Unterwegs auf dem Camino Francés / Finisterre
Von Larasoaña nach Zariquiegui

Tag 3 (Sa, 1.5.2022) – Von Larasoaña nach Zariquiegui (hinter Pamplona)

Als ich gestern gegen 20 Uhr aus der Supermarktgaststätte kam, machten sich die drei Damen im Zimmer gerade bettfein: über mir eine Frau aus Island und gegenüber zwei ältere Damen aus Holland, Geschwister, die leidlich Deutsch sprachen. Die erklärten mir, dass sie früh schlafen müssten, weil ja morgens das Zimmer bis 8 Uhr geräumt sein muss. Das kann ja was werden mit solchen Langschläfern!

Ich bin der Idee, früh schlafen zu gehen, nicht gefolgt, sondern habe mich im Aufenthalts­raum zu ein paar Deutschen an den Tisch gesetzt und mit denen noch eine ganze Weile gequatscht. Zwei Frauen aus Stendal bzw. Tangermünde haben dabei Horrorszenarien entwickelt, dass in Pamplona und in den Dörfern dahinter alle Herbergen ausgebucht seien und dass man sich in Pamplona bei den kommunalen Herbergen (wo man nicht verbuchen kann) am besten schon vormittags anstellen muss, um bei der Öffnung um 13 Uhr ein Bett abzubekommen. Ein Niedersachse, der mit am Tisch saß, war wie ich der Meinung, dass man nicht die Zeit mit Rumtelefonieren oder Schlangestehen verbringen, sondern einfach loslaufen sollte. Irgendwas wird sich schon finden. Und um es vorweg zu nehmen: es hat sich was gefunden! Ich mache es mir gerade in Zariquiegui/Zarikiegiko (10 km hinter Pamplona) auf einer Sitzbank vor dem Büro des Bürgermeisters gemütlich. Die ist überdacht, schräg gegenüber ist ein Wasserhahn und ein paar Meter weiter an einem Rastplatz ist ein Dixi-Klo. Mehr braucht man nicht und mehr hatten die Pilger früher auch nicht.

Aber der Reihe nach: Heute früh war halb sechs in allen Zimmern reihum Hochbetrieb. Ich hab mich noch etwas zurückgehalten und bin erst um 6 Uhr mit der Zahnbürste ins Bad geschlichen. Danach habe ich, nett wie ich bin, im Dunkeln unter Zuhilfenahme des Smartphones meinen Rucksack gepackt. Dem Gewicht nach zu urteilen ist alles drin. Eine echte Herausforderung war ja das Einrollen des Schlafsacks im Dunkeln (weil ich meine Stirnlampe irgendwo tief im Rucksack vergraben hatte), das schafft man ja kaum bei Sonnenschein im Freien.

Nach einem Kaffee aus dem Automaten bin ich um drei viertel sieben aus der kommunalen Herberge in Larasoaña raus – es war für 9 € ein sehr ordentliches Quartier. Über eine der schönen alten Steinbogenbrücken, die hier jeder an einem Wasserlauf gelegener Ort hat, ging es über das Flüsschen Arge zurück auf den Jakobsweg. Der verläuft anfangs zwar ziemlich parallel zum Wasser, aber immer auf und ab. Das ging ganz schön in die Knochen. Auch später der Weg über den Berg nach Pamplona.

Raus kommt man in Arre, einer ziemlich typischen spanischen Kleinstadt, in die man wieder über eine Steinbrücke mit angebauter Kapelle gelangt. Dann geht es immer geradeaus durch die Calle Major, die zunächst Fußgängerzone ist und später eine breite Geschäftsstraße wird. Irgendwann geht es mal rechts ab und nach ein paar Biegungen steht man plötzlich vor der Stadtmauer von Pamplona.

Verlaufen kann man sich nicht. An den Laternen und Häuserwänden sind Jakobsmuscheln, auf dem Weg sind ca. 100x80 cm blau-gelbe Muscheln aufgemalt und später kommen noch alle 5 Meter silberne Plaketten auf dem Boden dazu, anhand derer tatsächlich auch Blinde den Weg finden würden.

In Pamplona läuft man zwischen den Wehranlagen auf eine Zugbrücke und ein rechtwinklig dazu stehendes Tor zu. Wenn man da hindurch geht, ist man schon in der ziemlich belebten Innenstadt mit vielen Kneipen, Geschäften usw. Da geht es aber ziemlich eng zu, was ja das Stiertreiben durch die Stadt zu dem beliebten Abenteuer macht. Da ist kein Hausflur offen, in den man fliehen könnte, wenn die Bullen kommen. Wäre ja auch feige.

Laut Reiseführer wäre Pamplona eigentlich das Ziel der dritten Etappe. Da ich aber am Tag zuvor eine Schippe drauf gelegt hatte, war ich schon kurz nach halb zwölf da. Dort stand übrigens schon an der kommunalen Herberge (die wie gesagt um eins aufmacht) eine 20-Meter-Schlange. Ich hätte da vielleicht noch eine Chance auf ein Bett gehabt, wenn ich mich angestellt hätte. Aber das widerstrebt mir. Ich habe einen Stadtbummel gemacht, was gegessen, diverse Kirchen besichtigt. In einer war gerade eine Trauung (?) vorbei und in einer anderen wurde eine Trauung vorbereitet. Im ersten Fall war ich mir aber nicht ganz sicher, da kein klassisch gekleidetes Brautpaar zu sehen war, sondern vornehmlich ein in schicker Uniform gekleideter Junge fotografiert wurde. Vielleicht doch Erstkommunion?

Der wie gesagt tadellos ausgeschilderte Weg führt halb um die Zitadelle von Pamplona herum, durch ein stattliches Neubaugebiet und dann durch das sehr attraktive Uni-Gelände mit schönen Parkanlagen aus der Stadt heraus. Da war es 13 Uhr, also noch reichlich Zeit für die Quartiersuche. Auf einen ordentlichen Fußweg bin ich ins benachbarte Cizur Menor gekommen, wo es zwei Herbergen gibt. Eine von den Maltesern betriebene und eine private. Bei der ersten stand nichts dran, die war nur verrammelt und an der andern stand „bis auf Weiteres“. In den beiden Kneipen konnte mir keiner was im Ort empfehlen. Im Einkaufsladen hat mir die Verkäuferin empfohlen, im Altersheim des Ortes nachzufragen - ich muss inzwischen schon ziemlich klapprig aussehen! Ein Kunde im Laden hat sich auch gleich angeboten, den Weg zu zeigen. Wirklich nette Leute.

Die Altersheimidee fand ich gar nicht schlecht, aber mehrfaches Klingeln bei der Rezeption und beim Hausmeister blieb unerhört. Nebenan war eine zum gleichen Träger gehörige Behinderteneinrichtung. Dort öffneten sich nach wiederholtem Klingeln das Schiebetor zum Hof und der Eingang zum Haus. Mitten in der Tür stand eine Schwerstbehinderte im Rollstuhl, die vermutlich auch kein Spanier verstanden hätte. Ich wollte Ihr begreiflich machen, dass ich jemand von der Rezeption sprechen möchte, bis ich dann mitbekam, dass sie die Rezeption war …

Auf der Straße habe dann ich einfach eine etwas ältere Dame nach der nächsten Herberge gefragt. Da zückt die das Smartphone und fängt an zu googeln. Da hat sie gesehen, dass die beiden Herbergen im Ort wirklich zu sind. Sie war sich aber sicher, dass die Herberge im nächsten Ort offen hat und hat sogar versucht, dort anzurufen. Aber keiner ging ran.

Also bin ich auf gut Glück hier her nach Zariquiegui gelaufen, etwa 5 km immer bergauf. Hier hätte ich ja morgen eh durch gemusst. Hier gibt es sogar zwei (allerdings sehr kleine) Herbergen, aber beide haben zu, ohne dass was dran steht. Da habe ich dann das Gebäude der „Concejo de Zariquiegui“ mit zwei einladenden Bänken auf der überdachten Terrasse entdeckt und beschlossen, hier zu nächtigen. Nach 30 km auf und ab bin ich heute wirklich fix und alle und würde die 5 km über den Berg bis ins nächste Dorf mit einer sicher längst überfüllten Herberge nicht mehr schaffen. Die Nacht wird also mal was Besonderes. Hunderte schlafen in Paris oder Berlin jede Nacht draußen.

Camino Francés / Finisterre - Tag 3