Unterwegs auf der Via del Estrecho / Via Augusta von Gibraltar nach Santiago
Tag 14 (Di, 26.11.2024) Unterwegs in Sevilla und Rückreise / 10,9 km
Der heutige Tag war der Kultur gewidmet. Nach einem reichlichen Frühstück, das alle meine verbliebenen Vorräte aufgezehrt hat, habe ich meinen Rucksack so gepackt, dass er keinen allzu voluminösen Eindruck macht und hoffentlich von Vueling als Unter-dem-Sitz-Gepäck akzeptiert wird. Den konnte ich tagsüber im Hostel stehen lassen, was natürlich prima war. Um halb zehn bin ich aufgebrochen und ziemlich direkt zur Kasse des Alcazar, nahe der Kathedrale gelaufen. Da habe ich mir für 10.30 Uhr ein Rentnerticket (7 € statt 14,50 €) geholt. Am Eingang des Alcazar stand schon eine lange Schlange am 10.30-Uhr-Schild. Da es Blödsinn ist, sich da anzustellen, weil alle mit einem solchen Ticket nicht früher und nicht wesentlich später reinkommen, habe ich die verbliebene halbe Stunde noch für eine kleine Besichtigungsrunde über den Platz an der Kathedrale genutzt, wo unzählige Kutschen auf Japaner und gelegentlich auch andere Fahrgäste warteten.

Pünktlich halb elf wurden wir eingelassen und ich war schockiert, wie voll es da schon auf dem Gelände war. Halbstündlich wird etwa 300 Besuchern Einlass gewährt, aber ich vermute, dass die vielen Reise-, Schüler- und Kindergartengruppen da nicht mitzählen. Man konnte gar nicht vermeiden, den Fotofreunden ins Bild zu laufen und musste laufend aufpassen, dass einem kein Selfie-Stick ins Auge sticht. Im Palast gab es viele Räume zu besichtigen, einige sehr arabisch aussehend, andere aus verschiedenen Epochen unseres Kulturkreises, zum Beispiel in einem gotischen Gebäudeteil. Dort hingen riesige Wand­teppiche mit Landkarten, Schiffsschlachten und anderen Gemetzeln.

Egal zu welchem Baustil gehörig, waren fast alle Räume und Treppenhäuser mindestens mannshoch gefliest, natürlich überwiegend mit reich dekorierten Fliesen. Im Erdgeschoss gab es auch eine richtige Fliesenausstellung zu sehen - die sah schon etwas anders aus, als jene im Baumarkt. Sehenswert waren vor allem die Fliesen mit Figuren drauf oder zum Beispiel ein kompletter Kreuzweg auf Fliesen.

In den arabischen Gebäudeteilen waren die reichen Verzierungen rings um die Türen und Fenster und als Abschluss des Fliesensockels sehr beeindruckend. Nicht immer war klar, ab es sich um Schriftzeichen oder einfach nur um Verzierungen handelt. Das Smartphone meinte zwar wiederholt, Schrift erkannt zu haben, aber übersetzten konnte oder wollte es den vermeintlichen Text nicht.

Schön anzusehen waren die vielen kleinen Gärten zwischen und hinter den Gebäudeteilen und der sich anschließende, von einer großen Mauer umgebene Park. Da waren hunderte Scheinwerfer, Diskostrahler, Beamer, Lichterketten und Nebelmaschinen installiert. Von Anfang November bis Ende März findet da jeden Abend eine Lichtershow statt (Eintritt 11 €). Das habe ich leider nicht gewusst, sonst wäre ich da gestern bestimmt mal hin.

Ich habe fast drei Stunden im Alcazar zugebracht. Hätte ich da noch alles gelesen oder mir im Internet-Audioguide angehört, hätte das noch viel länger gedauert. Nach einem Zwischen­stopp in der Goldenen Schwalbe bin ich zum „Torre del Oro“ (Goldener Turm), einem Wachturm aus dem 13. Jahrhundert, der ein kleines Schifffahrtsmuseum beherbergt und von seinem Dach einen schönen Blick über die Altstadt und entlang des „Canal de Alfonso XIII“ bietet. Danach bin ich mal kurz rüber auf die andere Seite des Kanals in das Stadtviertel Los Remedios, wo einer (natürlich aus Fliesen bestehenden) Info-Tafel zufolge u. a. Magellan zu seinen Weltreisen aufgebrochen ist.

Nach einem Mittagsschläfchen im Park bin ich dann auf verschlungenen Wegen in mein Hostel, um den Rucksack abzuholen. Den dort am Morgen zurückgelassenen Rest meines löslichen Kaffees hatte noch keiner gebraucht, so dass ich mir vor dem Aufbruch noch einen Kaffee aufbrühen konnte. Das Mädel an der Rezeption hat mich gewähren lassen, denn bei ihr hatte ich „einen Stein im Brett“, weil ich sie vorgestern daran erinnert habe, dass ich noch bezahlen muss. Ihre Software hat wohl ein Problem mit Reservierungen, die erst am Anreisetag erfolgen, so dass ihr das gar nicht aufgefallen wäre.

Mit dem wieder auf sein ursprüngliches Gewicht reduzierten Rucksack bin ich dann noch zwei Stunden durch die Stadt gezogen, dieses Mal durch die nördlichen Stadtviertel wie San Roque. Von den interessanten Kirchen am Wegesrand war leider nicht eine einzige offen. Vermutlich kann man nur im Stadtzentrum darauf hoffen.

Die gemütlichen Bänke, funktionierende USB-Dosen und saubere Toiletten haben mich bewogen, in der Goldenen Schwalbe auf den Flughafenbus zu warten, der auf der anderen Straßenseite der Straße „Paseo Colon“ vor dem Goldenen Turm hält. Der verkehrt viertel­stündlich und braucht etwa 40 Minuten. Mit dem Bus kurz vor acht habe ich noch einen guten Puffer. Um 22.55 Uhr geht mein Flug nach Barcelona, von wo es morgen früh um 7.15 Uhr weiter nach Berlin geht. Das war auch wieder so ein Schnäppchen - beide Teilstrecken zusammen für 59 €. Da nimmt man auch die paar Stunden Wartezeit in Barcelona hin. Dafür hatte ich ja heute noch einen vollen Tag und ich komme nicht irgendwann spät in der Nacht in Berlin an, wenn das Heimkommen kompliziert ist.

Das war‘s jetzt mal wieder mit der Berichterstattung. Ich hoffe es hat nicht gelangweilt und der/die eine oder andere hat Lust bekommen, sich mal auf diesem Weg zu gehen. Auch wenn das manchmal etwas schlimm klang, war es ein schöner, interessanter und recht gut ausgeschilderter Weg. Dass man bzgl. Herbergen nicht auf die gleiche Infrastruktur trifft wie auf den häufiger begangenen Wegen, war abzusehen. Das hat dadurch ein paar Groschen mehr gekostet, als üblich, dafür habe ich nicht ein einziges Mal meinen Schlafsack benutzt, weil es stets Bettwäsche gab. Den Regenponcho habe ich zum Glück genauso wenig gebraucht wie mein langärmliges Shirt. Eigentlich hätte ich mit einem Tütchen Sachen reisen können. Wanderpulli und Anorak habe ich auch nicht oft benötigt, meist nur abends nach Sonnenuntergang und dann auch nur eins von beidem. Nun werde ich frühestens im März wieder auf einen Camino gehen, hier oder im Süden Portugals. Wer da wieder dabei sein möchte, möge sich bitte melden.

Via del Estrecho / Via Augusta - Tag 14