansteigend. Das hat physisch und psychisch ganz schön geschlaucht. Ich konnte auch nicht übermäßig bummeln, obwohl ich mir hinter Flöha telefonisch eine Unterkunft in Chemnitz reserviert hatte. Ich musste ja spätestens um halb acht in Chemnitz sein, um noch etwas für heute und morgen einzukaufen. Morgen ist Sonntag und in dem anvisierten Zielort ist keine Gaststätte.

Obwohl ich nochmal eine längere Verschnaufpause gemacht habe, stand ich um viertel acht vorm Netto und um acht vor meinem Quartier am Drosselweg im „Yorkgebiet“ im Norden von Chemnitz.

Ich habe hier ein sehr schönes Zimmer unterm Dach eines Mehrfamilienhauses mit einem sehr noblen Bad. Bettwäsche, Wasser, Obst und Bier inklusive für 15€. Da ich hier auch noch meine Wäsche waschen und zum Trocknen aufhängen durfte, werde ich da wohl noch was rauflegen. Nun werde ich aber erstmal Bad und Bett genießen, es waren ja heute wieder etwa 40 km.


Sachsen - Tag 4, von Freiberg nach Chemnitz