Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela
Tag 20 (Sa, 16.3.24) La Calzada de Béjar - Fuenterroble de Salvatierra / 20,5 km
Erfreulicherweise war auch die Herberge in La Calzada de Béjar ganz gut temperiert. Ich hatte sogar Angst, dass ich nicht schlafen kann, weil mein Bett direkt neben einem Heizkörper stand, der sich nicht runterregeln ließ. Aber am Abend wurde offenbar die ganze Heizung etwas runtergefahren, so dass man es gut aushalten konnte. In Anbetracht der gut eingerichteten Küche wollte ich mir abends noch die Tütensuppe machen, die ich schon ein paar Tage mit mir rumgeschleppt habe. Das schien aber daran zu scheitern, dass es zwar einen vielflammigen Herd, aber keine Streichhölzer gab. Der zweite Spanier, der neben Pepe in der Herberge war, hat das mitbekommen und ist durchs halbe Dorf zur Wirtin gelaufen und kam mit einem Feuerzeug zurück. Wirklich nett. Außerdem war noch ein französisches Paar in der Herberge, das habe ich aber erst heute morgen kennengelernt.
Auf dem Weg aus dem Ort heraus bin ich noch mal durch die Straße gekommen, von der ich gestern Bilder geschickt habe. Es ist traurig: von den schönen alten Häusern mit dem Balkon zur Straße ist die Hälfte leer und verfallen - so schlimm, dass man die Straße teilweise gesperrt hat. Da kann jederzeit ein kompletter Balkon oder die ganze Fassade auf die Straße stürzen. Von den wenigen intakten Häusern mittendrin sind einige Pensionen. Wenn man auf den „Stadtplan“ schaut, wimmelt es da an Betten. Wie viele davon Manuela, der Besitzerin der „Albergue Alba-Soraya“, gehören, weiß ich nicht, mindestens aber noch eine Pension. Ohne Pilger und andere Touristen sähe es in dem Dorf noch viel trauriger aus.
Der Weg führte heute fast die ganze Strecke bis zum nächsten Dorf, Valverde de Valdela­casa, schnurgeradeaus. Der Weg war halbwegs glatt und eben, auf beiden Seiten von kleinen Steinmauern begrenzt, hinter denen sich weite, lichte Dehesas erstreckten. Ab und zu war mal eine Pfütze zu umrunden, aber das war nichts gegen die Wege in den letzten Tagen. Da, wo mal etwas mehr Wasser stand, halfen Steine bei der Querung. An Tieren waren fast ausschließlich Rinder zu sehen, die auf den satten, grünen Wiesen reichlich gutes Futter finden. In Valverde de Valdelacasa gab es nichts außer einer etwas nöligen Kneipe, in der ein schmuddeliger, aber freundlicher Wirt umher schlurfte. Das Franzosenpaar, das ich da wieder traf, konnte sich gut auf Spanisch mit ihm unterhalten und bekam als Dank noch Schlüsselanhänger geschenkt. Nur wenige Kilometer weiter liegt Valdelacasa, wo der Camino aber am Rand vorbei führt. Da habe ich nur eine an der Hauptstraße stehende Bank für ein Mittagsschläfchen genutzt. Weiter ging es teils auf Feldwegen, teils auf kaum befahrenen Landstraßen. Rechts und links wieder überwiegend Mäuerchen, die nun aber vergleichsweise kleine, ringsum mit Mauern versehene Grundstücke abgrenzten. Alles Viehweiden, die momentan herrliches Grün zu bieten haben.
Gegen drei war ich in Fuenterroble de Salvatierra, meinem heutigen Tagesziel. Ich hätte durchaus noch ein Stück laufen können, aber dahinter kommt eine ganze Weile nichts. Außerdem wird die hiesige kirchliche Herberge „Albergue parroquial Santa María“ als Kultherberge gepriesen, unter anderem, weil es dort gemeinsames Abendbrot und Frühstück gibt - wie die Beherbergung selbst auf Spendenbasis. Sowas behält man gern in Erinnerung: Die Herberge in Granon auf dem Camino Francés, „Ernesto“ auf dem Camino del Norte oder „Fernanda“ auf dem Camino Portugues. Fast jeder, der auf den genannten Wegen unterwegs war, fragt, ob man auch in diesen Herbergen war. Da möchte man doch nicht den Kopf schütteln müssen. Auf Gronze wird die Unterkunft als „ikonische Herberge und Beispiel für unvergleichliche Gastfreundschaft“ beworben. Tatsächlich bin ich da sehr freundlich em­pfangen worden. Allerdings war der große Raum mit zwei langen Tafeln, der vermutlich bei großem Andrang als Speiseraum benutzt wird, vollgestellt mit Hausrat und Kirchenutensilien wie zum Beispiel einem Gestell elektrischer Kerzen, die beim Einwurf einer Münze zu leuchten beginnen. An den Wänden viele Bücherregale, Borde mit Zinnkrügen, Bilder usw. Auf den Tischen Deckchen und Nippes - und zwischendrin das Christkind in der Krippe. Im restlichen Haus sieht es ähnlich aus, in der Herberge auf dem Hof nicht viel anders. In unserem Schlafraum mit 8 Doppelstockbetten hängen die Wände voll mit mehr oder weniger kunstvollen Malereien „Öl auf Holz“. Aber viel wichtiger ist ein Utensil in der Ecke: Ein bullernder Kanonenofen!
Kurz nach mir kam Manuel aus dem Spreewald, dem ich gestern und vorgestern schon mal begegnet bin. Der hat mir fast entschuldigend erklärt, dass er im Öffentlichen Dienst arbeitet und sich auch eine Pension oder ein Hotel leisten könne, aber die Atmosphäre in dieser Herberge kennenlernen möchte, da er doch aus religiösen Gründen auf dem Jakobsweg ist … Als ich meinen Kram abgeladen hatte und mich auf den Weg zu einer Tränke begeben wollte, liefen mir A, B und C in die Arme, mit denen ich mich hier verabredet hatte. Die hatten ja auf der langen Tour ein Stück abseits ein Hotel genommen und sind von dort einen etwas anderen Weg mit einer Zwischenübernachtung in Béjar gelaufen. Dieser Weg verläuft zum Teil auf einer alten, sehr gut als Wanderweg hergerichteten ehemaligen Bahntrasse, wobei es sogar durch einen 300 Meter langen Tunnel geht, in dem Bewegungsmelder das Licht anschalten.
Hier in Fuenterroble gibt es zwar nicht viel, aber das was sie hier haben, gibt es gleich doppelt und dicht beieinander. Da sind zwei verrammelte Ermitagen an gegenüber liegenden Straßenecken, zwei gegenüber liegende, heute geschlossene Geschäfte (ein Supermarkt und ein Schinkenhändler) und zwei direkt nebeneinander liegende, zum Glück geöffnete Kneipen. Ich bin gleich in die erste eingekehrt, wo im Fernsehen Fußball lief - zunächst ein unbedeutendes Ligaspiel und dann eins mit Real Madrid. Am Nachbartisch saßen etwa acht junge Spanier und unterhielten sich. Das war ein unglaublicher Lärm. Als meine drei Kameraden nachkamen, haben wir uns rausgesetzt, weil wir uns drinnen gar nicht hätten unterhalten können. Nachdem wir mit unseren Tortillas und Getränken fertig waren, sind wir die Dorfstraße runter zum angeblich jetzt offenen Supermarkt und unverrichteter Dinge wieder die Dorfstraße hoch. Nun waren es immer noch fast drei Stunden bis zum Abendbrot. Da traf es sich doch gut, wenn es noch eine zweite Kneipe gibt, in der man einkehren kann. Danach waren es nur noch zwei Stunden - genug Zeit, um nochmal bei der ersten Kneipe vorbeizuschauen. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass wir nicht nur Bier oder Wein, sondern zwischendurch auch mal Kaffee getrunken haben.
Als wir zurückkamen, hatte sich unser Schlafsaal schon ganz gut gefüllt. Beim gemeinsamen Abendessen rings um einen großen Tisch bot sich die Gelegenheit zum Durchzählen: 5 Deutsche, 5 Franzosen (2x Toulouse, 2x Grenoble, 1x Paris) und 3 Spanier. Da meine Kameraden alle etwas Französisch können, wurde laufend zwischen Spanisch und Französisch hin und her übersetzt. Da war ich außen vor und konnte derweil die Bücher­regale und Bilder an den Wänden scannen. Ein wüstes Durcheinander einschließlich alter Kirchenbücher. Aber gemütlich - hier dank eines Kamins in der Ecke.

Via de la Plata - Tag 20