Es ist ein schöner Spätsommertag im September 2010. In der MOZ gab es einen Hinweis auf eine gemeinsame Wanderung auf dem Jakobsweg von Werneuchen nach Bernau, veranstaltet von der Bernauer Stadtinformation.
Darauf hat sich eine große Menge zum angegebenen Termin auf dem Werneuchener Marktplatz eingefunden. Ein Bus hat die Bernauer Teilnehmer hergebracht und wird nachmittags die Werneuchener Teilnehmer aus Bernau zurückbringen.
Frau Ulbricht von der Bernauer Stadtinfo begrüßte die Pilger und zeigte sich überrascht, wie viele gekommen waren.
Unter den Teilnehmern waren einige bekannte Gesichter, darunter auch Herr Jeran vom Verein „Barnimer Feldmark“, der an der Wegeführung und (teilweise noch ausstehenden) Beschilderung des Jakobsweges maßgeblich beteiligt ist.
Da beantragte Fördermittel noch ausstanden, musste sich der Verein mit der Ausschilderung des Weges zurückhalten.
Vom Marktplatz ging es über die Berliner Allee (B158) in die Köpenicker Straße. Schon an der Ampel zeigte sich, dass der Tross ziemlich gewaltig ist und auseinandergezogen eine lange Schlange bildet. Das ist wirklich nicht jedermanns Sache ...
Der Jakobsweg verläuft lt. Karte auf der Köpenicker Straße zum Gewerbegebiet im Süden der Stadt und biegt dort in die Ahornstraße, auf der er vorbei an den wenigen Gewerbe­betrieben und dann im Zick-Zack zur B158 führt.
Der Weg trifft so ziemlich auf der Hälfte zwischen Seefeld und Werneuchen auf die B158 und geht dann weiter über die Bahnlinie und nach Osten schwenkend direkt nach Löhme.
Löhme wird erstmals 1375 im Landbuch Kaiser Karl IV. als „Lomen“ erwähnt. Der Rittersitz hatte wechselnde Besitzer, meist adlige Familien, darunter auch die Arnims. 1735 kaufte der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. die Dörfer Löhme, Weesow und Willmersdorf und bildete daraus das königlich-preußische Domänenamt Löhme. 1756 kamen Krummensee und Seefeld hinzu. Das Amt Löhme wurde 1874 aufgelöst. Löhme war dann bis zur Eingemeindung nach Seefeld 1998 eine selbständige Gemeinde mit etwa 300 Einwohnern. Im Oktober 2003 wurde Seefeld einschließlich Löhme nach Werneuchen eingemeindet.
Der Weg führt völlig baumfrei durch weite Felder und Wiesen, auf denen sich große Schafherden wohlfühlen. Bei sengender Sonne ist es hier bestimmt unangenehmer als jetzt an einem milden Spätsommertag.
In Löhme wird man von einer größeren Zahl an Feldstein­häusern begrüßt, von denen eines die Jahreszahl 1856 an der Wand trägt. Der Weg stößt auf die von links kommende Seefelder Chaussee, die hier zur Löhmer Dorfstraße wird und 500 Meter weiter als Bernauer Chaussee wieder abbiegt.
Dort steht eine Steinsäule mit der Jakobsmuschel und der Aufschrift „Jakobsweg in Barnim“. Das ist ein beliebtes Fotomotiv, vor allem für Wander- und Pilgergruppen.
Die nun in Löhme eingefallene Gruppe ist aber so groß, dass sie weder komplett um die Säule, noch in die Kirche passt.
Deshalb wird geteilt. Während eine Hälfte sich zur Kirchen­führung anstellt, geht die andere Hälfte schon mal auf den Hof der Pilgerherberge gegenüber, wo man sich ausruhen und einen Imbiss fassen kann.
Die jetzige Dorfkirche Löhme ist ein spätgotischer Bau aus dem 15. Jahrhundert. Sie hat einen dreiseitigen Chorschluss und einen quadratischen Westturm. Unter der Kirche befindet sich eine Gruft, die aber seit 1909 nicht mehr zugänglich ist.
Im Innern ist die mit den Wappen Barnimer Adelsfamilien dekorierte Patronatsloge von 1620 besonders sehenswert.
Hinter dem schlichten steinernen Altar versteckt findet sich die mit einer lebensgroßen Rittergestalt versehene Stein­platte, unter der Franz II. von Arnim (1513-87) beigesetzt ist. Er war mit Anna von Rohr (gest. 1590) verheiratet und besaß neben Löhme auch Biesenthal. Sein Vater war Bernd I. von Arnim, seine Mutter Anna von Bredow.
Auf der Wappentafel an der Stirnseite der Patronatsloge finden sich die die Wappen von „Bernhard v. Arnimb“ und „Dorothea Elisabeth v. Kattin“ sowie die Jahreszahl 1620. Bernhard von Arnim und seine Frau aus dem Hause derer von Katte waren offenbar Anfang des 17. Jahrhunderts Besitzer des Rittergutes und vermutlich Stifter dieser Loge.
Die Holzkanzel ist ebenfalls mit den Wappen von Bernd [!] v. Arnimb und Dorothea Elisabeth Katte versehen.
Daneben befindet sich ein Sandstein-Epitaph von 1763.
Auf dem Hof gegenüber hat sich derweil die andere Hälfte der Wandergruppe vergnügt und beköstigt. Nun wird getauscht.
Die Inhaber des Gehöfts und ein paar Freunde haben dort einen Tresen aufgebaut, über den Bratwurst, Schmalzstullen, Kaffee usw. gehen. Viele Stühle und Bänke sind auf dem Hof aufgestellt, so dass fast jeder einen Sitzplatz findet.
Wer Lust hat und schon satt ist, kann sich auf dem Gehöft umsehen, in einem ruhigen Eckchen ein paar Minuten die Beine hochlegen oder hinter der Kirche einen Blick auf die Festwiese, den Haussee und das Dorf Seefeld am gegenüber liegenden Ufer werfen.
Man kann aber auch einen Blick in das Pilgerzimmer werfen. Das ist sehr einfach eingerichtet, aber so soll es auch sein. Wer es komfortabler haben will, kann ein Hotel nehmen.
Hier in der Herberge findet man alles, um auf dem Pilgerweg gut, sicher, trocken und warm eine Nacht zu verbringen. Und dafür wird man (2010) nur um eine kleine Spende gebeten.
Nachdem die Gruppe wieder zusammengetrommelt ist, geht es weiter. Zunächst ein kleines Stück entlang der Bernauer Chaussee (L30) und dann nach links in Richtung Helenenau.
Am Anfang, zwischen den Feldern, ist der Weg gerade sehr aufgeweicht und eher was für sprunghafte Leute, aber später im Wald ist er wieder gangbar.
Unterwegs trifft man wieder auf Reiter sowie Pferde auf der Weide, welche die vorbei ziehende Menschenmenge interessiert beobachten. Aber sie gehen leer aus.
Entweder hat niemand eine Möhre dabei oder alle halten sich an das Fütterungs-Verbot, auf das hier wie an meisten Koppeln aus gutem Grund hingewiesen wird.
Helenenau wurde 1874 als Vorwerk des Gutes Börnicke errichtet und nach der Frau des damaligen Gutsbesitzers Otto Franz Theodor Hosemann, Henriette Helene Wilhelmine, benannt, die 1871 zusammen mit der Tochter Helene Auguste im Kindbett gestorben ist.
Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts gehörte das Gut und damit auch das Vorwerk Helenenau dem Kommerzienrat Ernst Mendelssohn-Bartholdy, der im Schloss Börnicke wohnte und angeblich seine Reit- und Kutschpferde in Helenenau hatte.
Zu DDR-Zeiten betrieb die die Abteilung XXII (Terrorabwehr) der Stasi unter dem Tarnnamen „Objekt 76“ in Helenenau ein geheimes Ausbildungsobjekt. Manche Gebäude sehen auch jetzt noch danach aus, andere haben wenigstens einen neuen Anstrich erhalten.
Nach kurzem Umschauen geht es weiter nach Börnicke. Bis zum Abzweig nach Elisenau ist die Straße asphaltiert, aber auch danach ist sie für Wanderer recht brauchbar.
Der Weg führt zweimal durch ein Wäldchen, ansonsten unter Schatten spendenden Bäumen durch Felder und Wiesen. Pferdekoppeln am Wegesrand sind da unausweichlich.
In Börnicke stößt der Weg genau auf das Schlossgelände und am Eingang gibt es an diesem Tag einen speziellen Willkommensgruß für die Pilger aus Werneuchen.
Das Schloss, das Paul von Mendelssohn-Bartholdy 1909 erbauen ließ und das zwischenzeitlich als Kinderheim diente, wartet noch auf eine Sanierung und eine neue Nutzung.
Derzeit (2010) bietet die 1995 gegründete STEREMAT Beschäftigungsgesellschaft mbH den von ihr betreuten Arbeitssuchenden auf dem Schlossgelände verschiedene Beschäftigungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten im landwirtschaftlichen Bereich.
Neben einem gut und gern besuchten Kinderzoo mit Ziegen, Schafen, Kaninchen, Hühnern usw. betreibt sie auch einen gepflegten Kräutergarten mit einer großen Pflanzenvielfalt.
Im Kräutergarten gab es viel zu sehen, zu tasten und zu riechen. Wer wollte, konnte sich einer Führung anschließen oder unter großen Bäumen die Seele baumeln lassen.
Wem nach einer materiellen Erinnerung war, der konnte hier einen „Original Börnicker Pilgerstab“ erwerben, an dem ein nettes Pilger-Schildchen hing, aber die Jakobsmuschel fehlte.
Zu Börnicke wäre noch zu sagen, dass es 1300 erstmals als Besitz der Zisterzienser erwähnt wurde. Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts gehörte das Dorf 200 Jahre lang den Arnims zu Biesenthal, die es zum Gutsdorf machten.
Nach dem 30jährigen Krieg war es wüst. 1678 erwarb es der Kommandeur der Kurfürstlichen Leibgarde, von Wrangel.
Im 18. und 19. Jahrhundert gab es häufig neue Gutsbesitzer, unter anderem die Familie von Barfus, den Geheimen Rat Schindler, den Ökonomierat Albrecht Philipp Thaer, Otto Franz Theodor Hoseman und ab 1892 den schon erwähnten Mitinhaber des Berliner Bankhauses Mendelssohn & Co., Kommerzienrat Ernst Mendelssohn-Bartholdy.
1928/29 ist dann wie in allen betroffenen Dörfern Preußens der Gutsbezirk aufgelöst worden. Seit dem 31.12.2002 ist Börnicke ein Ortsteil der Stadt Bernau bei Berlin.
Während einige noch immer schnuppernd und staunend zwischen den Stauden und Kräutertöpfen flanieren, haben sich andere zur Begutachtung des Kinderzoos aufgemacht.
Wieder andere erkunden das Schloss- und Gutsgelände.
An manchen Stellen kann man noch erkennen, dass es mal rings um das Schloss einen richtigen Landschaftspark gab, zum Beispiel am Schlossteich und an den Brücken, die zu der Insel im Teich führen. Wenn man eine Runde um das Gutsgelände dreht, dann trifft man auf bemerkenswerte Gebäude, die zum Teil schon wieder restauriert sind. So zum Beispiel die frühere Remise, die als Außenstelle des Berliner Technik-Museums einen Teil der historischen Fahrzeugsammlung aufnehmen soll. Auf eine Rekonstruktion wartet noch die ehemalige Brennerei, für deren Nutzung als Brauerei mit Ausschank es schon Ideen gibt.
Im Speicher an der Westseite des Gutsgeländes ist drei Jahre zuvor das Interesse am Wandern/Pilgern auf dem Jakobsweg in Brandenburg geweckt worden. Anlässlich der Eröffnung des hier beschriebenen Weges fand im Börnicker Kunstspeicher eine „lange Pilgertafel“ statt, in der man viel über den Jakobsweg insgesamt erfahren konnte.
Ekkehard Koch, ein begnadeter Börnicker Künstler, hatte mit Bildern, die er auf dem „echten“ Jakobsweg in Spanien gezeichnet hat, viel Sehenswertes beigesteuert.
Vor dem Weitermarsch warfen alle noch einen Blick durch das „Bernauer Fenster“, eine große Holzkonstruktion, die den schönen Blick auf die Hussitenstadt hervorragend einrahmt.
Auf einem langen, geraden Feldweg geht es von hier bis zum nächstgelegenen Bernauer Neubaugebiet, das dicht an den Grundstücksgrenzen im Uhrzeigersinn halb umrundet wird.
Sobald die Nord-West-Ecke des Neubaugebietes erreicht ist, geht es nach links durch ein winziges Wäldchen zur Bahnhofspassage. Der gläserne Rundturm auf diesem Einkaufszentrum, der Behörden und medizinische Einrichtungen beherbergt, dient dabei als Wegmarke.
Links vorbei gelangt man zum Busbahnhof, unserem Ziel.
Während des Wartens auf den Bus zurück nach Werneuchen nutzen viele die Gelegenheit, sich einen Stempel in den von der Stadtinfo herausgegebenen Pilgerpass geben zu lassen.
Leider ist im Zeitplan nicht vorgesehen, sich zum Abschluss der Wanderung in Bernau umzusehen, obwohl die Stadt in ihren Mauern so viel Interessantes zu bieten hat.
Diese Etappe war ganz anders als die anderen, da es die einzige war, die in einer großen Gruppe gelaufen wurde. Während auf den anderen Wegstrecken über Stunden Stille herrschte, war hier ein ständiges Plaudern und Gedrängel, aber kaum ein Innehalten zu erleben.
Es war eine schöne Wanderung, für die den Organisatoren großes Lob zusteht. Aber innerlich sträubt sich vieles dagegen, statt „Wandern“ den Begriff „Pilgern“ zu verwenden.