Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela |
Tag 32 (Do, 28.3.2024) Requejo - Lubián / 18,5 km
Wenn man sich mal darauf verlässt, dass Kees‘ Wecker um halb sieben klingelt! Heute hatte er ihn ausgestellt und prompt habe ich bis kurz vor sieben geschlafen. Da heute zwar eine anstrengende, aber nicht so lange Etappe anstand, war das aber auch nicht weiter schlimm. In der ungemütlichen und kalten Herberge stand zwischen unseren Betten ein kleiner Tisch mit ein paar Stühlen, wo ich mit Ivor und Kees noch ordentlich gefrühstückt habe - der Temperatur wegen im Anorak. Paul hat sich irgendwas auf der Pfanne zusammengerührt und sich mit dem Suppenteller in der Hand wieder in seinem Schlafsack verkrochen. Der Kolumbianer, der sich mit uns ein Bett zurechtgemacht hat, wurde inklusive Rucksack seit dem Abend nicht mehr gesehen. Kees hat gelästert, dass der eine Señorita gefunden hat, aber ich glaube, dass der auf ein geheiztes Zimmer upgegraded hat.
Vor der Herberge warteten wieder mal zwei herrenlose Hunde auf mich: ein brauner und ein weißer, beide noch nicht sehr alt. Der braune machte Anstalten, mich zu begleiten, aber der weiße fand immer wieder was zu schnüffeln. Es war witzig mit anzusehen, wie der braune immer zwischen mir und seinem Kumpel gependelt ist. Irgendwann hatte er ihn soweit, dass auch dieser mir hinterher trabte - bis es an der nächsten Ecke wieder was zu schnüffeln gab. Dann habe ich sie aus den Augen verloren.
Wir sind, wie uns geraten wurde, heute den ganzen Tag auf der Straße gelaufen, Ivor und Kees natürlich wieder vorneweg. Während anfangs nur etwas Graupel runter kam, fing es bald richtig an zu schneien. Da bekam ich auch noch Schneeschieber richtig im Einsatz zu sehen. Zum Glück war es erlaubt, den Straßentunnel unter dem eigentlichen Pass zu benutzen. Ich dachte schon, wir müssen den wie in der Karte eingezeichnet auf einem Trampelpfad am Berghang umgehen. In dem gut 400 Meter langen Tunnel gab es auf beiden Seiten richtige Fußwege mit Bürgersteig. Da aber die ganze Zeit kein Auto kam, wäre man auch ohne diese gut durchgekommen. Auf der anderen Seite des Tunnels, also jenseits der Bergkette, kam leider der Schnee als Matsch runter oder besser gesagt, von vorn ins Gesicht geweht. Das war dann ziemlich unangenehm und schnell war alles nass, was nicht vom Poncho bedeckt war. In meinen Schuhen stand eh schon eine Weile das Wasser, was an sich nicht tragisch ist, aber hier handelte es sich ja um Eiswasser …
Gar nicht weit weg vom Tunnel, im eingeschneiten Padornelo, lockte von weitem eine Bar, aber man hatte da nur vergessen, die mit Reklame versehene Häuserwand zu übertünchen. Hinter dem Ort war jedoch schon von weitem eine Tankstelle zu sehen, in der es sicher einen Kaffeeautomaten gibt. Beim Näherkommen zeigte sich dann, dass daneben ein Hotel mit Restaurant ist. Den vielen davor stehenden Autos zufolge war das nicht nur geöffnet sondern auch gut besucht. Drinnen war es wirklich voll, aber Ivor und Kees hatten da die besten Plätze im Beschlag genommen: neben dem bullernden Kamin an einem großen Fenster, durch das man die schaurige Außenwelt bestaunen konnte. Für mich war da auch noch ein Platz und ich konnte am Kamin meine Schuhe und deren Inhalt zwar nicht trocknen, aber etwas erwärmen. Wir haben uns dort lange mit unserem Kaffee aufgehalten und, damit man uns nicht fortjagt, noch einen zweiten bestellt. Die Herren haben sich der nahen Mittagszeit wegen noch jeder ein üppiges Bocadillo mit Schinken kommen lassen und ich ein großes Stück der geliebten Tortilla. Im Fernsehen lief derweil die Übertragung einer vom Königspaar abgenommenen, völlig verregneten Parade in Málaga. Das Wetter ist hier momentan überall so schlimm. Die Frage, ob Gäste zu den Semana-Santa-Feierlichkeiten kommen werden oder ob es witterungsbedingte Stornierungen gibt, ist hier schon seit Tagen ein Thema in den Nachrichten.
Leider mussten wir irgendwann mal unseren Weg fortsetzen und da es ohne fremde Hilfe so schwer ist, den Regenponcho überzuziehen, habe ich mich noch von Kees ankleiden lassen, bevor die beiden los sind. Als ich aus dem Restaurant kam, regnete es ziemlich heftig und der Regen ließ bis nach Lubián nicht mehr nach. Es waren zwar nur noch 8 km, aber die haben ausgereicht, um völlig durchzuweichen und fast vor Kälte zu erstarren. Da der ausgeschilderte und vielleicht etwas kürzere Weg unpassierbar war, mussten wir auf der vergleichsweise schmalen Straße bleiben, die sich in endlos erscheinenden Schleifen durch die Berge zog. Leider stockte es auf der nahen Autobahn in Richtung Westen, weshalb viele Autos in unserer Richtung die Landstraße benutzt und die Fußgänger zusätzlich vollgespritzt haben.
Als endlich Lubián mit der rettenden Herberge erreicht war, kamen mir Zweifel, ob eine 3 €-(!)-Herberge das Richtige ist, um wieder warm zu werden und die Sachen zu trocknen. Wie groß war die Überraschung, dass sich in der in einem alten Natursteinhaus befindlichen Herberge mehrere funktionierende Elektroheizer, hervorragende Sanitäranlagen mit richtig heißem Wasser und eine ganz brauchbare Küche befanden. Das hat die Stimmung aufgeheitert und schon die ersten Sachen getrocknet. Prima! Selten habe ich mich so über eine heiße Dusche gefreut wie heute. Und einen heißen Kaffee. Leider konnte ich gestern in dem 3-Regale-Laden meinen Vorrat an Tütensuppen nicht auffrischen. Das wäre genau das Richtige gewesen. Aber ansonsten habe ich genug zu essen dabei: ein halbes Toastbrot, spanische Lätta und Belag. Außerdem noch eine dicke Weißbrotscheibe, die es zur Tortilla dazu gab. Ivor und Kees waren zwar schon eine Weile vor mir hier, saßen aber auch noch beim Tee bzw. Kaffee.
Wir haben überlegt, ob wir noch irgendwo einkehren. Nach den Aushängen in der Herberge gibt es hier drei Einkehrmöglichkeiten. Man hätte zum Beispiel in einer benachbarten Pension (Casa Rural Irene) wenigstens etwas zu trinken bekommen. Ich habe dann aber Abstand davon genommen, bei dem Regen nochmal aus dem Haus zu treten. Meine Schuhe stehen noch an der Heizung und ich mag es überhaupt nicht, in nasse Schuhe zu steigen. Beim genaueren Betrachten der Sohle habe ich auch an einem Schuh die vom Split gebohrten Löcher gefunden, die dafür verantwortlich sind, dass da so schnell das Wasser drin steht. Damit werde ich wohl noch ein paar Tage laufen müssen, denn Ourense ist wohl erst der nächste Ort, in dem man mit einem Schuh- oder Sportgeschäft rechnen kann. Ivor und Kees, die wohl jeden Tag essen gehen, haben sich auf den Weg gemacht und sind in der 700 Meter entfernten Bar „Javi“ fündig und satt geworden. Und Kees ist meiner Bitte gefolgt und hat mir was zu trinken mitgebracht. Nun ist die Welt in Ordnung.
Ich habe während dessen schon mal Probeliegen gemacht und die Matratze für „recht brauchbar“ befunden. Mit einem Radiator direkt am Bett ist es auch gut auszuhalten. Es darf nur keinen Stromausfall geben! Auf dem gegenüber liegenden Berg ist zwar ein Umspannwerk, aber man weiß ja nicht, ob unsere Steckdosen direkt von dort gespeist werden. Decken haben wir hier nicht gefunden. Im Notfall muss wieder der ganze Rucksackinhalt als Wärmeisolierung herhalten - oben rüber der inzwischen trockene Regenponcho, was sich schon beim Übernachten im Freien als bedingt hilfreich erwiesen hat.
Als wir heute morgen aufgebrochen sind, galt meine Sorge weniger dem Wetter, als vielmehr dem Streckenprofil, denn das sieht einigermaßen grausam aus. Start (Requejo) und Ziel (Lubián) liegen auf etwa 1000 m Höhe und der Pass dazwischen fast auf 1400 m. Es ging aber, anders als erwartet, so allmählich bergauf, dass man den Anstieg kaum wahrgenommen hat. Und die Benutzung des Tunnels hat auch noch mal 20 Höhenmeter gespart! Beim Abstieg ging es zwar zwischendurch immer mal wieder ein Stück aufwärts, aber das war auszuhalten. Bei gutem Wetter hätte man also deutlich mehr als die ca. 18 km laufen können. Aber dann hätte man auch gleich noch knapp 24 km für die nächste Etappe bis A Gudiña ranhängen müssen, denn vorher kommt keine Herberge. A Gudiña ist also mein nächstes Ziel. Von der Entfernung her sollte das kein Problem sein, aber hinter Lubián geht es nochmal runter und dann wieder auf über 1250 m hoch. Ich hoffe, das geht so sanft ab wie heute.
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Via de la Plata - Tag 32 |