Unterwegs auf dem Camino del Norte
Von Miraz nach Sobrado dos Monxes

Tag 28 (Sonntag, 2.4.2023) von Miraz nach Sobrado dos Monxes

Der Tag begann mit einem guten Frühstück, serviert von den englischen Hospitaleros: reichlich Kaffee, getoastetes frisches Weißbrot, Butter und Marmelade, die ich durch Chorizo aus meinem Rucksack ersetzt habe. Mit am Tisch saßen die drei Spanierinnen, die sich als sehr nett erwiesen, zumal sie behaupteten, dass ich nicht geschnarcht hätte. Da ich um sechs auf dem Rücken liegend nochmal für eine gute Stunde eingeschlafen bin, statt nur zu schlummern, kann das gar nicht sein, denn auf dem Rücken liegend schnarche ich immer - wird zumindest zuhause behauptet. Die Spanier sind halt nette Leute. Die Drei sind übrigens Schwestern. Ana ist Lehrerin, Bea (Beatriz) und Mathy (Maria-Theresia) sind Ärztinnen.

In der Nacht war nur ein Grad und um halb Zehn, als ich nachgeschaut habe, waren es immer noch nur vier Grad, aber als dann die Sonne raus kam, wurde es ganz schnell wärmer. Allerdings hielt sich der Morgennebel sehr lange und es sah aus, als würden sich die Windräder bemühen, ihn zu vertreiben. Und tatsächlich war er auf der mit Windrädern besetzten Seite des Weges schneller verschwunden, als auf der anderen Seite.

Der erste Teil des Weges war insofern interessant, als er wieder von den verschiedensten Steinmauern eingefasst war oder über felsigen, nur spärlich bewachsenen Felsboden führte. Später führte der Weg überwiegend entlang einer wenig befahrenen Landstraße, die an der Grenze der Provinzen Lugo und A Caruna ihren Namen von LU-934 in AC-934 änderte. Es ging immer nur sehr sachte auf und ab, so dass ich gut voran kam, obwohl hier mit 710 Metern der höchste Punkt des Camino del Norte zu bewältigen war.

Die erste Einkehrmöglichkeit am Wege, eine Herberge ca. 5 km hinter Miraz, habe ich gar nicht als solche wahrgenommen, sondern mich nur gewundert, dass die Pilger hinter mir plötzlich verschwunden waren. Erst später habe ich gelesen, dass in der Herberge auch eine Bar ist. Pech gehabt. Erst 15 km weiter kam wieder eine Bar, nicht weit von Zielort entfernt. Dort wollte ich eigentlich nur etwas Flüssigkeit zu mir nehmen, aber dann habe ich gesehen, dass die Einheimischen alle Schälchen mit weißen Bohnen und etwas Fleisch hinter­schlingen. Das habe ich mir dann auch bestellt, was nicht verkehrt war. 2…3 km vor dem Ziel bin ich dann mal falsch bzw. nicht abgebogen und erst nach einem Umweg wieder auf der Route gelandet. Der Schrecken war groß, als ich sah, dass da zwei Gruppen an „Bett­bewerbern“ nahten, denen ich nun nur wenige Schritte voraus war. Mit meinem berüchtigten Eilschritt gelang es mir aber, diese abzuschütteln. Dabei kam mir zu Hilfe, dass diese an einem hübschen See am Wegesrand zum Fotografieren anhielten, während ich im Vorbei­eilen zwei Bilder aus der Hüfte schoss.

Frei von Verfolgern schritt ich nun dem Kloster zu und fiel vor Schreck fast um, als just 10 Meter vor mir zwei andere Gruppen aus einer Seitenstraße kamen und mir die Poleposition streitig machten: Kieran mit den drei spanischen Schwestern und eine junge Spanierin, die mir schon mehrmals über den Weg gelaufen ist, mit drei noch unbekannten Spaniern. Nicht mit mir! Ich habe die von hinten so in ein Gespräch verwickelt und zum Fotografieren animiert, dass ich plötzlich mitten drin war und mit ihnen in die Rezeption des Klosters schlüpfen konnte, deren Tür immer nur einen Spalt geöffnet wurde, um kleine Grüppchen einzulassen. Da wir nun gut durchmischt waren, konnte hinten jeder behaupten, dass er zu einem da vorn gehört. Und so saßen wir dann zu neunt in der Rezeption und konnten miterleben, wie die Dame bei jedem der gleich aussehenden Personalausweise (Kieran‘s englischer Pass mal ausgenommen) suchte, wo denn die Nummer, der Name, das Geburts­datum etc. stehen. Das hat zusammen eine halbe Stunde gedauert. Dann hat uns ein sehr gut Englisch sprechender Mönch abgeholt und zu unserem Zimmer, Refugio 6, geführt. 9 Personen / 10 Betten - passt. Wir sind nun also alle im gleichen, sehr modern ein­gerichteten Raum gelandet. Der geht wie die anderen Zimmer, die Küche, die Toiletten usw. vom Kreuzgang ab. Der Mönch, der uns noch Vieles gezeigt und erklärt hat, wies auch darauf hin, dass der Supermarkt heute am Sonntag zwar geschlossen hat, dass der Inhaber aber gleich daneben wohnt und den Laden aufmacht, wenn jemand was braucht und anklopft.

Vor einer der Gaststätten am Platz vor dem Kloster habe ich alle möglichen Bekannten wiedergetroffen: Alex, Thomas (der nebenan im Hotel wohnt), Tori & John und die Fran­zosen. Dazu Kieran. Nach einem Wiedersehenstrunk sind ein paar von uns losgezogen, um was zum Abendbrot zu kaufen, denn im Kloster gibt es eine sehr gut eingerichtete Küche und Alex hat angeboten, was zu kochen. In der uns genannten Straße fanden wir dann plötzlich zwei gegenüber liegende Supermärkte mit je einer Haustür links und rechts. Wo soll man nun klopfen? Der erste Versuch war ein Volltreffer. Eine Minute später kam eine Dame, schloss einen der Supermärkte auf, schaltete das Licht ein und ließ uns in Ruhe suchen. Wir haben Ihr letztlich auch einen ganz guten Umsatz beschert und dann in der Küche aus dreißig Eiern und einem Haufen Gemüse ein prima Rührei mit Paprika etc. für 6…8 Personen bereitet. Es hat nicht nur geschmeckt, sondern war ein tolles gemeinsames Abendessen.

Zwischendurch war ich um 19 Uhr zur Vesper in der gut besuchten Kapelle des Klosters. Sieben Mönche standen um den Altar, auf dem ein Weihrauchfass stand, und sangen und beteten mit langen Pausen, was durch eine wechselnde Beleuchtung sehr stimmungsvoll war. Später, um 21.15 Uhr, als die anderen sich schon auf ihre Zimmer verteilt hatten, bin ich auch noch zur Komplet, d. h. zum Tagesabschluss mit lateinischem Gesang in die Kapelle. Dieses Mal habe ich den Weg nur mit der Nase gefunden. Das Licht in den Gängen war schon ausgeschaltet und teilweise waren schon Absperrungen aufgestellt, aber der Weih­rauchduft hat alle Absperrungen überwunden und mir den Weg gewiesen. Dieses Mal waren außer mir nur drei Frauen da. Diese Komplet war für mich ein wirklich sehr schöner, anrührender Tagesabschluss, den ich mir auf dem bisherigen Weg wiederholt vergeblich gewünscht habe.

Der heutige Tag war in jeder Hinsicht schön: interessante Landschaft, prima Wetter, leicht zu gehender Weg, keine großen Anstrengungen, viele nette Leute, angenehme Erlebnisse und dann ein Tagesabschluss, der geeignet ist, aus einer schönen Wanderung eine Pilgerreise zu machen.

Camino del Norte - Tag 28