Tag 6 (Di, 17.10.2023) Fátima / 5,1 km
8.00 Uhr. Heute werde ich mal einen Ruhetag einlegen müssen. Es gießt und stürmt und der Routenplaner blendet bei jedem Weg Unwetterwarnungen ein. Da der Karte nach zu urteilen die hier wegführenden Wege nicht besser sind, als die gestrigen, ist es wohl wirklich geraten, diese bei solchem Wetter zu meiden. Ich werde deshalb einen Tag in Fátima bleiben. Hier gibt es vermutlich noch eine Menge anzuschauen, was man auch bei üblem Wetter machen kann. Wenn ich loslaufe und in irgendeinem Kaff hängenbleibe, wäre das ein verschenkter Tag. Ich weiß nur noch nicht, ob ich im jetzigen Hotel bleibe, oder in ein anderes umziehe. Laut Booking.com sind hier einige mit 18-Euro-Zimmern frei. Für dieses Hotel sprechen der gemütliche Aufenthaltsraum und die gut eingerichtete Küche. Dafür ist aber das Zimmer eng und ungemütlich. Außerdem liegt es etwas abseits von Zentrum. Da hier keine Rezeption ist, müsste ich eh aus- und wieder einchecken und meinen Kram derweil durch die Gegend tragen. Da kann ich mir auch gleich ein Hotel näher am Zentrum suchen, zumal ich da einen der viel Waschsalons aufsuchen will bzw. muss.
13.00 Uhr. Es regnet heute ohne eine Pause, nur abwechselnd mäßig und heftig. Aber wenigstens hat der Sturm nachgelassen, der die ganze Nacht vor meinem Fenster geheult hatte. Für den war ich heute Morgen mit meinem Regenponcho ein gefundenes Fressen. Ohne Rucksack wäre ich vermutlich abgehoben. Ich bin um zehn aus meinem Hostel raus und in die Stadt gelaufen, wo ich etwas ziellos umhergeirrt bin. Da man eh noch nirgendwo einchecken konnte, habe ich es zunächst mit den Waschsalons probiert. Der erste war zu, aber wenige Meter weiter war der nächste. Da war zwar keiner drin, aber alle in Frage kommenden Maschinen drehten sich. Sinnvollerweise hat man in diesen Waschsalon einen Laden integriert, wo man Sachen ändern oder bügeln lassen kann. Es war also jemand in der Nähe, den man fragen konnte. Also, die kleinste Ladung ist 8 kg für 5€ plus 2€ für 12 Minuten Trocknen. Ein bisschen viel für meinen kleinen Wäschesack mit vielleicht 1 kg Inhalt. Da habe ich mir gedacht, dass ich am Nachmittag erstmal einchecke und sehe, ob es im Quartier eine Alternative gibt, oder sich jemand findet, mit dem man sich da rein teilen kann. Wenn nicht, dann muss ich allein die Investition tätigen. Nach dem Einchecken hätte ich dann aber die Möglichkeit, die gewaschene Wäsche im Zimmer auszubreiten, statt sie evtl. noch etwas klamm einpacken zu müssen.
Ich bin dann ins Santuário und habe mir dort nochmal alles angesehen. Ich finde die Anlage wirklich beeindruckend, selbst bei diesem traurigen Wetter. An der „Brennkammer“ für die Kerzen habe ich versucht, durch dichtes Herantreten meine nassen Hosen zu trocknen, aber mir war bange, dass sich die Flammen über meinen Poncho hermachen. Am Infostand habe ich nach einer Herbergsliste für den weiteren Weg gefragt. Diesbezüglich bin ich an die Touristeninfo verwiesen worden, allerdings konnte mir die Dame sagen, dass ich als Fußpilger gegen eine Spende im Besucherzentrum „Casa S. Bento de Labre“, nicht weit von der Basilika entfernt, übernachten kann. Dort bin ich hin, nachdem ich mir im Touristenbüro ein Prospekt zum Pilgerweg und den Link zu einer Webseite mit Adressangaben (vialusitana.org/en/albergues_eng) geholt habe. Dabei bin ich durch eine der ans Santuário angrenzenden Straßen und war erschrocken, wie viele Andenkenläden es da gibt. Marien­figuren bekommt man in allen Größen und Farben. Ein Schaufenster mit lauter pastell­farbenen Figuren hat mich stark an die früher so geliebten süßen Pfeffi-Varianten erinnert.
Ich bin dann gegen Dreiviertel eins zu der angegebenen Adresse, kaum hoffend, dass da schon Einlass ist. Aber die Tür stand offen und ein Schild verriet, dass ab 7 Uhr bis in die Nacht hinein der Empfang besetzt ist. Aber hinter der Tür war in einem kleinen Wartezimmer Schluss. Da habe ich es mir bequem gemacht. So nass wie ich inzwischen war, wollte ich nirgendwo mehr hin. Um halb zwei kam schließlich jemand, hat etwas umständlich und ohne ein Wort auf Englisch meine Personalien aufgenommen und mich zu meinem Quartier geführt. Es war leider nicht eines der Zimmer, die sich hinter den vielen Türen in einem Nebengebäude verbergen, sondern einer der beiden Schlafsäle im Untergeschoss eines vermeintlichen Verwaltungsgebäudes am letzten Ende des Grundstücks. Nun habe ich also mein Bett, ganz in der Art wie es in den Herbergen am Wegesrand üblich ist. Die Sanitär­anlagen sind top und großzügig bemessen. Und es gibt eine Küche mit mehreren Tischen, wo man sich was zum Essen bereiten kann. Was will ich mehr. Noch bin ich ganz allein. Es gab also noch keine Chance jemand zu finden, mit dem man sich eine Waschmaschine teilen kann. Na, der Waschsalon hat (glaube ich) bis 23 Uhr offen.
19.15 Uhr. Das Wetter ist ja deprimierend. Es hat den ganzen Tag nicht aufgehört zu regnen. Ich habe auch den Rest des Tages vertrödelt, hab‘ mir ein paar von den Geschäften angeschaut, in denen es nicht nur die kitschigen Figuren, sondern auch komplette Mess- und Priesterausstattungen gibt: Kelche, Messgewänder usw. und natürlich auch den passenden Messwein. Nur Weniges davon ist was fürs Auge. Aber die Touristen kaufen; im Bus muss man nichts für das Übergepäck bezahlen. Hotels gibt es hier wie Sand am Meer. Allein in der für mich interessanten U20-Preislage, das heißt unter 20 €, gibt es mindestens fünf. Meins von gestern taucht heute Abend aber nicht mehr auf - die haben am Vormittag den Preis auf 15 € runtergesetzt und sind offenbar alle Zimmer losgeworden. In dem Online-Herbergs­verzeichnis, das ich vorhin erwähnt habe, kann man übrigens sehen, dass man in vielen Orten bei der Freiwilligen Feuerwehr schlafen kann. Da steht eine Telefonnummer und wenn man Glück hat, geht einer ran und kommt dann mit dem Schlüssel. Raoul hat das in einem Ort hinter Lissabon gemacht. So ganz ohne Sprachkenntnisse ist das aber sicher schwierig. Ich will ja nicht durch falsches Vokabular beim Anruf bei der Feuerwehr einen Großalarm auslösen.
Für morgen Abend habe ich mir schon mal eine einfache Herberge reserviert, das heißt angerufen, ob geöffnet ist und meinen Namen hinterlassen. Das ist nicht verbindlich. Wenn sich unterwegs was anderes ergibt, würde ich da allerdings anstandshalber anrufen und absagen. Diese Herberge ist in Calvinos und liegt schon wieder auf dem ursprünglich gelaufenen Camino. Bis dort sind es 37 km. Ich werde ganz zeitig aufbrechen und werde dann sehen, welche Wege nach diesem Regen überhaupt passierbar sind. Ich werde nach Möglichkeit die Straße nehmen, wenn die nicht zu eng und zu sehr befahren ist. Ich kalkuliere aber schon mal ein, dass ich wahrscheinlich von den Autos von oben bis unten vollgespritzt werde. Die Wetterprognosen sind für morgen sehr widersprüchlich. Die Wetter-App meldet eigentlich erst für den späten Nachmittag Regen und in dieser Richtung gibt es auch keine Wetterwarnung. Ich werde sehen. Loslaufen werde ich auf jeden Fall. Heute habe ich keinen Kilometer geschafft und war trotzdem den ganzen Tag nass.

Camino Portugues Central - Tag 6