Unterwegs an der Algarve-Küste von Faro nach Lissabon
Tag 0 (Di, 4.3.2025) Anreise nach Faro
Liebe Freunde und Verwandte … So geht es bei mir immer los, wenn ich mich auf Reisen begebe und Euch gedanklich mitnehmen will. Wer befürchtet, dass es jetzt wieder zu allen möglichen Tageszeiten lange Berichte und viele Bilder geben wird, der liegt genau richtig. Wer sich dieses Bombardement ersparen will, sollte mir schnell einen entsprechenden Wink geben. Da ich wieder an eine Broadcast-Liste sende, sieht niemand außer mir, wenn jemand antwortet. Eurem verbalen Mitgefühl sind also keine Grenzen gesetzt.

Wie schon im Januar angekündigt, wich ich mich die nächsten zweieinhalb Wochen im Süden Portugals rumtreiben. Ein Grund für dieses Reiseziel war der Wunsch, dem zu dieser Zeit üblicherweise unschönen heimischen Wetter zu entfliehen. Aber wie die Wetter-App vermeldet, wird das nicht so 100prozentig klappen. Da unten sind zwar um die 15 Grad, aber leider ist dort reichlich Regen angesagt. Portugal im Regen - das hatte ich doch schon mal: im Herbst 2023, wo es vier von fünf Wochen geregnet hat und viele Wege unpassierbar waren. So schlimm wird es hoffentlich nicht wieder werden.

Ich sitze gerade auf dem Airport in Paris-Orly und warte auf meinen EasyJet-Flieger nach Faro. Von dort will ich in den nächsten Tagen entlang der Südküste Portugals nach Sagres, einem „Ende der Welt“ laufen und dann nordwärts nach Lissabon, von wo ich am 21.3. zurück nach Berlin fliege. Es gibt zwar einen Jakobsweg, der von Faro nach Lissabon führt, der jedoch durchs Inland verläuft. Ich will aber lieber entlang der angeblich spektakulären Küste laufen. Da gibt es einen in der Karte mit „RV“ (Rota Vicentina) gekennzeichneten „Fischerweg“, der streckenweise dicht am Strand bzw. auf der Steilküste entlangführt und sehr gelobt wird. An dem will ich mich orientieren, wenn es da nicht zu windig und damit zu gefährlich ist.

Obwohl große Bettenburgen am Weg liegen, gibt es dort gar nicht viele preiswerte Unterkünfte, u. a. weil einige über den Winter geschlossen sind. Ich habe deshalb etwa im Abstand von 30 Kilometern ein Zimmer oder ein Bett im Schlafsaal gebucht, sofern es im Ort keine Alternativen gibt. Da, wo mehrere bezahlbare Unterkünfte sind, probiere ich es vor Ort. Zu viel wollte ich nun auch nicht vorab buchen, da ja durchaus die Möglichkeit besteht, dass das Wetter einen dicken Strich durch die Planung macht. An den zwei angedachten Etappen­orten vor Tróia, wo die Fähre nach Setúbal ablegt, habe ich gar keine Übernachtungs­möglichkeit gefunden. Das ist offenbar eine Nobel-Gegend, da müsste man weit über 100 € für ein Bett hinlegen. Dieses Stück werde ich wohl mit dem Bus überspringen und stattdessen auf der großen Halbinsel südlich von Lissabon noch eine Runde drehen. Da habe ich mich aber noch nicht festgelegt.

Neben dem Wetter gibt es also noch ein paar Unwägbarkeiten, welche die Tour spannend machen. Sonst würde es ja schnell langweilig. Der Flieger hat zwar etwas verspätet abgehoben, weil angeblich so lange aufgeräumt und geputzt wurde, aber er kam halbwegs pünktlich um halb zwei Ortszeit in Faro an. Im Gegensatz zu Spanien gibt es ja hier eine Stunde Zeitverschiebung. Hier ist es eine Stunde früher als bei uns. Das heißt, Sonnenauf- und -untergang sind zu ähnlichen Zeiten wie zuhause.

Am Flughafen habe ich gar nicht erst nach dem stündlich verkehrenden Flughafenbus Ausschau gehalten, sondern bin gleich losgelaufen. Ganz rechts aus dem Terminal raus, schräg über den Parkplatz einer der Autovermietungen und schon war ich auf der schmalen Straße, die entlang des Mündungstrichters zweier Flüsse nach Norden führt und auf der einen Seite mit hohem Schilf bestanden ist und auf der anderen Seite von einer ziemlich neuen, recht ansehnlichen Urbanisation flankiert wird. Auf den ersten 2…300 Metern war links und rechts alles vollgeparkt mit Autos von Fluggästen, die sich die Parkgebühren sparen wollen.

Nach etwa zwei Kilometern ging es über besagte Flüsse rüber und auf der anderen Seite des als Saline genutzten Mündungstrichters entlang einer Bahnlinie in die Stadt. Das war eine Stunde Fußweg, bei dem man schon mal Eindrücke sammeln konnte. Zum Beispiel von der Beschaffenheit der Wege. Der Weg entlang der Bahn war recht neu und zum Glück mit einem 50 cm breiten Pflasterstreifen eingefasst, denn der Lehmboden des Weges war völlig aufgeweicht und von Fahrrädern zerfurcht. Da hätte man nur sehr mühevoll laufen können.

Ich bin direkt zu dem Hostel gelaufen, das ich mir bei booking.com ausgesucht, aber noch nicht gebucht hatte: Hostellicious, direkt neben der St.-Peter-Kirche in der Innenstadt. Das macht wirklich einen so guten Eindruck, wie in den Bewertungen zu lesen ist. Mit 21 € zählt das hier aber auch schon zu den etwas teureren Unterkünften. In den recht guten Hostels auf der Sandbank, die Faro zum Meer hin abschirmen, hätte man schon für 9 oder 11 € unterkommen können. Da hätte man aber den Rest des Tages nichts anderes machen können, als an der Bar herumlungern. Hier in Faro gab es wenigstens noch etwas zu sehen.

Ich habe nur schnell meine Sachen abgestellt und bin dann zu einem Stadtbummel aufgebrochen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind sehr zwiespältig. Eigentlich ist Faro nur ein großes Dorf mit Flughafen und ein paar Hochhäusern ringsum. Hier ist nichts rausgeputzt und manches sogar runtergekommen. Was im „Yachthafen“ herum dümpelt kann sich nicht mit dem messen, was in den Seitenarmen der Spree im Wasser liegt. Die Kirchen sind sehenswert, aber längst nicht so prunkvoll wie das, was man hier im Süden der iberischen Halbinsel üblicherweise antrifft. So manche Dorfkirche kann es mit der hiesigen Kathedrale aufnehmen und was hier golden aussieht, ist goldene Farbe und kein Blattgold. Alles zusammengenommen kann man sagen, dass jemand, der stirbt, ohne zuvor Faro gesehen zu haben, sich nicht ärgern muss.

Andererseits macht die Unvollkommenheit diese Stadt irgendwie liebenswert. Die Touristen, von denen es auch zu dieser Jahreszeit einige gibt, hetzen nicht von einer Sehenswürdigkeit zur anderen, sondern bummeln durch die Gassen und halten die Augen offen für die vielen schönen Details, die man auch an heruntergekommenen Gebäuden finden kann. Und es gibt unendlich viele Restaurants und Kneipen, in denen man sich zwischendurch erholen kann. Es geht also sehr entspannt zu, so, wie es im Urlaub sein sollte. Von den Einheimischen ist nicht viel zu merken. Die machen sich wohl nicht extra den Weg aus den Wohnsilos in die Innenstadt.

Ich habe den Rest des Nachmittags genutzt und bin ziemlich ziellos durch die Stadt gelaufen, habe am Hafen rumgeschnüffelt und in dem alten, von einer Stadtmauer umgebenen Stadtviertel. Außerdem in dem dahinter liegenden Viertel, wo die Häuser alle etwas maurischen Einschlag haben und ziemlich bunt sind. Die einzige Sehenswürdigkeit, die ich ganz gezielt angesteuert habe, war aus unbekanntem Grund nicht zugänglich: die Kirche „Igreja do Carmo“, in der es eine mit lauter Knochen und Totenköpfen verkleidete Kapelle gibt, die „Capela dos Ossos de Faro“. Da saßen viele Touristen wartend auf den Stufen oder klinkten an den Türen, aber entgegen den angeschlagenen Öffnungszeiten war da alles verrammelt. Schade. Jeder Reiseführer preist diese Sehenswürdigkeit, aber niemand bekommt sie zu sehen …

Bei den Bewertungen auf booking.com haben viele vom gemeinsamen Essen im Hostelicious geschwärmt. Da gibt es offenbar jeden Abend was anderes für 20 € pro Nase. Heute war Pizza-Party mit Bier, so viel man will, angesagt. Da habe ich mich einfach mal eingeklinkt, denn da kann man nichts falsch machen. Wenn das Essen nicht schmeckt, muss man halt einen Schluck mehr trinken. Aber die Sorge war unbegründet. Es hatten sich, auf zwei Tische verteilt, 15 Leute eingefunden. In der Küche haben zwei Profis unentwegt Pizza gebacken und ein Dritter hat diese in Stücke geschnitten, verteilt und nebenbei Bier gezapft. Da ist man zwischendurch kaum zum Atmen gekommen, weil laufend Nachschub gereicht wurde. Das war alles ganz lecker, bis auf die als „Nachtisch“ gedachte Pumpkin-Pizza, also Pizza mit Kürbis und anderem halbsüßen Kram. Ich habe vorsorglich gar nicht erst probiert und die Gesichter der anderen ließen nicht vermuten, dass dies eine Leckerei ist. Aber der Rest war lecker.

Ich war den ganzen Abend umringt von jungen, Englisch sprechenden Leuten und habe mich amüsiert, obwohl ich kaum was verstanden habe. An meinem Tisch saßen ein paar Engländer, ein Ire und eine Holländerin, wo die Leute am andern Tisch herkamen, habe ich nicht rausbekommen. Eine ist der auf den Arm tätowierten Landkarte nach aus Neuseeland. Der roten Hautfarbe nach ist sie aber eher die Tochter eines Indianer-Häuptlings. Wobei, wenn man ihre tagsüber durch eine Sonnenbrille geschützten, fast weißen Augenhöhlen im roten Gesicht berücksichtigt, ist sie wohl doch eher eine Nordeuropäerin, die zu lange im Toaster war. Der Anblick dieser markanten Augenhöhlen war eine gute Entschädigung für die ausgefallene Besichtigung der Totenköpfe in der Kapelle.

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