Tag 7 (Mi, 18.10.2023) Fátima - Calvinos / 37,3 km
Die heutige Tour reichte vom Dunklen bis ins Dunkle. Ich habe recht gut allein in meinem 17-Mann-Zimmer in Fátima geschlafen. Der Frauenschlafraum mit 22 Betten ist übrigens auch leer geblieben. Schade, denn das Drumherum war sehr großzügig bemessen, modern und ordentlich. Aber vielleicht soll das ein Geheimtipp bleiben. Nach einem ausgiebigen Früh­stück bin ich um sieben los. Da war es noch finster und es regnete. Eine halbe Stunde später, als ich aus der Stadt raus war, wurde es hell und etwa um acht hörte auch der Regen auf. Nun hieß es erstmal Sachenwechseln, denn das T-Shirt ist zwar unter Anorak und Regencape nicht von außen nass geworden, aber von innen, weil der Schweiß nicht wusste, wohin.
Da heute 34 km auf dem Programm standen und sicher viele Wege durchnässt waren, habe ich mich an die Routenempfehlung von Google Maps gehalten, statt irgendwelche schönen Wanderwege zu nehmen. Bis auf die letzten 10 Kilometer hieß dies, dass es ausschließlich entlang von mehr oder weniger stark befahrenen Landstraßen und ein Stück entlang der N 113 ging. Da musste man zwar stets auf der Lauer sein, ob man von den Entgegen­kommenden gesehen wird und ggf. selbst ins Bankett ausweichen. Es ging aber insgesamt ganz gut und zügig voran.
Nach etwa zwanzig Kilometern führte die Straße über eine Bahnlinie und an einem Bahnhof vorbei. Da sprach mich ein Tageswanderer auf Deutsch an, nachdem er mitbekommen hat, dass ich kein Einheimischer bin. Er wollte wissen, wo es in den Ort geht und ich konterte, welchen Ort er denn meine. Natürlich Fátima. Da konnte ich ihm sagen, dass er sich am nächsten Abzweig links halten soll. Wie weit ist es denn bis nach Fátima hinein? Da konnte ich dank Komoot exakt Auskunft geben: 20,1 km war ich auf kürzestem Wege von Fátima bis hier gelaufen. Da sind ihm die Gesichtszüge entgleist, aber er ist trotzdem in der ange­gebenen Richtung gelaufen. Während ich mich noch amüsiere, dass der am falschen Bahnhof ausgestiegen ist, sehe ich, dass an beiden Giebeln des Bahnhofs „Fátima“ steht. Ebenso auf den Bahnsteigschildern, dort jedoch unter Zusatz des Ortsnamens der paar Häuser gegenüber dem Bahnhof: „Chão de Maças - Fátima“. Das ist ja ein Unding. Das ist zwar sicher von Fatima aus gesehen der nächstgelegene Bahnhof, aber ihm deshalb den Namen „Fátima“ zu geben, wenn er 20 km weg liegt und (sofern ich das erkennen konnte) auch kein Shuttlebus fährt, ist schon ziemlich dreist. Da könnte man auch den Schiffsanleger in Köpenick „Mehrow“ nennen, da er von uns aus der nächstgelegene ist.
Ein paar Kilometer weiter, hinter der Autobahnauffahrt führte der vorgeschlagene Weg links von der Straße weg auf einem gewalzten Schotterweg in die Berge. Hier gab es nur ganz selten Häuser oder ganze Orte. Die einzeln stehenden Gehöfte sind alle verlassen und auch in den kleinen Dörfern stehen viele Häuser leer und verfallen. Irgendwann gabelte sich dann der Weg in zwei etwa gleich lange Varianten nach Calvinos. Beide führen erst hoch auf eine Bergkette und dann runter zum Flüsschen Nabaõ - leider auf der anderen Seite wieder hoch … Da zwischen den Flussquerungen der beiden Wege in der Karte so viele Fotoapparate eingezeichnet sind, habe ich mich entschlossen, mal einen touristischen Exkurs einzufügen und ab der Brücke des einen Weges die ca. 2 km bis zur Brücke des anderen Weges entlang des Flusses zu laufen und ab da den zweiten Weg zu nehmen. Es gab auch wirklich schöne Flecken zu sehen, darunter Badestellen an ehemaligen Mühlenstandorten, weil da das Wasser aufgestaut wurde. Aber der Weg ging keineswegs direkt am Fluss auf dessen Höhe entlang, sondern ein Stück entfernt immer hoch und runter. Zum Wasser runter musste man immer fragwürdige Abzweige nehmen. Ich habe auch mal einen Abzweig in der anderen Richtung genommen, weil da 100 m entfernt eine Höhle angezeigt wurde. 70 m bin ich auf einem sehr steilen Schotterweg hoch, dann habe ich gesehen, dass man den Rest über im Matsch stehende Felsen klettern muss. Das hat mir die Lust daran genommen.
Weil es hinter dem Fluss bis zum Zielort keine Einkaufsmöglichkeit gibt, habe ich noch einen kurzen Abstecher nach Pedreira gemacht - nicht bis in den Ort hinein, sondern zum ersten in der Karte vermerkten Laden. Der sollte gleich in der ersten Querstraße sein. Da waren aber nur Einfamilienhäuser mit Vorgärten. Ich wollte schon umdrehen, aber dann habe ich vor einem der Häuser zwei Männer mit einer Bierflasche in der Hand entdeckt und beim Näherkommen auch noch eine Tafel mit Eis-Reklame gesehen. Und tatsächlich gelangte man dort durch einen Vorhang in einen richtig gut sortierten Dorfkonsum, wo man als Einheimischer sogar anschreiben lassen kann. Ich habe da zusammengesucht, was ich zum Abendbrot und Frühstück brauchen könnte. Als ich bezahlen wollte, hat die Dame an der Kasse noch was mit dem Bleistift hinzugefügt. Wie ich auf Nachfrage erfahren habe, war das Flaschenpfand. Sowas hatte ich noch nie in Spanien oder Portugal. Da ist normalerweise nichts mit Pfand. 45 Cent pro Flasche fand ich dann auch noch ziemlich heftig. Eine Kundin, die gut Englisch sprach, hat mir erklärt, dass dies bei vielen Einzelhändlern üblich sei, damit die Flaschen zurückkommen und sie die Kästen loswerden. Auf meine Frage nach Büchsen hat mir die Kundin erklärt, dass da kein Pfand drauf ist, weil die ja auf den Müll sollen. Also bin ich erstmal auf der Suche nach Büchsen zurück zum Kühlschrank, in dem aber keine waren. Die Ladenbesitzerin hat dann aber freundlicherweise eine Stiege unterm Regal hervorvorgezaubert und ich konnte meine Flaschen in Büchsen umtauschen, was mir des Transportes wegen eh viel lieber war. Also üppigen Pfand gespart!
Mit meinen Einkäufen im Gepäck ging es runter zum Fluss, über die Brücke und auf der anderen Seite wieder hoch. Das Gleiche ein Stück weiter bei einbrechender Dämmerung: 600 m mit 10% runter und dann mit 10% wieder hoch. Dann stand ich aber auch schon vor der Herberge: Ein Haus mit drei großen Fenstern, das sicher mal die Schule war. Da hat man einen modernen, nach vorn verglasten Neubau angesetzt, in dem die Küche und die Bäder sind. Es brannte Licht. Am Tisch saß ein holländisches Paar (Hans und Linda), die sich gleich entschuldigt haben, dass sie gerade eine Flasche Wein gelehrt haben. Ihrer Gestik und Aussprache zufolge war es keine Piccolo-Flasche. Als vierter ist hier noch ein großer, halbwegs junger Mann mit rotem Bart und roten Haaren, dem Augenschein nach ein Ire. Die Holländer meinten aber, es wäre ein Russe. Da ich seinen (englisch klingenden) Namen nicht verstanden habe und mehr aus ihm nicht herauszulocken war, muss ich die Herkunft hier offen lassen.

Camino Portugues Central - Tag 7