Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela
Tag 9 (Di, 5.3.2024) Zafra - Villafranca de los Barros / 14,7 km
Wenn nicht die Matratze für meinen Geschmack viel zu weich gewesen wäre, hätte ich die letzte Nacht perfekt nennen können. Ich habe mich trotzdem um sieben nochmal umgedreht und eine halbe Stunde Schlaf draufgelegt. Dann gab es gut und reichlich Frühstück, wozu ich mir dem Wäscheständer mit der über Nacht draußen im Wind halbwegs trocken, aber klamm gewordenen Wäsche in die Küche geholt und unter die Öffnung der Warmluftheizung gestellt habe.
Der Weg war heute wenig anspruchsvoll. Es ging überwiegend auf einem Feldweg durch Olivenhaine und Weinberge, die mitunter eingezäunt waren. Bei den Olivenhainen gab es sowohl solche mit den üblichen knorrigen Bäumen, die oben immer gestutzt werden, aber am Stamm in die Breite wachsen, als auch solche mit Neuanpflanzungen in Reihen und mit vielleicht zwei Meter Abstand von Bäumchen zu Bäumchen. Und es waren Haine zu sehen, bei denen die Bäume herausgerissen waren und nur noch Wurzeln herumlagen. Unter den Weinbergen waren welche, in denen die Weinstöcke an Drähten Spalier standen und solche, die bis auf den etwa 30 cm aus der Erde ragenden Stamm heruntergeschnitten wurden. An denen waren schon die ersten Knospen zu sehen. Auf einem dieser Weinberge war der Bauer dabei, zwischen den Reihen zu pflügen, was ganz akkurat passierte, denn der Pflug passte gerade so zwischen die Weinstöcke.
Kurz vor meinem heutigen Tagesziel, Villafranca de los Barros, standen in den Olivenhainen mehrere Ruinen, die alle eine Art Turm besaßen. Hier habe ich noch nicht herausbekommen, worum es sich da handelte. Für Bauernhäuser erschienen sie mir alle etwas zu groß und zu stabil gebaut. Etwa da haben mich die beiden Augsburger, Andreas und Bastian, eingeholt. Die sind gestern doch bloß bis Zafra gelaufen, weil Andreas auch Probleme mit den Füßen hatte. Kurz darauf hat mich noch jemand überholt, den ich an seinem Outdoor-Reiseführer als Deutschen identifiziert habe - Michael aus Frankfurt. Alle drei sind jetzt mit mir in der 14 €-Herberge „Alojamientos Extranatura“, dazu ein sehr gut Deutsch sprechendes dänisches Ehepaar, ein Spanier und eine wegen einem verstauchten Fuß schon seit gestern hier wohnende Spanierin. Viel mehr Pilger passen auch nicht in die zwei Schlafräume.
Wie die Prinzessin auf der Erdbeere habe ich erst ein paar Betten ausprobiert, bevor ich mich entschieden habe. Das erste wackelte, das zweite quietschte, aber das dritte zeigte keine erkennbaren Mängel. Das hat noch dazu den Vorzug, dass keine Leiter dran ist, was potentielle Obermieter abschreckt.
Die heutige Etappe war ja, da ich etwas vorgearbeitet hatte, nur etwa 15 km lang. Entsprechend früh war ich am Ziel. Die direkt am Weg liegende Herberge war schnell gefunden. Es war erst kurz nach eins, als ich da in der Tür stand. Der Hospitalero hat mich um 10 Minuten Geduld gebeten, weil er noch am Putzen war. Ich sollte meinen Rucksack zu den bereits im Flur stehenden stellen und mich zu den anderen auf die Dachterrasse begeben. Da habe ich dann auch mit Michael, Bastian und Andreas geschwatzt, bis der Hospitalero uns abgeholt hat. Das Einchecken, Erklären und Bettenverteilen hat dann ewig gedauert, weil der Spanier so gern geredet hat, egal, ob er verstanden wurde oder nicht. Wohl wissend, dass hier um zwei für drei Stunden die Bürgersteige hochgeklappt werden, habe ich innerlich getrampelt. Ohne Erfolg - zehn Minuten vor zwei hat er uns entlassen. Da war es zu spät, noch schnell etwas einzukaufen, womit man sich auf der Terrasse in die Sonne hätte setzen können. Also habe ich nach dem schon beschriebenen Bettentausch das erwählte Bett erstmal ausprobiert.
Als ich mich gegen halb sechs auf die Suche nach einem Supermarkt begeben habe, laufe ich doch prompt Oscar und Claudia in die Arme, die sich auch noch für die kommende Nacht im Zelt eindecken wollten. Wir haben uns also gemeinsam auf dem Weg zum nächst­gelegenen Dia-Markt gemacht und dabei noch etwas geschwatzt. Oscar erzählte, dass sie in der letzten Nacht am Wegesrand gezeltet haben, nicht weit von meiner Herberge entfernt. Heute früh wurden sie um 9 Uhr von der Polizei geweckt. Die Herren haben aber nur die Ausweise kontrolliert und erklärt, dass man nicht einfach so zelten darf. Es gab aber keine Strafe - geholfen hat dabei vielleicht der Rollstuhl neben dem Zelt.
Zurück in der Herberge habe ich noch eine Weile mit den drei Deutschen auf der Dachterrasse geplauscht, Abendbrot gegessen und mich dann noch eine Weile mit Jan, dem Dänen im Bett gegenüber, unterhalten. Der läuft mit seiner Frau Hanne jetzt erstmal nur bis Mérida. Dann fliegen sie heim, weil sie in Dänemark in sieben Städten Vorträge über ihre Caminos halten. Danach kommen sie zurück und laufen weiter. Die beiden haben mir vorhin auf einem Video gezeigt, dass sie heute von einem Bauern ein Stück mit dem Eselskarren mitgenommen wurden. Das hätte ich mir auch nicht entgehen lassen.
Jetzt warte ich nur noch auf den Hospitalero mit dem Wäschekorb. Der hatte angeboten, unentgeltlich Wäsche zu waschen und zu trocknen - auch sowas gibt es. Ich hatte zwar noch keine Not, weil ich ja gerade erst gewaschen hatte, aber ich habe doch noch ein paar Sachen gefunden, die zwar optisch ok waren, aber nicht mehr der Nase geschmeichelt haben.
Morgen geht es auf eine Etappe von knapp 27 km, die sich durch Fehlen jeglicher menschlicher Ansiedlung auszeichnet. Das wird also hart. Da ich mit meinem Fuß nicht so schnell vorankomme, will ich nicht so spät aufbrechen und mich deshalb bald ins Bett begeben.

Via de la Plata - Tag 9