Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela |
Tag 3 (Mi, 28.2.2024) Guillena - Castilblanco de los Arroyos / 18,8 km
Ich habe diese Nacht ganz gut geschlafen. Ich hatte bloß Probleme, überhaupt einzuschlafen, weil mich wieder irgendwelche Viecher an den Beinen attackiert haben. Ich will das nicht den Wanzen in die Schuhe schieben. Das können auch die geflügelten Biester gewesen sein, die hier über Pfützen herumschwirren. Es muss in den letzten Tagen doch kräftig geregnet haben, denn an vielen Stellen steht noch Wasser und auf den Feldern sieht man ganz deutlich, wie sich das Wasser seine Bahnen gegraben hat. Um 6.45 Uhr bin ich aufgestanden. Da hat sich gerade auch Ulf aus dem im Bett gequält. Wir haben noch schön gefrühstückt und sind dann ungefähr um 7.30 Uhr aufgebrochen. In der Herberge waren wir nur zu sechst - außer uns noch zwei Frauen aus Australien, die schon den x-ten Camino laufen, ein Spanier, der in Sevilla wohnt und dort gestartet ist und ein Italiener. Wir haben beim Frühstück alle gut um einen Tisch gepasst.
Noch vor dem Ortsausgang von Guillena führte der Weg über eine Furt durch einen Fluss. Die war aber noch völlig unbenutzbar, denn da stand knietief das Wasser. Aber es war für solche Fälle schon ein Umweg über eine nahegelegene Brücke ausgeschildert. Ab da ging es zunächst durch Felder und dann schräg durch ein Gewerbegebiet. Da fand sich mittendrin (wie schon oft in Spanien gesehen) das Krematorium, hier Tanatorio genannt. Das war nur durch die Beschriftung von den benachbarten Möbellagern zu unterscheiden. Wenn man hier plötzlich vom Tod aus dem Arbeitsleben gerissen wird, dann hat man es wenigstens nicht weit bis in die Urne.
Ab dem Gewerbegebiet ging es durch riesig große Olivenhaine - stetig, aber gemäßigt immer den Berg hinauf. Zur rechten Hand mal eine Burgruine und wenn man zurückschaute, dann konnte man immer noch ganz deutlich den Torre Sevilla und den Pylon der Schrägseilbrücke von Sevilla sehen, und das, obwohl man schon anderthalb Tage unterwegs ist. Ein Stück bin ich noch mit Ulf gelaufen, dann habe ich ihn ziehen lassen. Ich kann ihm ja nicht meinen Humpelschritt zumuten. Ich habe aber auch keine Lust und keinen Grund, schneller zu laufen, denn heute steht nur eine kurze 18 km-Etappe an. Morgen wird es wieder etwas heftiger, da sind es fast 30 km ohne irgendeine Ortschaft zwischendurch, so dass man für den ganzen Tag Wasser mitschleppen muss. Wir werden aber wie heute strahlend blauen Himmel ohne jede Wolke haben.
Kurz nach zwei war ich in Castilblanco de los Arroyos, was wohl so viel heißt wie „Weiße Häuser an den Bächen“. Das letzte Stück hat doch ganz schön geschlaucht. Bis zuletzt ging es leicht bergauf und die Sonne hat ziemlich erbarmungslos runter geknallt, obwohl es mit 17 Grad nicht übermäßig warm war. Der Sonne wegen habe ich schon nach einer Stunde den Pulli ausgezogen und bald danach auch die Jacke eingepackt. Ein T-Shirt hat völlig gereicht.
14.00 Uhr. Ulf hat gerade angerufen, dass er in einer Pension im Ort eingecheckt hat. Ich werde es erstmal in der städtischen Herberge versuchen. Wenn die nicht offen ist, kann ich immer noch in dieser oder einer anderen Pension einchecken. Eine für Pilger standesgemäße, also sehr einfache Unterkunft hat Priorität. Um nicht auf den letzten Metern zusammenzubrechen, bin ich zunächst im ersten Restaurant des Ortes eingekehrt, um ein Cruzcampo zu mir zu nehmen. Die von mir favorisierten Biersorten gibt es so weit im Süden leider nicht aus dem Hahn. Interessant ist hier, dass man während des Zapfens gefragt wird, ob man ein kleines oder ein großes Bier haben will. Entsprechend früh oder spät wird der Hebel wieder umgelegt. Sowas wie Eichstriche gibt es hier sowieso nicht. Kurz bevor ich die städtische Herberge in Castilblanco erreicht hatte, gesellte sich Costanza (Coco), eine junge italienische Krankenschwester aus Bologna, zu mir. Das kam mir sehr gelegen, da sie ein regelrechtes Sprachgenie ist und mir gleich beim Einchecken behilflich sein konnte. Sie hat mir alles, was der Hospitalero, „Santiago“, erzählt hat, vom Spanischen ins Englische übersetzt, so zum Beispiel, dass am 28. Februar das „Fest Andalusiens“ gefeiert wird und auch in Castilblanco eine Fiesta ist. Das Programm für den Rest des Tages stand damit fest.
Zunächst habe ich aber ein paar Socken gewaschen und auf der Dachterrasse der Herberge, von der man die ganze Stadt überblicken kann, zum Trocknen aufgehängt und mich zu einem Schläfchen hingelegt. Eine Dame, die im Zimmer noch Siesta hielt, entpuppte sich als die künftige Herbergsmutter (Hospitalera): Carolina aus Kanada. Sie war am Tag zuvor angekommen und wird morgen für zwei Wochen ihren Dienst übernehmen und dann in Richtung Santiago weiterlaufen. Das hat sie schon vor Jahren auf dem Camino Francés gemacht. Da ist sie immer zwei Wochen gelaufen, um dann für zwei Wochen eine Herberge zu betreuen. Es gibt einen Verein „Freunde des Jakobsweges“, der sowas organisiert und die Hospitaleros auch in 3-Tages-Kursen ausbildet.
Da wir beim Laufen sind: Costanza ist heute früh in Sevilla gestartet und damit zwei Etappen gelaufen. Sowas habe ich auch schon geschafft, aber da war ich nicht kurz vor drei am Ziel. In der Herberge bin ich auch wieder auf Pepe gestoßen, den Spanier aus Sevilla, mit dem ich mir zusammen mit Ulf das Zimmer in Guillena geteilt hatte. Der ist Kraftfahrer, ist lange Zeit für IKEA in Zaragoza gefahren und hat sich sogar einen eigenen Truck gekauft. Nach zehn Jahren hat man ihm dann aber gesagt, dass sie keine Laster im Einsatz haben wollen, die älter als 10 Jahre sind. Er ist dann noch fünf Jahre selbständig in Katalonien als Spediteur gefahren, hat dann den Truck verkauft und arbeitet jetzt als Fahrer für Aldi, das der vielen Deutschen wegen sein Spaniengeschäft in Alicante gestartet hat. Dort hat er dann auch eine ganze Weile die Woche über gelebt und die umliegenden Märkte, allein drei in Torrevieja, beliefert.
Und dann war da noch Fernando, der sich später als genialer Koch erweisen sollte. Um halb sechs sind wir alle gemeinsam auf den zentralen Platz gezogen, wo Musik spielte und vor den zwei Kneipen unzählige, voll besetzte Tische standen. Wir haben zum Glück einen gefunden, der gerade frei wurde und hatten viel Spaß, da Pepe alles erklärt bzw. vorgeführt hat, wenn ihm nicht die richtigen englischen Worte einfielen. Das reichte bis zur Aufführung von Flamenco-Tänzen.
Um halb sieben war das Fest aber schon zu Ende - ich hätte gedacht, dass erst am Abend richtig was los ist. Da der Supermarkt schon geschlossen hatte, haben wir einen winzigen Kaufmannsladen an der Ecke fast leer gekauft und sind mit allen Zutaten für die von Fernando versprochene Paella in die Herberge gezogen, wo wir noch einen tollen, amüsanten Abend miteinander hatten und spanische Kochkunst bewundern konnten. Das war ein echt guter Camino-Tag.
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Via de la Plata - Tag 3 |