Es ist ein schöner Tag Ende August 2014 und die erste Etappe des Pilgerweges Frankfurt (Oder) - Bernau steht auf dem Programm. Nach Frankfurt zu kommen, ist kein Problem - da fährt stündlich ein Regionalexpress und während der Semesterferien ist der auch nicht überfüllt. Sonst kann man in dem Doppelstockzug Unmengen an Viadrina-Studenten antreffen, die zwischen Berlin und ihrem Studienort pendeln. Wer an der Bahnlinie wohnt, ist mitunter schneller an der Frankfurter Viadrina, als an einer der Berliner Universitäten.
Die Haltestellen an der Bahnlinie vermitteln schon Pilger-Gefühle: Es geht durch „Jacobsdorf“ und „Pillgram“, zwei Orte an der sogenannten Südroute des Jakobsweges.
Diese Route ist aber zu einem späteren Zeitraum dran.
Vom Frankfurter Bahnhof, der samt Bahnhofsvorplatz einen recht beschaulichen Eindruck macht, geht es zunächst in die Innenstadt.
Der Fussweg entlang alter Bahnanlagen ist nicht sehr einladend, aber kurz.
Ein Wahrzeichen der Stadt ist der 25-stöckige Oderturm, der 1976 fertiggestellt wurde und ursprünglich neben Büros und einem Hochhaus-Café in den obersten Etagen ein Jugend­hotel enthielt. Dort konnte man für einen schmalen Taler recht komfortabel nächtigen und den Blick auf die Stadt und über die Oder hinweg genießen.
Auf Heinrich von Kleist, der 1777 in Frankfurt (Oder) geboren wurde, trifft man an vielen Stellen der Stadt. Natürlich gibt es eine Kleiststraße, aber auch einen Kleist-Park, ein Kleist-Museum, Kleist-Denkmäler und sogar eine Kleist-Apotheke und ein Theater- und Konzertzentrum namens „Kleistforum“.
Im Gertraudenpark steht das bekannteste Kleist-Denkmal:
Der flotte Typ mit Ehrenkranz und Kinder-Harfe (oben in der Mitte) soll an den berühmten Dichter erinnern, der von 1777 bis 1811 gelebt hat. Die beidseitig beinamputierte Dame (oben rechts) soll die Muse darstellen und macht Reklame für das nahe Haus der Künste.
Auf dem Gelände des Gertraudenparks an der Lindenstraße befand sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts der Friedhof der St.-Gertrauden-Kirche, der ab 1801 in einen Landschafts­park umgewandelt wurde. Ein paar Grabmale hat man erfreulicherweise damals stehen lassen. So zum Beispiel (oben links) das von Joachim Georg Darjes und seiner Frau Marta Friderica Reichardt. Der 1714 geborene Pfarrer, Philosoph, Jurist und Ökonom Darjes wurde 1763 vom Alten Fritz an die Viadrina berufen, deren Rektor er dann von 1772 bis zu seinem Tode 1791 war. Rechts dahinter steht ein dreiseitiger Obelisk mit französischer Beschriftung. Es ist das Grabmal des in Frankfurt gestorbenen Dichters Ewald Christian von Kleist (1715-1759), der zu Zeiten des Alten Fritz Leutnant im Regiment des Prinzen Heinrich war.
Ein Stück weiter nördlich an der Ecke Linden-/Logenstraße steht zu Füßen des Oderturms das Gebäude der Frankfurter Hauptpost, das 1899-1902 auf Veranlassung des Generalpostmeisters Heinrich von Stephan erbaut wurde.
Stephan, der Mitbegründer des Welt­postvereins, war 1855/56 bei der königlichen Oberpostdirektion Frankfurt beschäftigt.
Hinter dem Oderturm fällt der Blick über einen großen Parkplatz auf die St. Marienkirche hinter einer Reihe historischer Gebäude an der Großen Scharnstraße. Rechts daneben, durch das Einkaufszentrum verdeckt, steht das Hauptgebäude der Europa-Universität Viadrina, die 1991 gegründet wurde. Sie ist Nachfolgerin der Alma Mater Viadrina, die von 1506 bis 1811 bestand und kann daher auf eine mehr als 500jährige Geschichte zurückblicken.
Im Hintergrund ist das einst als Bettenhaus der Bezirksparteischule Frankfurt (Oder) der SED erbaute Studentenwohnheim der Universität zu sehen. Die dort untergebrachten Studenten haben einen grandiosen Blick auf die Stadt und die Ufer der Oder.
Wer auf dem Pilgerweg ist, schenkt seine Aufmerksamkeit nun vor allem der St. Marienkirche.
Mit dem Bau der St. Marienkirche wurde gleich nach der Stadtgründung 1253 begonnen und erst 1521/22, also nach Gründung der Viadrina, wurde der Bau abgeschlossen.
Die im zweiten Weltkrieg stark zerstörte Kirche wurde nach notdürftiger Instandsetzung 1974 an die Stadt verpachtet, die 1979 mit der Rekonstruktion begann. Seit 1998 besitzt die Kirche den größten Holzdachstuhl, der im 20. Jahrhundert errichtet wurde. Und seit 2009 sind auch wieder die drei zwischen 1360 und 1370 entstandenen Bleiglasfenster zu bestaunen, die im Krieg ausgebaut und nach Kriegsende als Beutekunst in die Sowjetunion verbracht wurden.
Die Kirchenportale weisen einen reichhaltigen figürlichen Schmuck auf. Am Nordportal, das zum angrenzenden Parkplatz zeigt, befinden sich über der Tür drei große kreisrunde Plaketten mit Heiligendarstellungen. Und auch die Pfeiler beidseits des Portals sind mit Reliefs geschmückt.
Das Relief am linken Pfeiler stellt zweifelsfrei den Heiligen Jakobus dar - unschwer an der umgehängten Jakobsmuschel und dem nebenstehenden „Iakob“ zu erkennen. Um den Heiligen ganz sicher identifizieren zu können, hat der Steinmetz ihn zusätzlich mit einem Heiligenschein versehen, der mit weiteren Jakobsmuscheln besetzt ist.
Wir sind hier also richtig - auf dem (oder besser „einem“) Jakobsweg, der von jenseits der Oder kommt und über Berlin weiter gen Westen führt und zusammen mit vielen anderen Jakobswegen im spanischen Santiago de Compostela endet.
Da der Heilige Jakobus nach Nordosten schaut, kann man getrost in diese Richtung laufen - vorbei am lesenden Mädchen vor dem Buchladen und durch die Bischofsstraße zum Holzmarkt am Oder-Ufer. (Wer etwas gegen Bischöfe hat, kann auch die parallele Regierungsstraße benutzen.)
Dort muss man sich entscheiden, ob man in Richtung Berlin auf der Südroute über Fürstenwalde oder wie wir bei dieser Tour auf der Nordroute über Müncheberg pilgern will.
An der Ufermauer wende man sich also nach links und laufe am Wasser gen Norden, d. h. stromabwärts. Vorbei geht es an der Friedensglocke, die 1953 von der Ost-CDU gestiftet wurde und seit 2011 ihren jetzigen Standort hat.
Auf der Uferstraße, in der noch alte Eisenbahngleise auszu­machen sind, stößt man immer wieder auf alte Kräne und sonstige Hafen-Utensilien sowie auf schön herausgeputzte Speicherhäuser. Der Blick über die Oder und damit über die Grenze fällt auf den modernen Bau des Collegium Polonicum, den polnischen Ableger der Europa-Universität Viadrina.
Nahe der Stadtbrücke, über die der Jakobsweg aus Polen herüber kommt, findet sich in Form zweier Wegweiser die ultimative Aufforderung, sich für eine der beiden Routen des Jakobsweges zu entscheiden.
Wer die Nordroute gewählt hat, läuft weiter entlang der Oder und hat Gelegenheit, an der Hafenmauer diverse Reliquien aus besseren Zeiten der Oderschifffahrt zu bewundern, darunter auch ein stattlicher Kran auf den alten Gleisen.
An der Marina biegt der Weg links in die Hafenstraße, passiert einen ausgedienten Bahnübergang und stößt auf die Berliner Straße, die ab hier Herbert-Jensch-Straße heißt. Es geht nun ein Stück entlang dieser Straße, die noch reichlich DDR-Charme versprüht. Dort, wo die Straße leicht nach links schwenkt, biegt der Weg wieder rechts in Richtung Oder ab.
Wieder an der Oder (oder besser einem toten Seitenarm der Oder) angekommen, fällt der Blick auf eine Bootswerft am gegenüber liegenden Ufer. Der Weg biegt links mit der Straße „Am Winterhafen“ ab und führt wieder nach Norden.
Etwas verwirrend ist, dass hier gefühlt alle Straßen „Am Winterhafen“ heißen. Vor dem Schlenker zur Berliner Straße waren wir schon mal auf einer Straße „Am Winterhafen“, an der soeben erreichen Gabelung heißen alle drei Arme „Am Winterhafen“ und auch die Straße auf der gegenüber liegenden Landzunge trägt diesen Namen. Der Weg führt nun wieder weg vom Wasser und gabelt sich nach etwa 400 Metern vor einer Gartenanlage (unten links). Hier ist der linke Abzweig zu nehmen, der (wen wundert's wirklich) weiterhin den Namen „Am Winterhafen“ trägt, obwohl nun weit und breit kein Wasser mehr ist.
Hinter dem Grundstück des Entsorgungsunternehmens „Veolia“ biegt der Jakobsweg zusammen mit den anderen Wanderwegen gut ausge­schildert nach links in die Straße „Am Schlachthof“ ein, die eine Überraschung birgt.
Ausgerechnet hier, Am Schlachthof, hat der 1. FC Frankfurt (Oder) sein Domizil. Da reist bestimmt mancher Gegner mit gemischten Gefühlen zum Auswärtsspiel an.
Vorbei an der Straßenbahnschleife geht es zur „Kliestower Straße“, von der zwecks völliger Verwirrung des Wanderers zweimal ein „Kliestower Weg“ abzweigt.
Der Ausschilderung nach Lebus folgend biegen wir rechts in die Kliestower Straße und folgen dieser bis zur Gabelung, an der wir links den Ragoser Talweg nehmen.
Der Ausschilderung nach Lebus folgend biegen wir rechts in die Kliestower Straße und nehmen an der nächsten Gabelung links den Ragoser Talweg, der uns zu einer Imkerei mit Hofladen in einem interessanten alten Backsteinhaus führt.
Das war mal die Ragoser Mühle und der Mühlenteich befand sich links neben dem Grundstück. Ein paar Meter weiter, kurz bevor der Weg die Landstraße mit dem Oder-Neiße-Radweg quert, lädt eine Bank zum Verschnaufen ein. Auf der anderen Seite der Landstraße heißt unser Weg „Sandfurt“ und führt durch eine Wochenendsiedlung. Nach 200 Metern steht der Wanderer plötzlich vor einem Viadukt, über das früher die Eisenbahnlinie von Frankfurt nach Lebus führte.
Zusammen mit dem Weg unterquert das „Ragoser Talflies“ die Eisenbahntrasse und weitet sich kurz darauf zum „Sandfurtteich“, auch „Parkteich Kliestow“ genannt.
Vorbei an Resten wuchtiger Feldsteinmauern, die vermutlich einst den Park des leider verfallenen Kliestower Schlosses einfriedeten, kommt man zu einem knöchernen Baum mit Wegweisern, unter anderem zur Wüste Kunersdorf. Das klingt interessant - dem Schild müssen wir später mal folgen.
Kliestow ist ein Ortsteil der Stadt Frankfurt mit etwa 1100 Einwohnern. Das Dorf wurde erstmals 1320 als „ville clistow“ urkundlich erwähnt und war über Jahrhunderte abwechselnd im Besitz der Stadt Frankfurt und im Privatbesitz.
Auf den Wanderer macht der Ort einen gepflegten Eindruck. Was sofort ins Auge sticht, ist das zweiflüglige, V-förmige Vorlaubenhaus im Ortszentrum, das früher evangelisches Gemeindehaus und Schule war. Nur am Rande sei erwähnt, dass hier in Kliestow fast alle Straßen „Sandfurt“ heißen. Nach dem Abzweig des Wendischen Weges geht links eine Straße ab, die natürlich auch „Sandfurt“ heißt. Diese gabelt sich nach 100 Metern und es ist nicht schwer zu erraten, wie beide Abzweige heißen ...
Die Kliestower Kirche fällt nicht sofort ins Auge, da sie sich hinter recht hohen Bäumen verbirgt. Es ist ein Feldsteinbau aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Der verputzte und weiß/rot gestrichene Turm erhielt Ende des 16. Jahrhunderts einen Aufsatz mit Renaissancefassade. Das gibt der Kirche ein unverwechselbares Äußeres.
Durch die Lebuser Straße geht es 100 Meter nach Süden bis zum Kreisverkehr an der Berliner Chaussee (B5). Dort biegt man rechts ab und folgt der Straße auf dem begleitenden Fuß-/Radweg in das benachbarte Booßen.
Wie Kliestow ist auch Booßen ein Ortsteil von Frankfurt. Es wurde erstmals 1317 urkundlich erwähnt, 1432 von den Hussiten geplündert und während des Dreißigjährigen Krieges 1636 völlig zerstört. 1815 wurde Booßen der Stadt Frankfurt zugeordnet, ein paar Jahre später kam es aber zum Kreis Lebus. 1974 wurde Booßen in Frankfurt eingemeindet.
Das Rittergut Booßen wurde 1925 von der Landgesellschaft Eigene Scholle aufgekauft und parzelliert.
Am Ortseingang trifft man hinter der Eisenbahnbrücke auf die Straße „Am Ehrenmal“, die in ein kleines Wäldchen führt. Nur wenige Meter von der Einmündung entfernt befindet sich dort eine ansprechend gestaltete und gut gepflegte sowjetische Kriegsgräberstätte mit einem erhöht stehenden Ehrenmal.
Hier ruhen 46 im April 1945 gefallene sowjetische Soldaten.
Wieder zurück auf der Berliner Straße in Richtung Ortskern stößt man nach wenigen Metern rechts auf ein dicht an der Straße stehendes Haus, bei dem es sich unverkennbar um ein Chausseehaus handelt.
Im vorgezogenen Gebäudeteil saß der Chausseegelderheber, um von allen passierenden Kutschen und Fuhrwerken die Maut zu kassieren. Eine der mautpflichtigen Postkutschen ist ein Stück weiter an der Fassade des Hotels zu bewundern.
Während die B5 Kliestow nur am Rande streift, wird Boossen von der Bundesstraße in voller Länge zerschnitten.
Entsprechend heftig ist hier sicher in Spitzenzeiten der Verkehr. Da bietet sich der Straßenrand zum Aufstellen von Blitzern an. Und wo ein Blitzer im Ort ist, ist ein Imbiss meist nicht fern. Irgendwo muss man ja den Ärger runterspülen.
Direkt gegenüber dem recht­zeitig angekündigten Blitzer geht es links eine Treppe hoch zur Booßener Kirche, die auf einem ummauerten Hügel stehend über dem Ort thront.
Die Booßener Kirche wurde um 1250 als Wehrkirche erbaut, häufig erweitert und nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg im Renaissance-Stil wieder aufgebaut. 1871 erfolgte ein kompletter Umbau, da in der Kirche Platz für die vielen im Ort beschäftigten Bergarbeiter geschaffen werden musste.
Neben der Kirchentür verweist eine fast mannshohe Tafel darauf, dass hier die Gebeine der „Frau Geheimen Justiz Räthin Johanna Rosina Busch, geborne Freiberg“ ruhen. Sie wurde 1748 in Cüstrin geboren und verstarb 1804 in Booßen.
Auf dem Booßener Kirchhof hat, halb von Gras und Erde bedeckt, ein Gedenkstein mit der Inschrift „Fürs Vaterland“ / „In Treue fest“ aus dem ersten Weltkrieg überlebt.
Das Schloss an der Friedhofstür ist mindestens genauso alt und ebenfalls nicht mehr in bestem Zustand.
Die Schule zu Füßen der Kirche ist hingegen gut in Schuß.
Etwa 150 Meter hinter dem Abzweig nach Wulkow (wo das bekannte, UFO-ähnliche Ökohaus steht), geht es links in den nach Sieversdorf ausgeschilderten Forstweg, der nach wenigen Hundert Metern die B112 überquert.
Da wir den Jakobsweg und nicht den Dienstweg gehen wollen, können wir das Schild „Dienstweg nur für Befugte“ an der Brücke über die B112 ignorieren. Der etwas staubige, aber sehr ruhige Weg nach Sieversdorf schlängelt sich durch große Sonnenblumenfelder. Da er gut ausgeschildert ist, muss hier nicht jede Biegung des Weges erklärt werden.
Der Weg führt zunächst schnurgerade gen Westen und ist beidseits von Bäumen eingefasst. Wenn der Jäger nicht gerade auf seinem Hochstand sitzt, können die Rehe hier ganz ungestört über den Weg schlendern.
Das machen vermutlich auch die Roten Waldameisen, für deren Schutz auf einem Rastplatz am Weg geworben wird.
Dann taucht der Weg in einen dichten Wald ein, wo er nicht befahren werden darf. Das sichert dem Wanderer neben der fast vollkommenen Ruhe auch Staubfreiheit. Ein großer Teil des Waldes ist sogar als Wildruhezone deklariert.
Am Wegweiser, der zwei Wege nach Sieversdorf ausweist, ist der mit der Sonne als Jakobswegzeichen zu nehmen.
Wenn man nicht in Eile ist, was beim Pilgern oder Wandern stets zu vermeiden ist, sollte man einen Abstecher zum sogenannten Näpfchenstein machen. Der ist nur hundert Meter vom Weg entfernt und dort gibt es nicht nur was zu sehen, sondern auch eine gute Gelegenheit zum Picknick.
Den Wanderer erwarten ein 11 Tonnen schwerer Findling aus Skandinavien, umgeben von Bänken, und eine Schutzhütte, in der man auch mal einen Regenguss überstehen könnte.
Auf der Info-Tafel neben dem Stein erfährt man, dass die näpfchenartigen Vertiefungen, die dem Stein seinen Namen gaben, keinesfalls auf einen Opferstein hindeuten, sondern zum Spalten des Steins mittels Holzkeilen dienten.
Aber der Gedanke an mystische Opferrituale ist verlockender, als der an zurückgelassenes, halbfertiges Baumaterial.
Ein Stück weiter wird an einem vom Blitz getroffenen Baum erklärt, welche Spuren ein Blitzeinschlag am Baum hinterlässt: Blitzleisten. Was Sturm im Wald an Schaden hinterlässt, kann man auch an einigen Stellen sehen.
Der Abstecher zum Findling „Kappe“ muss mal ausbleiben, denn es ist schon weit nach Mittag und die Frankfurter Stadtgrenze ist immer noch nicht erreicht. Erst ein paar Hundert Meter weiter verlässt man den Stadtwald.
Der Wald hört an der Stadtgrenze längst nicht auf, wird nun aber deutlich lichter und am Boden wird es immer grüner.
Leider erfährt man im Internet nicht viel über den Stadtwald, die Webseite der Stadt verkündet nur die Anschrift der zuständigen Behörde. Fest steht, dass man stundenlang durch den Wald streifen kann, ohne jemanden zu treffen.
Irgendwann ist auch der größte Wald zu ende. Jenseits des Waldrandes trifft man auf grüne Wiesen und Felder.
Wenn man den Wegweisern richtig gefolgt ist, befindet man sich auf dem Lichtenberger Weg, der von Südosten auf Sieversdorf zu läuft. Bei dem Graben, der den Weg quert, handelt es sich um das „Goldene Flies“.
Weiter geht es auf dem Lichtenberger Weg nach Sieversdorf. Ein Wegweiser wirbt schon mal für die Pension an der Orgelwerkstatt in Sieversdorf und einen Keramikhof im „Ausbau“, zu dem man abbiegen müsste.
In Sieversdorf fällt einem gleich auf, dass man sich hier Laternen mit Ortsnamen leisten kann, dass es Baumpaten­schaften (und Orden dafür) gibt und dass die Freiwillige Feuerwehr schon ziemlich lange besteht: gegründet 1910.
Und man sieht sehr schön hergerichtete, aber auch halb verfallene Bauten am Straßenrand.
Eine prächtige Lokomotive aus Strohballen wirbt im Dorfkern für das Dorffest, das in zwei Wochen stattfinden soll.
Das letzte runde Jubiläum liegt ein paar Jahre zurück: Im Juli 2003 konnte Sieversdorf 650jähriges Jubiläum feiern - vier Monate später (zeitgleich mit Mehrow) hat Sieversdorf seine Selbständigkeit verloren. Seitdem ist es ein Ortsteil von Jacobsdorf (Mark). Einwohner hat der Ort keine 300, also deutlich weniger als Mehrow mit 500 Einwohnern.
Auf einer Info-Tafel erfährt man, dass die aus regelmäßigen Granitquadern bestehende Sieversdorfer Kirche aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammt. Der im Dreißigjährigen Krieg zerstörte Turm wurde später durch einen Holzturm ersetzt.
Interessant sind die wuchtigen Backsteinstützen, die offenbar den Turmunterbau halten sollen. es ist aber nicht zu erkennen, dass der sich aus seiner Lage verabschieden will.
Von den genannten Umbauarbeiten in der Barockzeit sind nur die veränderten Fenster und ein Fachwerk­anbau auf der Nordseite erkennbar, denn die verschlossene Tür verwehrt leider den Blick ins Innere. Die Kriegergedenktafel von 1914-18 ist wie in Booßen überschrieben mit „In Treue fest“.
Das Gutshaus von Sieversdorf wurde 1689 erbaut und war später der Mittelpunkt des Gutsbetriebes. Zusammen mit weiteren zwischenzeitlich entstandenen Gutsgebäuden wurde es nach dem zweiten Weltkrieg enteignet und unter anderem von der LPG genutzt. Jetzt ist es wieder im Besitz der früheren Gutsbesitzerfamilie. Andere Gebäude des Gutshofes werden von einer Orgelwerkstatt und als Pension genutzt.
In einem der früheren Wirtschaftsgebäude befindet sich eine Pension und eine Pilgerherberge, die eine preiswerte Übernachtungs­möglichkeit bietet.
Die Pensions- und Herbergsmutter, die laut ihrer Webseite selbst Jakobspilgerin ist, bietet bei Bedarf auch Verpflegung und fast allen denkbaren Service für Pilger an. Auch Besichtigungen der Orgelwerkstatt sind auf Anfrage möglich.
Da Sieversdorf nicht weit von der Südroute entfernt ist, könnte man hier auch nächtigen, wenn man jenen Weg wählt.
Die Nordroute des Jakobsweges führt von Sieversdorf in Richtung Alt-Madlitz. Er ist gut ausgeschildert und man findet am Weg auch eine Schutzhütte und Pfähle mit der Jakobsmuschel.
Bald hinter Sieversdorf taucht der Weg in einen Wald, in dem eifrig Holzwirtschaft betrieben wird. Bei nassem Wetter kann das leider zu matschigen Wegen führen. Aber die Harvester sind ja hier nicht auf Dauer unterwegs.
Der Jakobsweg überquert die L37 zwischen Petershagen und Jakobsdorf und kurz vor Madlitzer Mühle eine Verbindungs­straße zwischen Petershagen und Briesen. Eigentlich führt der Weg jetzt über die Madlitzer Mühle hinaus bis kurz vor Alt Madlitz und biegt dann scharf rechts ab nach Falkenberg - dicht vorbei an Petershagen. Aber es ist spät geworden und so richtig einladend ist das gut umzäunte Areal mit Nobel-Wochenendhäusern entlang des Pilgerweges auch nicht.
Da bietet es sich an, noch vor den Nobelhütten rechts abzubiegen und den Weg nach Petershagen zu nehmen, zumal dort vermutlich bessere Möglichkeiten bestehen, mit dem Bus nach Müncheberg zu kommen, als in Falkenhagen.
Der „Briesener Weg“, ein Plattenweg aus besten LPG-Zeiten, führt fast schnurgerade gen Norden nach Petershagen.
Wie später eine Tafel am Wegesrand aufklärt, ist dieser Plattenweg Teil des „Lebuser Landweges“, der sich im weiteren Verlauf mit der Alternativroute des Jakobsweges von Frankfurt über Lebus deckt. So ganz geschichtslos ist man also auch hier nicht unterwegs.
Nach knapp drei Kilometern ist Petershagen erreicht, wo man von gackernden Hühnern und St. Florian begrüßt wird.
Der Plattenweg mündet in die L37, die kurz darauf auf die B5 trifft, welche links nach Berlin und rechts nach Frankfurt führt.
Gegenüber der LPG „Freundschaft“ grasen Esel auf einer vermutlich mal zum Gut gehörenden Brache nahe der Kirche und beäugen interessiert und zugleich misstrauisch jeden, der nicht mindestens seit dreißig Jahren hier wohnt.
Der Fahrplan an der Bushaltestelle verrät, dass noch etwas Zeit bis zum nächsten Bus nach Müncheberg ist, also Gelegenheit zur Ortsbesichtigung besteht.
Wie sich schnell zeigt, braucht man aber nicht lange, um die Sehenswürdigkeiten des Ortes in sich aufzusaugen, zumindest wenn die Kirche verschlossen ist.
Petershagen wurde vermutlich im 13. Jahrhundert gegründet, wird aber erst 1405 erstmals in einer Urkunde erwähnt. Auch hier gab es im Dreißigjährigen Krieg starke Zerstörungen. Auf der Infotafel zum Lebuser Weg erfährt man außerdem, dass sich im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) am Madlitzer See Russen und Preußen gegenüber standen und die Dörfer ringsum mussten die Invasion der Russen ertragen. Ab 1840 begann man gezielt mit der Suche nach Braunkohle und deren Abbau unter Tage nahm schnell Fahrt auf.
Die aus dem 13. Jahrhundert stammende Kirche wurde im 18. Jahrhundert umgebaut. Der Turm bekam einen verputzten Backsteinaufsatz und eine barocke Haube.
Innen soll es einiges zu bestaunen geben, aber wie gesagt, die Tür ist zu.
Neben der Kirche trifft man auf eine Gedenkstätte für die Opfer des 2. Weltkrieges: Eine Tafel mit den Namen der Verstorbenen und einige gusseiserne Grabkreuze.
Die vom Kreisverkehr nach Seelow führende Straße trägt den romantischen Namen „Betonstraße“. Das regt zum Schmunzeln an, aber wenn man aus einem Ort kommt, wo „Sackgasse“ auf einem Straßenschild steht, sollte man sich mit seiner Häme zurückhalten.
Vom Busbahnhof, das heißt von der Haltestelle in der Wendeschleife hinter dem Gemeinde­zentrum geht es mit dem Bus nach Müncheberg, mit der aus Küstrin kommenden Regionalbahn nach Lichtenberg und mit der S-Bahn nach Hause.
Das war ein angenehmer Tag mit unglaublich vielen verschiedenen Eindrücken.