Unterwegs auf der Via del Estrecho / Via Augusta von Gibraltar nach Santiago
Tag 13 (Mo, 25.11.2024) Unterwegs in Sevilla / 12,3 km
Der kolumbianische Abend war leider nicht so berauschend. Ich staune, dass die Kolum­bianer noch nicht ausgestorben sind, wenn die immer nur in der Mikrowelle auf­gewärmte Banane mit etwas Reibekäse drüber essen. Aber der gute Wille war zu erkennen und richtig kolumbianisch sahen die jungen Leute auch nicht aus, die auf der Dachterrasse des Hostels ihre Kochkünste ausprobiert haben. Dafür war die Aussicht von da oben herrlich - überall schauten hell angeleuchtete Kirchtürme aus dem Häusermeer. Diesen Blick kann man übrigens bei jedem Klogang genießen, denn Toiletten gibt es nur im Erdgeschoss und im dritten Stock am Zugang zur Terrasse. In getrennten Porzellan­kabinetten jeweils ein Klobecken für Señores und Señoras. Das ist nicht viel, da sollte man nicht warten, bis die Not am größten ist.

Mit zugezogenen Gardinen habe ich wunderbar in meinem Lazarettbett geschlafen. Da es in dem Raum zwar eine Lüftung, aber kein Fenster gab, war nicht so einfach herauszufinden, ob es draußen schon hell ist. Das hat mich aber auch nicht übermäßig interessiert, da ich bereits im Urlaubsmodus war und für heute gar keine konkreten Pläne hatte. Nachdem ich mich zigmal gedreht hatte und nicht mehr liegen konnte, bin ich raus - da war es schon bald um neun. Ein in der Küche aufgebrühter Kaffee hat dann geholfen, munter zu werden.

Da ich gestern abend nach dem Verzehr der Banane runter in die Küche bin und mir dort Brote geschmiert habe, war mein Essenvorrat wider Erwarten bis auf ein paar Hamburger-Brötchen und eine halbe Schachtel Butter aufgezehrt. Aber da an den Regalen und Kühlschränken stand, dass Lebensmittel ohne Namen und Datum für die Allgemeinheit sind oder weggeworfen werden, hat es sich gelohnt, da mal eine Revision durchzuführen. Dabei fanden sich tatsächlich nicht ordnungsgemäß deklarierte Schmelzkäseecken und eine Thunfischbüchse. Das Frühstück fiel damit opulenter aus, als erwartet.

Dann bin ich los, eigentlich um die Parkanlagen jenseits des Plaza de España zu besichtigen. Aber auf dem Weg dorthin gab es so viel zu sehen und zu bestaunen, dass ich da erst am frühen Nachmittag angekommen bin. Es macht einfach Spaß, hier ziellos durch die engen, verwinkelten Gassen zu ziehen. Es gibt überall was zu entdecken, nicht nur dort, wo die Touristenströme hingelenkt werden. Es ist mal ein mit Eisen beschlagenes Tor, dann mal ein kunstvoll vergitterter Balkon, eine Heiligenfigur in einer Nische, Kacheln mit Bildern und Ornamenten an den Hauswänden oder Rankepflanzen, die den Gassen ein Dach geben. Selbst wenn man ungewollt zweimal durch die gleiche Gasse kommt, entdeckt man stets was Neues. Dazu kommen die unzähligen Kirchen, die in der Innenstadt zu einem großen Teil offen sind. Da gibt es außen und innen stets Interessantes zu sehen. Nicht alles ist nach heutigem Zeitgeschmack schön, aber sehenswert ist es allemal.

Dass es zwischendurch mal genieselt hat, konnte mir den Spaß nicht verderben. Es war so wenig, dass der Wander-Pullover das meist abgehalten hat und wenn‘s heftiger wurde, hat es gereicht, sich mal kurz unterzustellen oder bei der „Goldenen Schwalbe“ (Mc Donald) auf einen Burger einzukehren. Ein fast perfekter Vormittag!

Beim Schlendern durch die Gassen bin ich am Palacio Pilatos vorbeigekommen, der mein Interesse geweckt hat. Da an der Kasse stand, dass der Eintritt montags von 15 bis 16 Uhr für EU-Bürger umsonst ist, habe ich meinen dortigen Besuch aber auf den Nachmittag verschoben. Langsam wurde der Terminkalender voll, denn lt. Internet soll montags von 16 bis 17 Uhr auch der Eintritt in den Alcazar-Palast umsonst sein. Den wollte ich mir unbedingt anschauen. Irgendwie kam mir aber der Gedanke, dass man trotzdem ein Ticket braucht, weshalb ich da schon mittags hin bin. An der Kasse hat man mir bestätigt, dass er Eintritt montags am Nachmittag frei ist, aber mitgeteilt, dass diese Zeitfenster auf Monate ausgebucht sind. Das sieht in Berlin an den kostenfreien Museumssonntagen ja nicht anders aus. Für alle anderen Zeiten hätte ich ein Ticket haben können, mit über 65 sogar zum halben Preis (7 €). Die Dame hat aber gleich dazu gesagt, dass heute der Garten des Palastes geschlossen ist. Da der sehr sehenswert sein soll, habe ich meinen Besuch auf morgen verschoben - die Kassendame konnte mir aber nicht sagen, ob der Garten dann zugänglich sein wird.

Als ich endlich am Parque de Maria Luisa, der großen Parkanlage gegenüber dem Plaza de España ankam, war es schon nach halb zwei. Weil drei Regentropfen mehr runter kamen, bin ich nämlich zwischendurch in eine Bibliothek geflüchtet, wo es nicht nur trocken war, sondern wo es auch einen Kaffeeautomaten und Toiletten gab.

Leider waren alle an der Hauptstraße gelegenen Eingänge des eigentlich kostenfrei zugänglichen Parks verschlossen. Ich bilde mir ein, dass die gestern, am Sonntag, offen standen. Glücklicherweise hat man bei einer Gaststätte zwischen Straße und Park ver­gessen, die Hintertür abzuschließen, so dass ich dort rein kam und nicht wie befürchtet einen großen Bogen zur anderen Seite des Parks laufen musste. Im Park gab es ein paar eindrucksvolle Gebäude zu sehen, die meist Museen beherbergen, kleine Teiche mit Tempelchen und viele exotische Bäume. Einige davon verströmten einen sehr angenehmen, aber fast betörenden Geruch. Heute waren nur wenige Leute im Park, gestern waren dort Heerscharen unterwegs. Es hat Spaß gemacht, da herumzulaufen und ich hätte mich dort Stunden aufhalten können, zumal nun endlich die Sonne rauskam.

Ich habe noch eine Runde über den Plaza de España mit seiner halbkreisförmigen Be­bauung und dem ebenfalls halbkreisförmigen, von Brücken überspannten Gondelteich, gedreht. Den hatte ich bereits bei meinem Besuch im Frühjahr ausgiebig erkundet und mir auch das dort befindliche, recht interessante Armeemuseum angeschaut.

Inzwischen war es halb drei und damit Zeit, sich zum Palacio Pilatos zu begeben. Als ich dort kurz vor drei ankam, stand am Eingang schon eine lange, sich um den ganzen Vorplatz hinziehende Schlange - alles Schnäppchenjäger, die um drei umsonst rein wollten. Als es dann so weit war, ging es aber ganz schnell, denn eine Dame am Eingang hat sich nur die Ausweise zeigen lassen und die Nicht-EU-Bürger aussortiert, die an die Kasse mussten. Wenn die EU weiter so wächst, gehören bald auch die Chinesen und Japaner dazu und die Dame am Einlass kann niemand mehr aussortieren.

Der Besuch des Palastes hat sich wirklich gelohnt. Es ist ein Adelspalast, der in der jetzigen Form aus dem 16. Jahrhundert stammt. Er hat nichts mit dem aus der Bibel bekannten Pilatus zu tun, sondern wurde seinerzeit von den Leuten so genannt, weil sich der Erbauer des Palastes auf einer Jerusalemreise Inspirationen geholt hat. Um einen von Arkaden umgebenen, quadratischen Patio gruppieren sich diverse Räume mit eindrucksvollen Holz­decken, farbig gefliesten Wänden und aufwändigen Stuckarbeiten rings um die Fenster und Türen, durch die man auf schöne Gartenanlagen blickt. Rings um den Innenhof und auch in den Räumen trifft man auf alle bekannten römischen Kaiser und diverse griechische Götter. Im Obergeschoss wohnt übrigens noch die Adelsfamilie, welcher der Palast gehört.

Nach dem Palastbesuch, der wirklich zu empfehlen ist, bin ich auf verschlungenen Wegen, vorbei am „Parasol“, dem futuristischen, teilweise begehbaren Bau über der Plaza de la Encarnacion, zum Plaza de la Campana, um den herum diverse Fast Food-Restaurants liegen. Da war ein mir bereits bekanntes „Taco Bell“ mein Ziel. Dort gibt es in der Happy Hour (17-20 Uhr) zum Schnäppchenpreis von 5 € u. a. Fritten mit ganz leckerer Käse-Schinken-Soße und zwei Bier. Das nenne ich ausgewogene Ernährung! Ich hatte das im Frühjahr schon mal und es ist mir gut bekommen. Falls meine Ärztin, die sich immer mal für die Leberwerte interessiert, dies zu lesen bekommt: der Inhalt der beiden Becher hätte auch gut in einen gepasst.

Nach der Happy Hour im Taco Bell bin ich zurück zu meinem Besuchsprogramm. Inzwischen war es dunkel geworden und die Stadt bot ein ganz anderes Bild. In der sehr belebten Fußgängerzone, die sich von der Fast-Food-Ecke in Richtung Kathedrale hinzieht, war es durch die Beleuchtung der Geschäfte taghell und in den Seitenstraßen entsprechend der Tageszeit dunkel. Beides hatte seinen Reiz. Mein Ziel war jetzt die Santiago-Kirche in der gleichnamigen Straße, an der ich am Nachmittag vorbei gekommen bin und wo ange­schlagen war, dass die Kirche ab 18 Uhr geöffnet ist. Wenn ich schon auf dem Jakobsweg unterwegs bin, dann will auch keine Jakobskirche auslassen. Die eigentlich etwas abge­legene Kirche im Norden der Innenstadt war nicht nur offen, sondern auch ganz gut besucht. Da saß auch ein Herr, der Aufsicht führte und ganz bereitwillig einen Stempel hervorkramte, als ich ihm meinen Pilgerpass auf den Tisch legte.

Nachdem ich auf meinem Rundgang durch die Kirche nur eine kleine Darstellung von Jakobus als „Maurentöter“ über einem Seitenaltar gefunden hatte, habe ich mich beschwert. Da ist der Herr in der Sakristei verschwunden, hat die Altarbeleuchtung eingeschaltet und mir gezeigt, dass Jakobus auf allen drei Altarbildern vorkommt - als Prediger, wieder als Mauren metzelnder Reiter und als Kopfloser. Als solcher war er natürlich nicht gleich zu identifizieren. (Jakobus ist im Jahr 44 hingerichtet worden, was ihn zum ersten christlichen Märtyrer macht.)

Nun war es fast um acht und damit Zeit, sich ins Hostel zu begeben. Auf dem Weg dorthin galt es noch die Angebote von Carrefour Express und Dia zu vergleichen, um mich für das letzte Abendbrot und Frühstück optimal einzudecken. Carrefour hat gewonnen. Und das Abendbrot hat geschmeckt.

Via del Estrecho / Via Augusta - Tag 13