Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela
Tag 22 (Mo, 18.3.2024) San Pedro de Rozados - Salamanca / 24,2 km
Da Sanktionen nur was bringen, wenn sie konsequent durchgesetzt werden, habe ich heue morgen einen großen Bogen um die Pension gemacht, die mir das Bett in der üblen Herberge vermietet hat. Was habe ich mich geärgert, dass ich gestern nach einer verdienten Erfrischung nicht weiter nach Morille gelaufen bin, wo meine Freunde sich einquartiert hatten. Hungrig und durstig bin ich heute losgezogen, wohl wissend, dass in Morille die Bar noch nicht offen und die nächste 10 km entfernt ist.
Ich bin trotzdem, als ich Morille gegen acht erreicht hatte, zur Bar gelaufen. Kurz davor hat mich ein Herr angesprochen und erklärt, dass die Bar erst um zehn öffnet. Wenn ich Frühstück haben will, dann soll ich mit ihm mitkommen. Er ist der Hospitalero der Herberge (in der ich eigentlich übernachten wollte) und könne zumindest Kaffee, Orangensaft und Magdalenas anbieten, das sind die süßen und fettigen Küchlein, die auch in den Hotels eingeschweißt auf dem Frühstücksbuffet liegen. Wenn ich Milch für den Kaffee brauche, dann müsste er nur noch mal schnell nach Hause, was er dann auch gemacht hat. Meine drei Freunde, die bei ihm übernachtet haben, waren leider schon weg. Da habe ich mir allein den Rest aus der Kaffeekanne, Saft und das süße Gebäck zugeführt. Das hat zwar gut geschmeckt, war aber ein ordentlicher Zuckerschock.
Auf den nächsten knapp zehn Kilometern ging es auf einem ganz gut begehbaren Fahrweg. In Miranda, das ein kleines Stück neben dem Weg liegt, war ich genau zur Mittagszeit, da lag eine Einkehr nahe. In der kleinen Dorfkneipe gab es sogar eine richtige Auswahl an Essen. Ich habe da in Teig eingebackenen Schinken genommen, was sehr herz- und nahrhaft war. Weiter ging es auf einem ähnlichen Weg, der in weiten Kurven bergauf führte. Oben ange­kommen stand ich vor einem Kreuz, umgeben von Steinen, von wo aus man einen guten Blick zurück, mindestens bis nach Miranda und in der anderen Richtung auf Salamanca hat. Da habe ich mich erstmal auf einem angewärmten Felsen lang hingestreckt. Man konnte ja sehen, dass da in der nächsten Stunde niemand kommen wird. Bis nach Salamanca hinein war es dann aber noch ein ganzes Stück. Da die Herberge hier nicht viele Plätze hat, bin ich gleich dort hin, aber die war, wie in der App ausgewiesen, noch bis um vier zu. Ich hatte also noch eine Stunde Zeit und bin schon mal die Gegend um die Kathedrale abgelaufen und habe mir in einem Supermarkt was zu essen besorgt. Damit bin ich wieder zur Herberge, die ganz dicht neben der Kathedrale, direkt neben einer gut besuchten Parkanlage mit Aussicht liegt. Um vier hat die Hospitalera, eine 72jährige Kanadierin, aufgeschlossen und uns eingelassen. Da waren wir noch zu dritt: außer mir ein Franzose und ein Spanier, die ich beide schon kannte. Später kamen noch eine Dame aus Australien, ein zweiter, auch schon bekannter Spanier und Christoph hinzu, der leider hier ausscheidet, weil er schlimmer werdende Probleme mit einem Fuß hat.
Ich habe mir in der Herberge am langen Essenstisch schnell ein paar Stullen geschmiert und bin dann zur Besichtigungstour durch diese beeindruckende Stadt losgezogen. Es ist die älteste Universitätsstadt Spaniens und die über 800 Jahre alte Uni existiert noch immer, was der Stadt viele junge Leute beschert. Dass Salamanca großartig ist, konnte man schon von weitem erahnen. Bereits seit dem Morgen war die Stadt immer wieder am Horizont zu sehen, wenn der Weg über eine Anhöhe führte. Spätestens ab dem Kreuz auf dem letzten Höhenzug konnte man auch Details erkennen, wie zum Beispiel die Kathedrale, die alles überragt, und viele weitere Kirchtürme.
Auf der Seite, an welche ich die Stadt erreichte, waren keinerlei kleine Vororte oder Ähnliches, sondern nur weite, bucklige Wiesen, die bis an einen Straßenring heranreichten. Dahinter fing gleich die mehrgeschossige Wohnbebauung an. Im Übrigen recht junge, ansprechende Häuser inmitten großer Parkanlagen. Durch einen dieser Parks geht es hinunter zu einem kleinen Bach, der sich durch ein breites, beidseits von Häusern flankiertes Überschwemmungsgebiet schlängelt. Bach und Weg führen dann durch einen hohen Bahndamm hindurch und entlang einer Parkanlage auf den Rio Tormes zu, der die teilweise mit einer Stadtmauer versehene Altstadt von Salamanca nach Süden hin begrenzt. Der Camino stößt direkt auf die alte Römerbrücke, die mit vielen Bögen den Rio Tormes überspannt, der um viele kleine Inseln herum ziemlich munter dahinrauscht. Am anderen Brückenende ragt die Kathedrale über die Dächer der Stadt hinaus. Das ist die letzte Chance, eine komplette Aufnahme dieses imposanten Baus zu machen, denn die verwinkelten Gassen ringsum geben immer nur den Blick auf einzelne Teile frei und die Türme dieser und anderer Kirchen der Stadt sind kaum mal komplett auf ein Foto zu bannen.
Nach ein paar Treppenstufen und einem Stück steil ansteigender Straße steht man schon an der Kathedrale. Zur Pilgerherberge muss man noch vor dem riesigen Bau rechts abbiegen und dann der Karte und seinem Instinkt folgen. Sie liegt zusammen mit der erwähnten kleinen Parkanlage oben an der Stadtmauer am Ende einer Sackgasse. Von dort zur Innenstadt gelangt man aber auch, wenn man ein Stück zurück und dann im Osten um die Kathedrale herum läuft. Da kommt man an einigen Fakultätsgebäuden der Universität vorbei, in denen bis spät in den Abend studentisches Treiben herrscht, und vor denen sich auf den Bänken, Treppen und Mäuerchen Heerscharen junger Leute tummeln, vielfach mit dem Laptop auf den Knien. Zu ehrwürdig alten Universitätsgebäuden sind einige neue hinzu­gekommen, die sich aber in Bauform und Fassadengestaltung kaum unterscheiden. Das Reizvolle an der Altstadt von Salamanca ist, dass alles so gut miteinander harmoniert. Die Kirchen, Universitätsgebäude, Geschäfts- und Wohnhäuser bestehen fast ausnahmslos aus hellem Sandstein oder sind mit sandsteinfarbigem Material verkleidet.
In die Kathedrale habe ich nur an der Kasse vorbei einen Blick geworfen. Für einen Schnelldurchlauf bis zur Schließung um sechs waren mir 10 € (Rentner und Pilger 9 €) zu happig. Ich bin stattdessen in das nahegelegene Universitätsgebäude, das um einen quadratischen Innenhof herum auf zwei Etagen Aulen, Vorlesungsräume und Festsäle mit zum Teil originaler Bestuhlung zu bieten hat. In einem Saal saß man früher auf langen, grob behauenen Balken. Nach der Vorlesung brummte einem da nicht nur der Schädel, sondern tat einem auch noch der Hintern weh. Eine große, verständlicherweise nur durch Glaswände zu besichtigende, alte Bibliothek und eine über beide Stockwerke reichende Kapelle waren das i-Tüpfelchen dieses sehenswerten Baus. Und natürlich die vielen Reliefs über dem Haupteingang.
Eine ganz besondere Sehenswürdigkeit der Stadt ist der Plaza Mayor, welcher als der schönste Spaniens gilt. Um einen quadratischen Platz stehen gleichhohe Gebäude mit einheitlicher Fassade. Nur das integrierte Rathaus sticht mit seinem eindrucksvollen Eingangsbereich hervor. Ich habe den Platz um halb acht noch im Hellen und eine halbe Stunde später im Dunkeln mit Laternenbeleuchtung gesehen. Beides war unglaublich beeindruckend. Die vielen anderen schönen Gebäude, die ich auf meinem kurzen Rundgang durch sie Stadt gesehen habe, kann ich gar nicht alle aufzählen.

Via de la Plata - Tag 22