Unterwegs auf der Via de la Plata und dem Camino Sanabrés von Sevilla nach Santiago de Compostela |
Tag 35 (So, 31.3.2024) Laza - Vilar de Barrio / 20,3 km
Heute morgen bin ich spät los. Erstens war es durch die Zeitumstellung eine Stunde später und zweitens habe ich mir noch in aller Ruhe die gestern übrig gebliebenen Eier gekocht und gemütlich mit Ivor und Kees gefrühstückt. Ich bin nur ein paar Minuten nach ihnen los und hab sie nicht mehr gesehen.
Es ging vorbei an der Rettungswache, wo wir unsere Herbergsschlüssel in den Briefkasten werfen sollten, und dann einmal durch den ganzen Ort. Laza erwies sich dabei größer als gedacht. Auch hier wechselten sich recht ordentliche und halb oder ganz verfallene Häuser ab. Hinter dem Ort ging es auf der Landstraße weiter, an die man extra wegen der Pilger einseitig einen breiten Fußweg aus Beton angefügt hat.
Hinter einer Kurve musste man sich entscheiden, ob man auf der Straße bleiben oder den ausgeschilderten Camino nehmen will, der auf Feld- und Waldwegen verläuft. Auf beiden Varianten galt es, rund 500 Meter, von ca. 450 m bis ca. 950 m, aufzusteigen. Aus dem Wanderführer und aus Andreas‘ WhatsApp wusste ich, dass es auf dem ausgeschilderten Weg teilweise sehr steil und anstrengend aufwärts geht. Da sich außerdem schon am Anfang des Weges große Pfützen zeigten, habe ich es vorgezogen, auf der Straße zu bleiben. Da ging es zwar auch permanent aufwärts, aber halbwegs moderat. Trotzdem war ich kaputt, als ich nach vier Stunden endlich in Albergueria, einem kleinen Dorf fast ganz oben auf dem Berg angekommen war. Der Ort hat seinen Namen daher, dass es hier schon immer eine Pilgerherberge gab. Eine sehr urige alte Herberge mit steinerner Außentreppe und Balkon gibt es jetzt noch. Die zweite Attraktion des Dorfes ist die gegenüberliegende Bar, in der alle Wände, Stützen und die ganze Decke mit Jakobsmuscheln verziert sind, auf denen Pilger ihre Namen nebst Datum und evtl. guten Wünschen hinterlassen haben. Das hatte ich schon wiederholt in Videos von der Via de la Plata gesehen. Nur hat der Wirt, ein junger Mann, der amerikanische Musik der 70er zu laufen hatte, leider nicht viele Gäste. Pilger sind heute vermutlich nur drei durchgekommen und einheimische Kundschaft kann es nicht viel geben. Aber er hatte einen großen Café con Leche und eine prima Tortilla mit einem passenden Getränk zu bieten. Es hat nicht viel gefehlt, und ich hätte mich ihm als Gast für den Rest des Tages angeboten. Die Lust zum Weiterlaufen war längst geschwunden, aber es waren erst 12 km geschafft und eigentlich ist die Etappe von Laza nach Xunqueira de Ambía 33 km lang. Da es inzwischen nach eins war, war klar, dass ich das nur mit großer Anstrengung schaffen würde und erst gegen sieben am Ziel wäre. Das muss man sich ohne Not nicht antun. Einen Tag Puffer habe ich mir mal rausgelaufen, da kann ich diese Etappe auch gut halbieren oder versuchen, morgen eineinhalb Etappen zu laufen, um den Puffer zu behalten. Aber ich wollte nicht unbedingt in dem verträumten Albergueria bleiben, sondern es wenigstens bis ins acht Kilometer entfernte Vilar de Barrio schaffen.
Hinter Albergueria ging es immer noch ein ganzes Stück aufwärts, aber dann endlich runter. Ich hatte den Wirt gefragt, ob er die Straße oder den ausgeschilderten Camino empfehlen würde. Er meinte, ich solle unbedingt den Weg nehmen, der viel schöner sei. Da gäbe es nur eine nasse Stelle, die aber leicht zu passieren wäre. Also bin ich mal nicht dem Asphalt, sondern den gelben Pfeilen gefolgt. Gleich hinter dem Dorf gab es schon eine Stelle, wo der Weg überschwemmt war und man auf einer kleinen Mauer tänzelnd vorbei musste. Ob das schon die „leicht passierbare Stelle“ war? Oder war diese Stelle so unbedeutend, dass der Wirt die nicht extra erwähnt hat? Nach Umrundung weiterer Pfützen habe ich dann doch die nächste Möglichkeit genutzt, wieder auf die Straße zu wechseln. Da war es keineswegs langweilig, denn in den Kehren gab es sehr schöne Ausblicke in die von Bergketten umringte Ebene, in die ich gerade hinabsteige. Wenn doch nur etwas mehr Sonne gewesen wäre! Sobald mal ein Strahl durch die Wolken kam und eines der Dörfer in der Ebene traf, dann sah das großartig aus. Aber wenige Augenblicke später zogen schon wieder dicke Wolken über die Berge und man konnte deutlich sehen, wo es gerade regnet. Ich selbst bin bis auf einen mäßigen Regen am Vormittag von Wassermassen verschont geblieben. Obwohl es heute nicht ganz so hoch ging wie gestern, steckte ich zwischendurch doch mal in den Wolken, die einem jede Sicht nahmen und die dunklen Bäume vor hellgrauem Hintergrund gespenstig erscheinen ließen.
Es war schon nach drei, als ich nach einem ziemlich steilen Abstieg in Vilar de Barrio ankam, wo es eine sehr komfortable kommunale Herberge gibt. Ich dachte schon, ich wäre da ganz allein, aber dann sah ich dort im Schlafraum zwei Rucksäcke stehen, die mir bekannt vorkamen. Ivor und Kees hatten es also auch nicht weiter geschafft. Da war ich erstens befriedigt und zweitens beruhigt, dass sie nicht in Xunqueira de Ambía auf mich warten. Die kommunale 10 €-Herberge von Villar de Barrio ist 2002 offenbar auf den Grundmauern eines alten Gebäudes direkt an der Hauptstraße errichtet worden, ganz dicht am zentralen Platz, an dem sich mindestens vier Bars anbieten. Wie bei diesen Herbergen üblich, ist geklotzt und nicht gekleckert worden: Zwei Schlafsäle, Foyer mit Sesseln, prima Sanitäranlagen, Waschmaschine und Trockner (gegen Gebühr), Fußbodenheizung unter Schieferplatten, großzügige Verglasung usw. Die Küche ist u.a. mit Ceranfeld und Abzugshaube ausgestattet, aber ohne Töpfe und Geschirr. Was soll das? Wer einen Topf dabei hat, hat auch einen Campingkocher und braucht kein Ceranfeld. Immerhin gibt es für bis zu 24 Pilger einen Teller, zwei Becher und zweimal Besteck. Da muss also morgen früh wieder geknobelt werden, in welcher Reihenfolge wir essen und unseren Kaffee trinken. Dafür hängt an der Wand ein Serverschrank, in dem drei miteinander verkabelte Geräte vor sich hin blinken. Der Router fürs Wifi (WLAN) hängt daneben an der Decke. Vielleicht ist das die Steuerung für die in Spanien allgegenwärtigen Bewegungsmelder. Hier, wo der Flur vor den Toiletten zur Straße hin verglast ist, bietet sich ja Flutlicht an, wenn jemand nachts im Schlüppi Pipi machen geht. Gestern gab es das auch, aber da lag die Herberge weit abseits vom Publikumsverkehr.
Wie jetzt schon oft erlebt, sitzt auch hier von 13 bis 22 Uhr eine Dame in der Rezeption, die von den eintreffenden Pilgern (heute waren es 3) die Personalien aufnimmt, 10 € kassiert, einen Stempel in den Pilgerpass drückt und die Einmalbettwäsche rausgibt. Die Dame in A Gudiña hat wenigstens die verbleibenden 8¾ Stunden auf dem Smartphone rumgeklimpert. Diese hier vertreibt sich die Zeit zwischen ihren Telefonaten damit, dass sie bei einem Stück Verpackungsfolie mit dem Daumen die Luft aus den Noppen drückt, was doch so schöne Geräusche macht, wie unsere Kinder und Enkel wissen. Damit überhaupt jemand auf dem Smartphone rumklimpert, hat sie ihre halbwüchsige Tochter mitgebracht, die im Aufenthaltsraum sitzt und selbiges schon den ganzen Nachmittag tut. Wie viele Töpfe und Teller könnte man kaufen, wenn hier wie in manchen Herbergen üblich, nur abends mal jemand zum Erfassen der Personalien und zum Kassieren käme!
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Via de la Plata - Tag 35 |