Ein bisschen aufgeregt war ich schon. Das erste Mal nach vielen Jahren mit einer größeren Gruppe auf einer längeren Wanderung, noch dazu über Nacht. Die Jakobusgesellschaft Brandenburg-Oderregion hatte eingeladen zu einer Pilgertour von Angermünde über Groß-Ziethen nach Kloster Chorin und ich habe als Neuling in diesem Verein einen der begehrten Plätze ergattert. Mit was für Leute werde ich unterwegs sein? Nur wenige der angemeldeten 22 Teilnehmer waren mir bislang bekannt. Und, wie spirituell wird es zugehen? Wird sich die anstehende Pilgertour von einer normalen Wanderung unterscheiden? Ich war sehr gespannt. |
Die Pilgertour war als offizielle Eröffnung des Jakobsweges entlang der Via Imperii von Stettin über Berlin nach Leipzig gedacht. Erst kurz zuvor war die Ausschilderung des nördlichen Teils erfolgt und wir waren die erste Pilgergruppe, die offiziell auf diesem Weg unterwegs war und in der neuen Pilgerherberge in Groß-Ziethen nächtigen wollte. |
Schon kurz nach dem Abmarsch an der Kapelle zeigte sich, dass es mit der Wege-Eröffnung so eine Sache ist, wenn der ausgeschilderte Weg nicht mit dem auf der Karte übereinstimmt. Das kann passieren, wenn die geplante Wegeführung geändert werden muss, weil zum Beispiel nicht alle Gemeinden am Wegesrand ihre Zustimmung zum Wegeverlauf geben.
Hier waren es die Naturschützer, die sich dagegen ausgesprochen haben, dass der Jakobsweg auf den vorhandenen Wanderwegen um den Grumsiner Buchenwald geführt wird.
Der Buchenwald ist zwar UNESCO Weltnaturerbe und mit großem Aufwand sind ringsum Wanderwege, Info-Tafeln und Besucherzentren errichtet und viel Werbung betrieben worden, aber dass viele Besucher kommen, ist nicht jedem Recht. Und ganz furchtsame Naturschützer haben offenbar befürchtet, dass hier mit der Ausweisung eines Jakobsweges solche Pilgerscharen unterwegs sein werden, wie nach Hape Kerkelings Buch durch Nordspanien. |
Ganz dicht am Wasser ist ein Aussichtspunkt mit Tisch und Bänken und ringsum laden Baumstämme zum Verweilen ein. |
Einem MOZ-Artikel vom 23.4.2011 über die Rekonstruktion der Adlerquelle kann man entnehmen, wie die Quelle zu ihrem Namen kam. Als die Torpfeiler des bereits abgetragenen Berliner Stadttores [in Angermünde] abgerissen wurden, kamen die beiden Adler, die darauf thronten, als Schmuck hierher. Nach dem 1. Weltkrieg verschwanden sie - der Name der Quelle blieb jedoch. (Lt. Wikipedia kam jedoch 1879 nur einer der beiden Adler hier her.) |
Dem gemeinen Volk blieben damals wenigstens das Flanieren auf dem Knöterich- oder dem Buschwindröschenweg im Wald und die winterlichen Freuden auf der Rodelbahn ... |
Vom Sammelpunkt aus ging es nach rechts in Richtung Westen, immer weiter durch den Angermünder Stadtforst. |
Lars (oben) machte zwischendurch mal einen verunsicherten Eindruck. Ob er sich von den mitunter fratzenhaft aussehenden Bäumen (oben links) beobachtet fühlte, oder darüber nachsann, wie man an den Bäumen die roten und orangen Wegmarkierungen (oben rechts) auseinander halten soll. ist nicht bekannt. Nach 3,5 km ab der Adlerquelle war es so weit: Der Weg trat aus dem Wald heraus und zur Begrüßung lachte die Sonne vom Himmel. |
Das war der perfekte Ort und Zeitpunkt für eine kurze Rast. |
Ab dem Waldrand führte der Weg ziemlich geradeaus weiter, bis er wieder an den Wolletzsee stieß. Wie unser Weg hatte das Seeufer eine S-Kurve gemacht und gönnte uns nun immer wieder neue Blicke auf den nach der Wassersportsaison unberührt daliegenden See. |
Der Weg verlief nun am Feldrain und dort, wo Bäume den Blick zum Wasser verwehrten, konnte man sich an deren herbstlicher Färbung erfreuen. Und auch einige gelb, orange und braun gefärbte Solitäre auf den Feldern waren ein Labsal für die Augen und ließen die immer dunkler werdenden Wolken am Himmel vergessen. Alsbald machte der Weg eine Linkskurve, endgültig weg vom Wolletzsee und direkt nach Altkünkendorf gerichtet. |
Ein überdachter Rastplatz ließ die Überlegung aufkommen, ob man dort den scheinbar unvermeidlichen Regen abwartet. |
Während manche Pilger Brotbüchsen und Trinkflaschen herausholten, schauten andere kurz in das kleine Museum des Besucherzentrums, das dem Grumsiner Buchenwald gewidmet ist. Gut frequentiert waren auch die Toiletten des Besucherzentrums, deren mit Klogeld-Automaten versehene Türen gar keine Gelegenheit hatten, ins Schloss zu fallen. |
Nach einem kurzen Stück entlang der Landstraße nach Süden ging es links ab, hinein in den Grumsiner Buchenwald. |
Der 590 Hektar große Grumsiner Buchenwald ist Teil des über 6000 Hektar großen Naturschutzgebietes „Grumsiner Forst / Redernswalde“. Zum Ende des 16. Jahrhunderts diente das Gebiet der Jagd und wurde weiträumig eingezäunt. An seinem Rande entstanden kleine Siedlungen wie Grumsin, in denen die Zaunsetzer und -wärter wohnten. |
Im Jahre 2011 wurde der Grumsiner Buchenwald zusammen mit 93 anderen europäischen Buchenwäldern zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt. Er ist seit 1990 ohne land- oder forstwirtschaftliche Nutzung und der natürlichen Waldentwicklung überlassen. Die vielen kleinen Moore und Erlenbrüche bieten Raum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Sogar Seeadler sind hier heimisch. Ob die Waldbesucher im Sommer über die unlängst hier entdeckten fünf neuen Mückenarten genau so beglückt sind wie die Naturforscher, ist aber fraglich. |
Dank der vielen umgestürzten und ihrem natürlichen Schicksal überlassenen Bäume finden sich im Wald viele gute Rastmöglichkeiten. Eine davon haben wir genutzt, bevor wir den Wald verlassen und dabei die Grenze der Uckermark zum Barnim überschritten haben. |
Zusammen mit dem im Pfarrhaus erhältlichen Stempel des Hugenottendorfes Groß-Ziethen macht sich der Stempel mit dem Mammut des Geoparks richtig gut im Pilgerpass. |
Für 18 Uhr war eine Abendandacht in der Groß-Ziethener Dorfkirche angesetzt. Darauf, dass wir uns in einem Hugenottendorf befinden, haben nicht nur der Pilgerstempel und das Schild an der Kirchentür hingewiesen, sondern auch Cornelia Müller in ihren einleitenden Worten.
Im 30jährigen Krieg wurde Groß-Ziethen geplündert und fast vollständig zerstört, „nur zwei Bauern und ein paar Witwen“ waren übrig, weshalb 1686 22 Kolonisten aus Nordfrankreich angesiedelt wurden, die ihren französisch-reformierten Glauben mitbrachten.
Hier und in den Nachbardörfern entstanden französsich-reformierte Kirchengemeinden, die jetzt noch existieren und im Pfarrsprengel über insgesamt 4 Gotteshäuser verfügen. |
Ganz zu Ende war der Tag aber noch nicht, denn anschließend wurde in der Herberge gekocht, geräumt, Buffet aufgebaut und dann gemeinsam gegessen. Bald danach bröckelte es aber in der Gruppe. Manche sind bald nach dem Abendbrot in ihre Schlafsäcke gekrochen, andere haben etwas mehr Sitzefleisch gezeigt. Immer wenn jemand ging, wurde enger zusammen gerückt, bis auch der letzte belegte Tisch sich leerte.
Es war ein schöner Tag mit vielen Erlebnissen, neuen Bekanntschaften, anregenden Gesprächen, aber auch Phasen der Stille, die sicher jedem gut taten.
Am nächsten Tag ging es dann weiter, von Groß-Ziethen nach Eberswalde. |
Via Imperii - Angermünde - Groß-Ziethen |