Es ist Dienstag, der 8. Juni 2021. Heute will ich die gestern in Lichterfelde Süd abgebrochene Wanderung auf der so ge­nannten Südroute des Jakobsweges durch Ostbrandenburg fortsetzen - von Lichterfelde Süd über Teltow und Stahnsdorf nach Saarmund. Hier soll nur der kurze Abschnitt bis Teltow beschrieben werden, der Rest ist schon Teil des Jakobs­weges entlang der Via Imperii von Stettin nach Leipzig und wird dort beschrieben werden.
S7 und S25 bringen mich von Ahrensfelde nach Lichterfelde Süd. Dort geht es am S-Bahnhof in Fahrtrichtung rechts durch den Fußgängertunnel zum Holtheimer Weg.
Der Holtheimer Weg führt vorbei an Gartenzwergen und Neubauten an den Berliner Stadtrand, wo bis vor drei Jahr­zehnten die Mauer Ost und West voneinander trennte, wobei hier der „Westen“ im Osten und der „Osten“ im Westen lag.
Der ehemalige Mauerstreifen hat hier eine besonders schöne Verwandlung durchgemacht. Auf eineinhalb Kilometern stehen jetzt 1000 Kirschbäume, die von Zuschauern des japanischen Fernsehsenders „TV Asahi“ gespendet wurden. Dieser hatte 1990 einen Spendenaufruf gestartet.
Zur Kirschblüte muss das fantastisch aussehen. Einen Vorgeschmack bekommt man bei Google Maps, wo ein im Frühjahr aufgenommenes Satellitenbild Verwendung findet.
Dort, wo früher der Postenweg entlang des Mauerstreifens verlief, führt jetzt ein asphaltierter Fuß-/Radweg unter den Kirschbäumen entlang. An die Mauer erinnern nur ein paar bemalte Mauerteile und die Schilder „Berliner Mauerweg“.
Nach etwa 250 Metern stößt man auf die Lichterfelder Allee, die links aus Teltow kommend rechts nach Berlin führt.
An der Lichterfelder Allee geht die Kirschbaumallee in die Paul-Gerhardt-Straße über. Ein Aufkleber an einer Laterne besagt nicht nur, dass man hier auf dem Jakobsweg ist, sondern auch, auf welcher Route durch Deutschland, Frankreich und Spanien man von hier nach Santiago gelangt.
Ein paar Meter weiter glaubt man aber, in Italien zu sein.
Die Straße führt direkt auf den ehemaligen Postenweg entlang des Teltowkanals. In der Kanalmitte verlief die Grenze und am hiesigen Ufer befanden sich die Sperranlagen.
Wo früher die Grenzer patrouillierten, verlaufen heute der Berliner Mauerweg, der Kanalauenweg, und der zur Bundes­gartenschau 2001 in Potsdam angelegte „BUGA-Weg“.
Früher mussten die Bäume am Kanalufer einem freien Sicht- und Schussfeld weichen, jetzt sprießt es beidseits des Weges und der Blick auf den Kanal ist nur an Stellen möglich, wo Trampelpfade zum Wasser führen.
Wochentags ist nicht viel los auf dem Kanal. Güter werden auf dem 1900-1906 zur Erschließung des südlichen Berliner Umlandes erbauten, knapp 40 km langen Kanal nur noch selten transportiert. Ruderer und Kanuten trainieren üblicher­weise nicht am Dienstagvormittag und Sportbootfahrer kennen eventuell abwechslungsreichere Wasserläufe.
Die Bojen auf dem Wasser dienen zur Markierung der Fahr­rinne. Wer sie missachtet, läuft Gefahr, auf Grund zu laufen, mit anderen zu kollidieren oder Strafe zahlen zu müssen. Erschossen wird heute keiner mehr, der versehent­lich oder absichtlich eine durch Bojen markierte Linie ignoriert.
Dort, wo Flüchtende an den Sperranlagen gescheitert sind, hat man am Wegesrand zur Erinnerung Stelen aufgestellt. Auf diesen sind Namen, Daten des Flüchtlings sowie die Beweggründe des Fluchtversuchs und seine Folgen genannt.
Privatleute haben zudem Tafeln mit Bildmaterial aufgestellt, auf denen die Zeit um die Maueröffnung dokumentiert ist.
An der Knesebeck-Brücke, die von Teltow in den Berliner Stadtbezirk Zehlendorf-Steglitz führt, bekomme ich heute die ersten Schiffe zu sehen - zwei Lastkähne.
Auf der anderen Seite des Weges ist schon der Turm der Teltower St. Andreas-Kirche zu sehen. Laut Wegweiser sind es auch nur noch 100 Meter bis in die Altstadt.
Am Marktplatz angekommen, staune ich über die zwei Rathäuser und das Maibaum-ähnliche Gebilde mit den Zunftzeichen aller möglichen Gewerke. Am Rande des Platzes steht auch ein Denkmal für Ernst von Stubenrauch (1853-1909) der als Landrat des Kreises Teltow von 1885 bis 1908 den Bau des Teltowkanals initiiert und gefördert hat.
Durch eine Häuserzeile vom Markt getrennt steht die evangelische St. Andreas-Kirche, deren Ursprünge im 12. Jahrhundert liegen, die aber mehrfach umgebaut wurde. Die Umbauten im Innenraum, die nach dem Stadtbrand von 1801 unter Leitung von Karl Friedrich Schinkel ausgeführt wurden, sind allerdings einem weiteren Brand 1910 wieder zum Opfer gefallen.
Eine Eisenplatte um ein Bäumchen vor der Kirche zeigt den lateinischen Text der Urkunde mit der Ersterwähnung Teltows im Jahre 1265, weitere Platten im Pflaster nennen markante Daten der Stadt- und Kirchengeschichte Teltows.
Leider reicht das Geschichtsbewusstsein der Schmierfinken nicht aus, solche Stücke vor dem Bekritzeln zu bewahren.
Drei ausgediente Eisenglocken sind zum Glück nicht auf dem Schrottplatz gelandet, sondern neben der Kirche aufgestellt worden. Das ganze Ensemble rings um die Kirche ist sehr einladend gestaltet und bietet reichlich Kontrast zu den Häusern auf der anderen Seite der Breite Straße.
Insgesamt kann man aber der Teltower Altstadt ein Lob aussprechen. Neben vielen schön hergerichteten Häusern erfreuen alte Laternen mit bunten Blumenampeln das Auge.
Meine heutige Wanderung geht zwar weiter, wechselt aber hier auf einen von Nord nach Süd führenden Jakobsweg, denn Teltow gilt bislang (2021) als Endpunkt der in Frankfurt (Oder) beginnenden Südroute des Jakobsweges durch Ostbrandenburg.