Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela
Tag 11 (Do, 7.3.2024) Torremejia - Mérida / 15,8 km
Ich habe in der gestrigen Absteige ganz hervorragend geschlafen, da die Matratze so hart war, wie ich es gern habe. Weil ich mich doch getraut habe, den Heizer auf halber Kraft laufen zu lassen, war auch die Temperatur ok. Etwas gewöhnungsbedürftig war nur die Frühstücks­zubereitung auf dem Nachttisch. Ich hätte vielleicht morgens eine Bar mit Frühstück gefunden, aber nun hatte ich mich mit Brot, Butter und Belag eingedeckt und wollte das nicht ungenutzt rumschleppen. Ich bin zwanzig vor sieben gestartet, da war es noch fast eine Stunde dunkel, weshalb ich auf dem breiten und glatten Standstreifen der Landstraße gelaufen bin, statt auf dem parallel dazu verlaufenden Feldweg, der als Camino ausgewiesen ist. Irgendwann mündete der eh auf der Straße und der Standstreifen war dann für ein paar hundert Meter obligatorisch.
An einem Holzschnitzel-Kraftwerk zweigte der Camino rechts ab und verlief für den Rest der Strecke nach Mérida durch Olivenhaine und Weinberge. Da habe ich gestaunt, auf welchem Boden Wein gedeiht - auf manchen Feldern waren nur faustgroße Steine, aber kein Erdreich zu sehen.
Da es bis nach Mérida nur gut 15 km waren und der Fuß ganz gut mitgemacht hat, war ich schon um halb elf am Ziel. Ich hatte schon in Erwägung gezogen, mir im Schnelldurchlauf die Sehenswürdigkeiten anzuschauen und dann noch die 14 km nach El Carrascalejo zu laufen. Deshalb habe ich mir gleich hinter der 60-bögigen Steinbrücke an einem römischen Militärlager, Alcazaba, ein Ticket für alle Sehenswürdigkeiten gekauft (Rentner 8 €, sonst 17 €) und mit der Besichtigungstour angefangen. Da regnete es schon eine Weile, aber als ich zur nächsten Sehenswürdigkeit wollte, fing es an, kräftig zu gießen und ich musste mich ganz durchgeweicht in eine Bar retten, wo es jedoch schmackhafte Tostados gab: nur mit Tomate für 1 €, mit Rulo (Ziegenkäserolle mit einer Rinde aus weißem Penicillium) und Tomate 2 €.
Als der Regen mal etwas nachließ, bin ich auf kürzestem Wege in die hiesige 10 €-Herberge, eine ehemalige Wassermühle. Die ist ganz spartanisch mit acht Doppelstockbetten aus­gestattet. Es waren erst fünf Betten belegt, vier von Deutschen, eins von einem Iren. Ich habe also noch ein Bett im Untergeschoss abbekommen. Die letzten beiden davon gingen an Oscar und Claudia, die völlig durchgeweicht kurz nach mir kamen. Alle neu Hinzu­gekommenen haben sich in der Herberge zunächst an eines der beiden Heizgeräte (ein alter Strahler und ein Ölradiator) gestellt, um sich aufzuwärmen und die Sachen etwas zu trocknen. Bei der feuchtkalten Luft ist man sofort durchgefroren. Als ich aufgetaut war und draußen der Regen mal eine Pause machte, bin ich los, um noch was von der römischen Geschichte aufzusaugen. Gleich aufgefallen ist mir, dass die Römer offenbar den ganzen Tag gebadet haben und zwar möglichst warm. Wo man hintritt, war früher eine Therme. Auf dem Weg zur Touristeninformation bin ich schon am ersten Tempel vorbei gekommen - der steht jetzt inmitten wenig ansehnlicher Häuser. Mit dem Stadtplan aus der Info habe ich mich dann auf den Weg zu den Sehenswürdigkeiten gemacht, für die das Ticket gilt. Dabei hatte ich Sorge, dass ich mit dem Ticket gar nicht mehr eingelassen werde, denn das hatte ich in meiner Hosentasche, wo es ganz nass geworden ist und der QR-Code zu einem grauen Punkt verschmolzen war. Aber man hat mich überall reingelassen, auch wenn das Lesegerät gemeckert hat.
Erste Station war die Krypta der Kirche Santa Eulalia. Da hat man vor ein paar Jahren den Boden entfernt und sich in die Tiefe gegraben und außer Warmbädern noch andere Einrichtungen der römischen Siedlung ausgebuddelt und alles so mit einer Stahl-/Beton­konstruktion überdacht, dass man in der Ausgrabungsstätte herumlaufen kann. Nächste Station war die Pferderennbahn, die damals außerhalb der Stadtmauer angelegt wurde. Von der sind aber außer der Rennpiste nur noch ein paar spärliche Tribünenreste erhalten. Besser erhalten und weit eindrucksvoller ist das nahe gelegene Aquädukt. Gleich daneben sind die Reste einer … Therme! Von den Aquädukten gibt es noch ein zweites, an dem ich morgen vermutlich vorbeikomme.
Als nächstes standen das Römische Theater und das Amphitheater an. Auf dem Weg dorthin liegen noch die Reste einer riesigen römischen Villa mit Innenhöfen, großen Mosaiken und natürlich einer Therme. Das ist jetzt alles überdacht, was bei dem wechselhaften Wetter sehr von Vorteil ist. Die beiden Theater bilden einen sehr eindrucksvollen Komplex. Das Amphitheater scheint mir nicht so groß zu sein, wie das in Italica. Aber immerhin konnte man hier den Innenraum fluten, wenn mal eine Schiffsschlacht vorgeführt werden sollte. Gleich nebenan das (Freiluft-) Theater ist imposant und sehr sehenswert. Der Zuschauerraum ist halbrund mit steil aufsteigenden Rängen. Eine Wand mit vorgesetzten Säulen, Portalen und diversen Statuen bildet die Kulisse. Die sieht man fast auf jedem Prospekt und Poster der Stadt. Vor der Bühne gab es auch damals schon einen Orchestergraben. Hinter der Kulisse verbarg sich einst noch eine Parkanlage, von der noch ein paar Reste erhalten sind. Alles damals schön angelegt und jetzt mühevoll restauriert.
Als ich dort gerade mit meinem Rundgang fertig war, fing es wieder an zu regnen. Da bin ich in das gegenüber liegende Römische Museum geflüchtet. Eigentlich lasse ich bei meinen Pilgertouren Museen links liegen, das wäre hier aber verwerflich gewesen, denn des Museum ist dermaßen beeindruckend, dass man es gesehen haben muss. Es ist ein ganz neuer, außen klotzförmiger, aber innen kirchenähnlicher Bau. Es gibt ein „Längsschiff“ mit hohen Jochbögen und ein „Seitenschiff“ mit zwei „Emporen“. Das Ganze ist unheimlich hoch - vermutlich, damit die teils riesigen Mosaike, die man der besseren Sichtbarkeit wegen an den Wänden platziert hat, hineinpassen. Der Bau ist außerdem noch unterkellert. In der „Krypta“ kann man wieder Ausgrabungsstücke am originalen Fundort sehen. Das nächste Museumsgelände konnte ich schon gar nicht mehr anschauen, weil es bereits nach sechs war und um halb sieben geschlossen wird. Ein bisschen was konnte man aber auch von außen sehen, zum Beispiel Grabsteine des auf dem Gelände unter anderem befindlichen Friedhofs. Eine Ausgrabungsstätte nahe der Herberge bin ich schon gar nicht mehr angelaufen, weil die bereits nachmittags geschlossen hat. Mit dem ursprünglich geplanten Schnelldurchlauf wäre es nichts geworden. Ich habe schon mal nur 6 der 8 auf dem Ticket vermerkten Sehenswürdigkeiten geschafft. Es gibt da aber noch unzählige weitere, frei zugängliche Reste aus der Römerzeit zu sehen.
Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ist Mérida etwa 25 vor Christi Geburt als „Augusta Emerita“ gegründet worden, um Legionäre unterzubringen. In ihrer Blütezeit hatte die Stadt 50.000 Einwohner und war die größte und wichtigste römische Stadt auf der iberischen Halbinsel. Jetzt ist sie die Hauptstadt der Extremadura mit großen Wohn- und Industrie­gebieten und hat 60.000 Einwohner, also nicht viel mehr als damals.

Via de la Plata - Tag 11