Es ist Mittwoch, der 2. Juni 2021. Heute steht die dritte Etappe des sogenannten Südroute des Jakobsweges an: von Fürstenwalde/Spree nach Erkner. Die beginnt für mich da, wo ich am Tag zuvor aufgehört habe: am Fürstenwalder Bahnhof.
Der RE 1 bringt mich in weniger als 30 Minuten von Ostkreuz dorthin. Die etwa 20 Minuten von Ahrensfelde dazu gerechnet ergeben nicht mal eine Stunde Fahrzeit - da kann man nicht meckern. Und der Zug ist meist pünktlich und selten voll.
Der Anblick des Fürstenwalder Bahnhofsviertels ist schon vertraut. Da sind der Wasserturm mit dem Imbiss, das markante Bürohochhaus und ein paar Geschäfte.
Viel weiter darf man den Blick nicht schweifen lassen, an der Ecke Am Bahnhof/Eisenbahnstraße holt sich zum Beispiel gerade die Natur ein Gartenrestaurant zurück. (unten rechts)
Im Bürohochaus befindet sich unter anderem eine Neben­stelle der Kreisverwaltung des Landkreises Oder-Spree (LOS), das Landratsamt selbst befindet sich in Beeskow. Die Fürstenwalder wird die Nebenstelle freuen, denn mit dem Auto braucht man immerhin 40 Minuten bis Beeskow.
Wenn man aufmerksam durch die Stadt läuft, kann man übrigens einige Kanaldeckel mit dem Wappen des Landkreises entdecken - leider nicht in Farbe ...
Das Wappen ist gevierteilt. Oben links zwei rote Bootshaken und ein Stern, oben rechts auf schwarzen Grund ein rot-silber geschachteter, schräger Balken, unten links drei liegende Sensenklingen übereinander und unten rechts eine rote Hirschstange mit fünf Enden.
Auf dem Weg ins Stadtzentrum kommt man unweigerlich am „Stern“ vorbei, einst Start und Ziel mittelalterlicher Handelswege, jetzt eine Kreuzung mehrerer, mitunter stark befahrener Straßen. Mittendrin liegt vor dem schmucken Hotel Kaiserhof eine kleine Parkanlage.
Eigentlich steht noch eine Besichtigung des St. Marien-Doms an, der tags zuvor bereits geschlossen hatte, aber der wird erst in knapp zwei Stunden, um 10 Uhr, öffnen.
Deshalb biege ich von der Eisenbahnstraße gleich rechts ab, um vorbei an Stadtmauerresten, bunten Blumenwiesen und stählernen Kühen recht schnell zum Wasser zu gelangen.
Auf dem Goetheplatz, der eher eine Parkanlage, als ein Platz ist, kann man Ideen sammeln, wie ein vernachlässigter Rasen gegenüber der Nachbarschaft verteidigt werden kann.
Wenn ich mal wieder keine Zeit zum Rasenmähen gefunden habe (oder einfach zu faul war), werde ich auch ein solches Schild aufstellen. Vielleicht findet sich sogar noch eine bunte Holzkiste, die von weitem wie ein Bienenstock aussieht.
Aber Spaß beiseite; es ist gut, an die Bienen zu denken.
Am Rande der Bullenwiese (oben links) trifft man auf eine Installation mit dem Namen „Run“ von Pit Kroke (1986), zu dem mir wie einst der Dame bei „Hurz“ von Hape Kerkeling der intellektuelle Zugang fehlt.
Ein Kunstwerk, das einen praktischen Nutzen hat, wie die stählerne Bank an der Strandpromenade, ist mir viel lieber.
Auf der Strandpromenade trifft man auch auf jede Menge Kunstwerke, die vielleicht keinen Preis bekommen, weil sie viel zu normal sind, die aber schön anzusehen sind und den Spaziergänger aufmuntern - sofern er dies auf diesem schönen Uferweg überhaupt nötig hat.
Nach etwa 300 Metern entlang der Fürstenwalder Spree kommt man an die Altstadtbrücke, die 1998 für Fußgänger und Radfahrer eröffnet wurde und die Verbindung des Stadtzentrums zur Spreevorstadt herstellt.
Der Jakobsweg führt über diese Brücke zum linken Flussufer, wo er für einige Kilometer verbleiben wird.
Ab der Altstadtbrücke geht es auf oft recht schmalen Pfaden ziemlich dicht am Wasser stromabwärts, was viele schöne Blicke auf das Wasser und das andere Ufer gewährt.
Unter den vielen Wegmarkierungen ist mitunter auch die Jakobsmuschel, aber man macht nichts verkehrt, wenn man der Markierung für den Spreeweg folgt.
Am Wegesrand trifft man auf ein Schild, das Reklame für den Doktor Wald macht und gar nicht unsinnig ist:
Wenn ich an Kopfweh leide und Neurose, mich unverstanden fühle oder alt, dann konsultiere ich den Doktor Wald!
Er wohnt ganz nah, gleich nebenan, Er ist mein Augenarzt und mein Psychiater, mein Orthopäde und mein Internist,
Er hilft mir sicher über jeden Kater, ob er aus Kummer oder Kognak ist. Er hält nicht viel von Pülverchen und Pille, doch um so mehr von Luft und Sonnenschein! Ist seine Praxis auch sehr überlaufen, In seiner Obhut läuft man sich gesund! Er bringt uns immer wieder auf die Beine, verhindert Fettansatz und Gallensteine, Den Blutdruck regelt er und das Gewicht, Nur Hausbesuche macht er leider nicht!
Prima, heute steht noch viel Wald auf dem Programm.
Da werde ich abends kerngesund in die S-Bahn steigen!
Nach vielleicht 500 Metern direkt am Wasser taucht der Weg ein in den Wald und verläuft nun mit ein paar Metern Abstand parallel zur Spree.
Wenn man einer nicht ganz glücklich an einem Trampelpfad angebrachten Jakobsmuschel folgt und links abbiegt, landet man in einem Waldstück, das sicher mal Armeegelände war.
Plattenwege zwischen jungen Schonungen deuten darauf hin, dass hier früher nicht nur der Förster durch den Wald spaziert ist. Bei OpenStreetmap, wo sich der Weg gut verfolgen lässt, erfährt man, dass es sich hier um ein ehemaliges Technik- und Raketenlager handelt.
Das Lager gehörte vermutlich zur Fla-Abteilung FRA-4121 (Raunsche Ziegelei, Tarnname „Fernsehprogramm 71“) der 41. Fliegerabwehr-Raketenbrigade (FLBr) der NVA, die ihren Stab in Ladeburg hatte.
Hoffentlich hat die Bundeswehr als NVA-Nachfolger beim Abzug nichts im Wald vergessen!
Wieder zurück auf dem richtigen Weg findet man fast alle denkbaren Wegmarkierungen an den Bäumen.
Bei dieser Vielzahl von Wanderwegen müsste es doch hier von Wanderern oder Pilgern nur so wimmeln. Aber nur gelegentlich trifft man einen, und fast jede Bank am Weg oder am Wasser ist leer und lädt zum Verweilen ein.
Irgendwann trifft man auf einen ebenfalls mit einem roten Strich auf weißem Grund versehenen Wegweiser in die Rauener Berge. Der Jakobsweg verläuft aber weiter nahe der Fürstenwalder Spree in Richtung Braunsdorf.
Der Wald wurde hier jüngst erheblich gelichtet, kann aber immer noch den ersehnten Schatten spenden. Bald ist man wieder so dicht am Wasser, dass man durch den Wald die Wasserverkehrszeichen und ggf. auch die Schiffe auf der Fürstenwalder Spree sehen kann.
Am Ufer angekommen, trifft man auf eine große, spiegelglatte Wasserfläche. Hier teilt sich die aus dem Osten kommende Fürstenwalder Spree (unten rechts) in die nicht schiffbare Müggelspree (Mitte) und der Oder-Spree-Kanal (links), der von einer Brücke überspannt wird. An der Kanaleinfahrt befand sich einst die Schleuse „Große Tränke“.
Wenn man ein Fernglas oder ein Teleobjektiv dabei hat, kann man am gegenüber liegenden Ufer (Wasser-) Wegweiser mit Entfernungsangaben entdecken.
Der Oder-Spree-Kanal, der im Seddinsee mündet, führt über Spreenhagen (9 km) nach Schmöckwitz (25 km). Rechts ab geht es auf der Müggelspree über Hangelsberg (5 km) nach Erkner (32,5 km), allerdings nur für Sportboote, die man auf einer Bootsschleppe um das Wehr bugsieren kann.
Neben der Brücke über den Oder-Spree-Kanal kann man am anderen Ufer die Reste der Schleuse „Große Tränke“ sehen.
1887 wurde der Grundstein für die Schleuse gelegt, die den Wasserstand auf dem im Bau befindlichen Oder-Spree-Kanal regulieren sollte. Die 59,4 m lange und 9,6 m breite Schleuse hatte aber schon bald nach der Kanaleröffnung 1891 ihre Kapazitätsgrenze erreicht, weshalb 1910/12 eine zweite Schleusenkammer errichtet wurde.
Da im Laufe der Jahre der Wasserstand der Spree durch andere Maßnahmen zunehmend ausgeglichen werden konnte, standen bald die Tore der zum Überflutungsschutz gebauten Schleuse fast immer offen und wurden schon 1950 außer Betrieb genommen. Ab 2004 erfolgte der Abriss der für die Berufsschifffahrt hinderlichen Schleusenkammern und der Neubau der Kanalbrücke. Jetzt ist von der Schleuse nur noch eine als Anlegestelle benutzte Wand erhalten.
Einige Details zum Bau des Oder-Spree-Kanals erfährt man auf der Infotafel am südlichen Brückenkopf. Darauf befindet sich auch eine Projektbeschreibung des zuständigen Königl. Baurats von 1887. Danach ist der Kanal insgesamt 85 km lang, wovon 50 km auf damals neu herzustellende Strecken, 23 km auf Flüsse und Seen und 12 km auf den schon seit 1668 existierenden Friedrich-Wilhelm-Kanal entfallen.
Über die Kanalbrücke geht es an das Nordufer, wo sich ein Wasserwanderplatz mit einer großen Schutzhütte befindet, in der notfalls auch mal nachts ein Jakobspilger sein Haupt betten könnte. Sogar ein WC gibt es ganz in der Nähe.
Karte und Wegweiser zeigen an, wie es nun weiter geht. Die nächste Station auf dem Jakobsweg ist das 8 km entfernte Mönchwinkel. Bis dorthin gibt es nichts als Wald. Den Glauben an Gaststätten habe ich aber eh längst verloren.
Schon nach wenigen Metern quert der Weg eine Freileitung. Vielleicht ist das die Leitung, die einst Berlin mit Strom aus dem 1923 errichteten, seinerzeit modernsten Großkraftwerk Europas in Finkenheerd versorgt wurde? Ich weiß es nicht.
Ob heute durch die Leitung Öko-, Kohle oder Atomstrom fließt, und in welche Richtung, ist auch nicht zu erkennen.
Die Jäger haben in der Schneise unter der Freileitung ein gutes Schussfeld, und tatsächlich scheint sich hier die Jagd zu lohnen, denn sonst lägen kaum so viele neue Hochsitze zum Aufstellen bereit. Hoffentlich können hier ein paar der von Schweinepest befallenen Wild­schweine auf dem Weg in unsere Gefilde aufgehalten werden. Der Zaun an der Grenze hat sich ja nicht als sehr wirkungsvoll erwiesen, zumal da laufend die Batterien geklaut werden.
Links gehen immer wieder „Gestelle“ wie das Kreuzgestell ab. Auf welchem Gestell unser Weg verläuft, ist gar nicht zu erkennen, da sich ein Baum dafür gerächt hat, dass man gleich auf zwei Seiten Schilder angenagelt hat. Später ist mal zu lesen, dass es sich um das Küchengestell handelt.
Das berührt bald an zwei Stellen die Müggelspree, die sich in vielen Windungen dahinschlängelt. Hier gibt es schöne Rastplätze direkt am Wasser, leider manchmal zugemüllt.
An einigen Stellen bietet sich ein herrlicher Blick auf die Wiesen diesseits und jenseits der Müggelspree, die mit hohem Gras bewachsen sind und auf denen prächtige Bäume allein oder in kleinen Gruppen stehen.
Da es fast still ist, kann man sich gut zu einem Nickerchen niederlegen, sofern man sich mit Mückenspray präpariert hat.
Das satte Grün der Bäume und der ganz gut erscheinende Wasserstand der Müggelspree ist den Regenfällen in den zurück liegenden Wochen zu verdanken. Die heißen Tage jetzt haben da (noch) nichts dran ändern können.
Solche schönen An- und Ausblicke wie hier am Wasser sind geeignet, eine Pilgertour unvergesslich zu machen.
Dann geht es wieder hinein in den Wald, dessen Boden oft dicht mit Farn bewachsen ist. Es ist ein Kiefernwald, aber überall versuchen Laubbäume, Platz zu finden.
Irgendwo links im Wald versteckt muss eine Behörde mit Papierstapeln auf überladenen Schreibtischen sein, denn der Weg kreuzt jetzt das „Zettelberggestell“.
Der Jakobsweg verläuft nun bis kurz vor Mönchwinkel schnurgerade durch den Wald. Radfahrer, Wanderer und erst recht Pilger sind hier nicht mehr auszumachen.
Vielleicht sieht es an Wochenenden anders aus, aber auch dann wird man hier sicher nicht umgerannt werden. Um hier her zu kommen, muss man schon ein Stück laufen.
Am Wacholdergestell kreuzt der Weg wieder eine Freileitung, einen Abzweig jener Leitung, die wir vorhin passiert haben.
Auf den flachen, aber dafür weit ausladenden Masten haben Raubvögel ihre Nester gebaut. Einer kreist lange über seinem Nest und erst als er sich sicher ist, dass von mir keine Gefahr ausgeht, lässt er sich bei seinen Jungen nieder.
Wer auf die Idee gekommen ist, entlang des Weges Holz­pfosten mit einer geschnitzren Muschel in den Boden zu rammen, hat ein kräftiges Lob verdient. Schon die stilisierte gelbe Jakobsmuschel auf blauem Grund, die durchaus was mit der Sonne gemein hat, muntert jedes Mal auf - und das nicht nur weil sie anzeigt, dass man sich nicht verlaufen hat.
Die geschnitzten Pfähle geben zudem Gewissheit, dass bei der Markierung des Weges Leute unterwegs waren, die nicht nur anhand der Landkarte Schilder angenagelt, sondern auch Zeit, Kraft und Geschick aufgebracht haben, um anderen ein bisschen zu ein Pilgererlebnis zu verhelfen. Danke!
Wenn am Weg wieder eine Schutzhütte auftaucht, hat man es fast geschafft. Der Weg knickt bald nach links ab und verläuft entlang einer sumpfigen Wiese und eines kleinen Seitenarms der Müggelspree auf eine Brücke zu.
Im Spreearm gibt es eine Unmenge an Fröschen, die ordentlich Biolärm verursachen. Eine Schlange, die sich beim Auftauchen mit einem langen Bart tarnt, geht auf einem schwimmenden Ast in Stellung und will für Ruhe zu sorgen.
Eine hölzerne Brücke führt direkt nach Mönchwinkel, das zusammen mit Hangelsberg, Kagel, Kienbaum und Spreeau zur Gemeinde Grünheide/Mark gehört.
Von der Brücke aus kann man Paddler beobachten, die sich durch diese beschauliche Landschaft treiben lassen und die Paddel nur einsetzen, um nicht irgendwo dagegen zu fahren. Die so ruhig dahin fließende Müggelspree würde einen guten Pilgerweg auf dem Wasser abgeben!
In Mönchwinkel angekommen, trifft man gleich rechts auf ein Grundstück, auf dem sich Ziegen verschiedener Rassen wohlfühlen. Auf einem Schild am Zaun erfährt man, dass hier unter anderem die Thüringer Waldziege „Dora“, die Burenziege „Dora“ sowie „Carlotta“ (Anglo-Nubier) und „Lilly“ (Kalahari) wohnen. Manche sollen Milch, andere Fleisch liefern.
Nahe der Ortsfeuerwehr ist eine Trafostation sehr passend bemalt worden. Neben dem Bild mit einer Wiese, auf der ein Storch auf Futtersuche ist, sieht man das selbstredende Wappen des Ortes: Ein Mann mit Kutte und zwei Gerätschaften in der Hand, der an einem im rechten Winkel abknickenden Bach oder Fluss steht.
„Mongkewinkel“ wurde erstmals 1471 erwähnt und war vermutlich ein Außenposten des im Jahre 1249 durch Zisterziensermönche des Klosters Zinna gegründeten Feldklosters in Kagel. 1749 wurden unter Friedrich II. ein Stück weiter zwei Pfälzer Kolonistenfamilien angesiedelt, deren Häusergruppe später „Neu Mönchwinkel“ genannt wurde. Alt- und Neu Mönchwinkel zusammen hatten im Jahre 1805 fünf Feuerstellen und 36 Einwohner.
Dem Jakobsweg folgend kommt man in der Neuen Spreeauer Straße vorbei am Bürgerhaus von Mönchwinkel, hinter dem sich der Dorffriedhof mit der Waldkapelle verbirgt.
Da hätte ich mich gern einen Moment reingesetzt, schon der zu erwartenden Kühle wegen. Aber wegen Corona sind auch fast alle sonst geöffneten Kirchen und Kapellen geschlossen.
Der Weg biegt nun links ab und verläuft zunächst wie der Müggelspreeweg in Richtung Grünheide. Bei der nächsten Gelegenheit geht es aber erneut nach links und dann auf dem „Gestell D“ immer geradeaus bis zum Störitzsee.
Der Müggelspreeweg führt übrigens auch nach Erkner, aber in einem großen Bogen nach Norden über Kienbaum, Kagel und Altbuchhorst, zwischen Möllen- und Kiessee hindurch und entlang der Südseite des Peetzsee.
Nach 2/3 der Strecke führt der Weg wieder über eine breite Schneise, die für Ferngasleitungen in den Wald geschlagen wurde. Die vom Strom konnte man wohl nicht mitnutzen ...
Nach der Anzahl der Markierungen liegen hier mindestens vier Rohrleitungen in der Erde. Offenbar noch nicht lange, denn die Erde darüber ist so gut wie gar nicht bewachsen.
Kurz bevor das Forsthaus Störitz und damit die (leider nicht sichtbare) Nordspitze des Sees erreicht ist, überquert der Weg die „Straße zum Störitzsee“, die zum „Störitzland“ führt.
Im Freizeitgelände „Störitzland“ am Ostufer des Sees kann man Baden, Essen, Zelten und in Bungalows oder Hotel­zimmern übernachten. Auch Pilgerquartiere gibt es dort.
Aber es ist fraglich, was davon momentan nutzbar ist. Da ich noch bis Erkner kommen will, ziehe ich am Forsthaus vorbei weiter auf der Alten Poststraße, wie das „Gestell D“ jetzt heißt, auf die Gefahr hin, ein kühles Bier verpasst zu haben.
Hinter dem Forsthaus wird es etwas knifflig, den richtigen Weg zu finden, da der Weg sich jetzt in drei Äste gabelt. Ein intensives Absuchen aller Stangen und Bäume bringt eine kleine Jakobsmuschel am rechten Weg zum Vorschein.
Der Jakobsweg verläuft also nicht wie erwartet weiter auf der Alten Poststraße, die zur Kreuzung von L 23 und L 38 führt, sondern nimmt eine Abkürzung in Richtung Fangschleuse.
Eine Sitzgruppe mit der Jakobsmuschel lädt noch mal zum Verschnaufen ein, bevor der Jakobsweg die stark befahrene, von einem Radweg begleitete Berliner Landstraße (L 38) trifft.
Hinter der L 38 geht es wieder ein ganzes Stück geradeaus, bis man auf die nächste Sitzgruppe trifft. Hier lachen mich schon von weitem zwei Bierflaschen an.
Es ist zwar nur „Sternburg“, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Aber hier hat niemand durstigen Wanderern eine Freude machen wollen, sondern nur sein Leergut vergessen.
Nun geht es nochmal leicht nach links, vorbei an einer mittels Zaun geschützten Aufforstung mit Laubbäumen.
Straßen- und Bahngeräusche werden lauter, denn gleich kommt man an die L 23, die nach Fangschleuse führt.
Der Bahnhof Fangschleuse liegt wieder an der Bahnstrecke Berlin - Frankfurt (Oder) und wird von jedem RE 1 bedient, während an manchen anderen Stationen nur jeder zweite Zug hält. Grund dafür ist die nahe Tesla-Fabrik, die zwar noch im Entstehen ist, aber jetzt schon viele Beschäftigte hat, die zum großen Teil aus Berlin mit der Bahn anreisen.
Gleich hinter dem Bahnhof treffe ich auf das, wonach ich mich schon ein paar Kilometer gesehnt habe: eine schattige Gaststätte, in der es etwas anderes zu trinken gibt, als Reste abgestandenen Mineralwassers aus dem Rucksack.
Der Garten ist so groß, dass man Abstand wahren und sogar beim Essen und Trinken die Maske abnehmen kann.
Entlang der L 23, die ab hier den sehr ausgefallenen Namen „Karl-Marx-Straße“ trägt, geht es ein Stück gen Norden.
Eigentlich müsste man in der leichten Rechtskurve den zweiten Weg nach links, den Oberförstereiweg, nehmen. Aber da fehlt der Wegweiser und die ansonsten sehr verlässliche Wanderkarte von Dr. Barthel ist der Meinung, dass der nächste Abzweig der richtige ist. Das ist der Löcknitztalweg, der abzweigt, bevor die Straße über die Löcknitz führt; da, wo rechts am Waldweg ein schmuckloses Kriegerdenkmal steht.
Dieser Weg, auf den auch der nun Norden her kommende Müggelspreeweg schwenkt, ist zwar nicht ganz der richtige und auch nicht der kürzere, aber vielleicht der schönere, da er in vielen Windungen sehr dicht an der wild bewucherten Löcknitz entlang führt. Für Radfahrer wäre der allerdings nicht zu empfehlen, bestenfalls für Mountainbikes.
Das besagte Kriegerdenkmal an der Löcknitzbrücke trägt übrigens unter der Überschrift „Unseren Söhnen“ insgesamt acht Steinplatten mit den Namen und Sterbedaten von insgesamt 56 im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten.
Auf einer weiteren, neueren Platte steht „Allen Opfern von Krieg, Faschismus und Gewaltherrschaft zum Gedenken“.
Hier müsste man abbiegen, wenn man ein Pilgerquartier im Christian-Schreiber-Haus in Altbuchhorst haben will.
Auf dem Löcknitztalweg gibt es einige Plätze zum Verweilen. Mal eine kleine wacklige Bank am wackligen Tisch, mal auch ein richtiger, überdachter Rastplatz, an dem man auch einen Regenschauer abwarten könnte.
Da, wo der Wald sich mal lichtet, fällt der Blick auf Häuser von Gottesbrück, einem kleinen Ortsteil von Grünheide.
Kurz vor der Brücke nach Gottesbrück trifft der Löcknitztal­weg kurz auf den Oberförstereiweg, um gleich wieder zu verschwinden. An diesem Punkt hängt eine Unmenge an Wegweisern. Nachdem ich die alle studiert hatte, war mir klar, dass ich eigentlich auf dem falschen Weg bin und das hier korrigieren könnte.
Aber ich entschließe mich, weiter auf dem Löcknitztalweg am Wasser zu laufen, statt auf geradem Weg durch den Wald.
Wenig später stehe ich an der Brücke, die nach Gottesbrück führt. Die links aus dem Nichts kommende Straße, die über die Brücke führt, heißt auch „Gottesbrück“. An der nächsten Gabelung wird ein Zweig der Straße zur „Ernst-Thälmann-Straße“.
Wie fließend doch die Grenze zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen sein kann!
Der Weg führt jetzt mal ein Stück auf einem Trampelpfad an einer eingezäunten Wiese vorbei. Es kommen Zweifel auf, ob ich richtig bin, aber an den Bäumen hängen Wegmarkierungen ohne Ende. Ein paar Meter weiter links wäre vielleicht der „richtige falsche Weg“ gewesen, aber Wurst, bald ist der Weg wieder gut begehbar.
Bald schmiegt sich der Weg wieder dicht an die Löcknitz, die hier durch einen Urwald fließt. Bei einer früheren Wanderung habe ich hier einen Stand-Up-Paddler beobachtet, der die Löcknitz bezwingen wollte. Der hatte ordentlich damit zu tun, bei jedem Baumstamm im Wasser sein Brett an Land zu hieven und hinter dem Baum wieder ins Wasser zu bringen.
Löcknitz und Weg führen nun zur Autobahnbrücke, die sie gemeinsam unterqueren.
Die großen steinernen Frösche, die auf beiden Seiten der Löcknitz vor und hinter der Brücke stehen, haben dieser den Namen „Froschbrücke“ gegeben. Laut Wegweiser sind es ab hier noch 3,9 Kilometer bis ins Zentrum von Erkner.
Auf der Löcknitz sind jetzt vereinzelt kleine Motorboote zu sehen, die vor Wochenendgrundstücken ankern. Der Weg führt bergan und mündet endgültig in den Oberförstereiweg, der ein paar Meter weiter südlich die Autobahn überquert hat.
Damit der Pilger vor dem Etappenziel noch ein paar schöne Eindrücke sammeln kann, zweigt der Jakobsweg rechts ab und führt auf dem Leistikowweg um den Wupatzsee herum.
Ein Teil des Weges deckt sich mit dem Wupatzlehrpfad, der insbesondere junge Waldbesucher auf Tafeln mit der Fauna und Flora dieses Schutzgebietes vertraut machen soll.
Die Kleinen können sich hier waldsportlich betätigen, mit Hölzern Musik machen, Fußabdrücke verschiedenen Tieren zuordnen, Rätsel auf Klappschildern am Wegesrand lösen oder mit einem Holzstab auf dem Rücken hölzerner Frösche und Kröten deren Geräusche nachahmen.
Die Erwachsenen dürfen sich natürlich auch beteiligen - wenn es ihnen peinlich ist, zu wenig zu wissen, können sie sich aber auch auf eine Bank setzen und die Natur genießen.
Da, wo sich Alte und Neue Löcknitz vereinigen, sind die Löckwitzwiesen, die eine Bank und eine Infotafel wert sind.
Hier kann man für einen Moment „die Seele baumeln lassen“, bevor man in Erkner eintaucht. Erkner ist zwar längst nicht mehr ein solcher Industriestandort wie einst, aber zum Feierabend ist da trotzdem was los.
Da, wo der Leistikowweg auf die von Osten her in die Satdt führende Fangschleusenstraße (L 38) trifft, findet sich eine der bekannten Infotafeln zum Jakobsweg.
Dort erfährt man, dass Erkner erstmals 1579 als Wohnstätte des Fischers Hans aus Arckenow erwähnt wurde. 1712 wurde hier an der Postlinie Berlin-Frankfurt-Breslau eine wichtige Poststation eröffnet. Nach der Eröffnung der Bahnlinie 1842 siedelten sich viele Fabriken an. Seit 1998 ist Erkner Stadt.
Zwischen Löcknitz, Dämeritz- und Flakensee gelegen ist Erkner ein beliebter Wohnort.
Man wohnt im Grünen und ist mit S-Bahn oder RE 1 schnell im Berliner Stadtzentrum. Entsprechend viel wird hier seit Jahren gebaut.
Durch die Eisenbahnunterführung, die mit Impressionen aus Geschichte und Gegenwart der Stadt bemalt ist, kommt man auf der Fürstenwalder Straße zum Kreisverkehr an der Friedrichstraße. Hier wird gleich an zwei Personen erinnert, die in Erkner gelebt haben.
Hier steht die Villa Lassen, in welcher der mit einem Nobel­preis geehrte Schriftsteller Gerhart Hauptmann (1862–1946) ein paar Jahre gelebt hat und in der sich heute ein Museum befindet, das sich mit ihm und seinem Wirken beschäftigt.
Gegenüber erinnert „Bechsteins Ristorante di Piano“ an den Berliner Klavierbauer, der sich hier eine Villa baute.
Da es hier einige Rüstungsbetriebe, darunter eine kriegs­wichtige Kugellagerfabrik gab, wurde Erkner am 8. März 1944 von insgesamt 470 Bombern der US Air Force angegriffen und nahezu völlig zerstört. 1007 von 1333 Häusern fielen den etwa 300 t Spreng- und 600 t Brandbomben zum Opfer.
Die fast unbewohnbar gewordene Stadt musste neu erbaut werden, weshalb man überall auf Neubauten trifft. In der Friedrichstr. wurden sie jüngst durch ein Citycenter ergänzt.
Carl Bechstein (1836-1900), gründete 1853 als gelernter Klavierbauer in Berlin die Pianoforte-Fabrik C. Bechstein baute sich 1889 in Erkner eine Villa als Sommersitz.
Er engagierte sich für Erkner, vor allem durch eine finanzielle Hilfe beim Bau der 1896 eingeweihten Genezareth-Kirche, was ihm bereits 1893 die Ehrenbürgerschaft einbrachte.
1937 übernahm die Gemeinde Erkner Bechsteins Villa und richtete darin ihr Rathaus ein. In einem zwischenzeitlich errichteten modernen Anbau befindet sich die Stadtbibliothek.
Hinter dem Rathaus liegt der durch die Uferpromenade begrenzte Rathauspark, der bis an „Das schnelle Loch“, ein Gewässer zwischen Flakenfließ und Dämeritzsee, reicht.
Von hier ist es nicht weit bis zum Bahnhof, der 1842 als einer der ersten auf der Strecke Berlin - Frankfurt eröffnet wurde.
Die Regionalbahnsteige wurden 2011 nach Süden verlegt und als Seitenbahnsteige neu errichtet. Von dort bringt mich der RE 1, der deutlich schneller als die S-Bahn ist, nach Ostkreuz, von wo es mit der S 7 nach Hause geht.