Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela |
Tag 15 (Mo, 11.3.2024) Casar de Cáceres - Cañaveral / 31,8 km
Ich bin heute zeitig aufgestanden und um dreiviertel sieben im Dunkeln losgegangen, weil eine 33 km-Tour auf dem Programm stand, die sich nicht abkürzen lässt. A, B und C haben sich zwecks Frühstück auf die Suche nach einer schon geöffneten Bar gemacht. Ich habe diesen Tagesordnungspunkt übersprungen, denn ich hatte mir in der Herberge noch einen Kaffee gemacht und meine letzten zwei Toastbrotscheiben geschmiert. Mangels Belag und da kein Salz zu finden war, habe ich mir in der Küche vorrätiges Knoblauchpulver auf die Butter gestreut. Das hat prima geschmeckt und es ist ja keiner da, den der Geruch stören könnte. Leider hatte ich an Getränken nur noch eine halbe Flasche „Gaseosa“, sowas wie bei uns früher das Margonwasser. Das trinke ich hier immer gern, weil es „Con Gas“ ist, also sprudelt, und ein ganz klein wenig Geschmack hat. Für den Fall, dass es warm wird, war das etwas wenig für die lange Strecke ohne Kneipe, Konsum oder Wasserhahn. Deshalb habe ich mir die Flasche mit Leitungswasser aufgefüllt, also ein Getränk im Mischungsverhältnis 1:1 kreiert, so wie das auch bei einer guten Bloody Mary der Fall ist. Leider schmeckt im Spanien das Leitungswasser wegen des hohen Chlorgehalts grauenhaft. Mein Mischgetränk ähnelt deshalb jetzt Badewasser mit einem Tropfen Zitrone.
Der Grund dafür, dass ich heute früh bezüglich Essen und Trinken so minderbemittelt war, lag in einem Anruf von Ulf kurz nachdem ich gestern in der Herberge angekommen war. Er ist mir inzwischen zwei Tage voraus und erzählte, dass er zwischen Cañaveral und Galisteo, also unserer morgigen Etappe, auf eine Furt gestoßen ist, die so überflutet war, dass ihm selbst auf den ausgelegten Steinen das Wasser bis zu den Knien reichte. Und die Strömung war so stark, dass er sich auch mit seinen Stöcken nur mühsam halten konnte. Auf sowas habe ich gar keine Lust und meine Mitstreiter, denen ich davon erzählt habe, auch nicht. Deshalb haben wir gleich die Köpfe zusammengesteckt und Karten, Wanderführer und Apps studiert. Ganz einig sind wir uns bei der Wahl einer Alternativroute noch nicht geworden, aber über das Recherchieren und Diskutieren ist es so spät geworden, dass der Käseladen im Ort, der auch ein paar wenige andere Lebensmittel zu bieten hat, inzwischen geschlossen war. Da gestern Sonntag war, hatte abends auch kein anderer Kaufmannsladen offen. Lust, allein zum Essen in die Bar zu gehen und mir einen Vorrat anzufuttern, hatte ich aber auch nicht.
Der erste Teil des Weges verlief sehr moderat. Es ging zunächst ein kleines Stück bergauf und dann fast drei Stunden auf gleicher Höhe voran. Die Zäune und Mauern beidseits des Weges wurden weniger und dann gab es sogar mal ein Stück Natur ohne Strommasten. Das ist in Spanien was ganz Seltenes. Da konnte man den Blick schweifen lassen. Mitunter sah es aus wie in der Bretagne, denn große, abgeschliffene Felsbrocken schauen hier überall aus der Erde. Am Horizont war ein kleiner Ort zu sehen, der sich an einen Berghang schmiegt. Ich habe gegrübelt, welcher Ort das denn sein könnte, da der Weg doch eigentlich durch unbewohntes Gebiet führt. Erst sehr viel später habe ich mitbekommen, dass es sich um mein Tagesziel, Cañeveral handelt. Das war bei der ersten Sichtung etwa 20 km Luftlinie entfernt!
Irgendwann haben mich A, B und C, die einen Spanier im Schlepptau hatten, eingeholt. Gemeinsam sind wir an einer Schafherde vorbei, wo der Wachhund (ohne aggressiv zu werden) deutlich gemacht hat, dass er gut auf seine Schäfchen aufpasst. Die vier sind dann bald wieder entschwunden, aber an einem guten Aussichtspunkt nahe der Schnellzugtrasse habe ich sie beim Rasten wiedergetroffen. Die Bahntrasse war lange im Blickfeld, aber ich habe in der ganzen Zeit nicht einen einzigen Zug gesehen. An der Stelle kamen auch noch Hans-Peter aus Hannover und Markus aus Aachen dazu, die mit in der letzten Herberge waren.
Nun war auch schon der Stausee „Embalse de Alcántara“ zu sehen. der die Wasserversorgung der Extremadura sicherstellt und einer der größten Europas sein soll. Der scheint momentan ganz gut, aber nicht maximal gefüllt zu sein. Weiter ging es leicht bergab zur N-630, die sich um den Stausee windet. Kurz vor Erreichen der Straße geht es rechts ab auf einen Trampelpfad, der auf und ab im Zickzack nahe der Straße verläuft und ziemlich uneben ist. Den hätte ich mir lieber sparen und bis zur Straße und auf dieser weiterlaufen sollen. Der felsige Pfad hat doch ziemlich die Fußgelenke strapaziert und für den Rest des Tages war wieder Humpeln angesagt. Nachdem der Straßenrand für ein paar Kilometer Pflichtprogramm war, bin ich deshalb einfach dort weiter gelaufen, als sich der Weg wieder von der Straße trennte.
Da, wo die Straße direkt am Stausee verläuft, war immer mal eine lokale Bahnlinie zu sehen, die aus einem Tunnel kam und kurz darauf im nächsten verschwand. Als die erste Brücke über einen Zufluss zum Stausee kam, war die Bahnlinie plötzlich verschwunden - die tauchte in einen Tunnel ein und ward nicht mehr gesehen. Auf der Brücke dämmerte mir dann, dass die Bahn unter mir im Trog der Brücke fährt - aus einem Tunnel kommend ist sie im Unterbau der Brücke verschwunden und auf der anderen Seite wieder abgetaucht. Davon bekommt der Fußgänger oder Autofahrer nichts mit, wenn er nicht gerade die Bahn vermisst. Bei der nächsten Brücke über den Tajo wiederholte sich das Ganze. Hier gab es auch oben auf der Brücke Spaß. Die hat auf beiden Seiten einen hinreichend breiten Fußweg, auf dem man eigentlich prima die Brücke passieren kann, ohne den Autos in die Quere zu kommen. Wären da nicht die sicher sinnvollen Leitplanken zwischen Fahrbahn und Gehsteig. Da hat man nämlich vergessen, eine Lücke zu lassen, durch die man von der Fahrbahn auf den Gehsteig kommt. Ein junger Bursche klettert einfach über die Leitplanke, aber das ist nicht meine Lieblingssportart und unter der Leitplanke durchzukriechen erschien mir nicht elegant genug. Also habe ich auf der Fahrbahn die Brücke passiert, was bei dem spärlichen Verkehr kein Problem war.
Die Karte im Wanderführer zeigt übrigens, wo einst die Römerstraße durch den jetzigen Stausee verlaufen ist. Leider habe ich nicht herausgefunden, was es mit dem alten Haus auf einer der kleinen Inseln im See zu tun hat. Das sieht von weitem aus wie Alcatraz, obwohl Insel und Haus viel kleiner sind. Sicher ist das verlassene Haus, das vielleicht 2…300 Jahre alt ist, nicht auf eine Insel gebaut worden, sondern auf einen Hügel, der hoch genug war, um nicht überschwemmt zu werden. Nachdem die Straße den Stausee hinter sich gelassen hat, waren es noch etwa 8 Kilometer bis Cañaveral - immer leicht bergauf. Inzwischen war mir ganz schön flau im Magen und ich habe überlegt, ob ich sofort in die Herberge gehe oder erst irgendwo was zu essen fasse. Die Entscheidung ist mir dadurch abgenommen worden, dass auf dem Weg zur Herberge alles geschlossen war. In der Herberge war die Tür offen und auf dem Tresen stand ein Schild, dass der Chef mal kurz weg ist.
Von den drei Zimmern (10/6/6 Betten) war das große verschlossen, im anderen war eine Holländerin und das dritte war leer. Da habe ich mir ein Bett ausgesucht. Der Chef wollte mich aber als er kam, bei der Dame einquartieren, damit er morgen nicht so viele Räume putzen muss. Als ich ihm sagte, dass da noch 5 Deutsche kommen und das Zimmer voll wird, durfte ich bleiben. Gekommen sind dann aber nur Hape und Markus, die anderen drei, die ich noch auf dem Bergpfad wähnte, hatten sich ein paar Meter weiter im Hotel einquartiert, das mit 20 € pro Person nicht viel teurer war als meine 16 €-Herberge. Die ist allerdings sehr ordentlich und mit einer Küche versehen, die es im Hotel sicher nicht gibt. Da muss man Essen gehen, wenn man sich seine Stullen nicht auf dem Nachttisch schmieren will. Besonders lobend wäre zu erwähnen, dass es in der Herberge einen Getränkeautomaten gibt, der nicht nur Cola- und Fanta-Büchsen zu bieten hat.
Da ich richtigen Knast hatte und nicht darauf warten wollte, dass um halb sechs die Geschäfte bzw. um acht die Gaststätten wieder öffnen, habe ich mich bis zur Tankstelle am Ortsrand geschleppt und mir dort ein Bocadillo geholt - das lag eingeschweißt im Regal und wurde vom Tankwart persönlich auf verzehrfähige Temperatur gebracht. Um sechs bin ich dann zum Einkaufen in den Krämerladen und hab mir da für heute abend und morgen früh was zum Futtern geholt. Im Laden habe ich übrigens Oscar und Claudia getroffen, die heute hier in der Gegend zelten wollen und sich noch mit Lebensmitteln eindecken mussten. Die verfolgen mich ja, wie voriges Jahr auf dem Camino del Norte der nette Bretone Antoine …
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Via de la Plata - Tag 15 |