Tag 14 (Mi, 25.10.2023) Branca - Airas / 29,1 km
13.30 Uhr. Ich sitze in einem unscheinbaren Dorf in einer Kneipe am Straßenrand, um mal für ein paar Minuten dem Regen zu entfliehen, der seit zwei Stunden runterkommt. Davor war es aber keinesfalls trocken, denn die Wolken reichen hier fast bis zum Boden und damit ist die Luft mehr als feucht und der Pullover war ziemlich schnell nass. Aber ich habe wenigstens die letzte Nacht nach einem wohltuenden Wannenbad hervorragend geschlafen und bin erst kurz vor der vereinbarten Frühstückszeit (7.30 Uhr) durch Geklapper in der Küche aufgewacht. Paolo hatte uns ein gutes Frühstück bereitet. Während Björn sich an die Quittenmarmelade gehalten hat, habe ich mir die Toastbrote mit Schinken und Käse belegt und mit großem Appetit die gekochten Eier gegessen. Wir haben uns mit einem netten Gästebucheintrag und einer gut bemessenen Spende für die gezeigte Gastfreundschaft bedankt. Paolo hat gestern auch noch viel über die wirtschaftliche Situation erzählt, da Björn ihn wegen der vielen leer stehenden Häuser befragte. Leider habe ich mit meinem miserablen Englisch nicht alles verstanden, aber Björn hat mir manches übersetzt. Ein Problem sind wohl die in der ganzen Welt verstreuten Erben, was beim Tod eines Hausbesitzers Probleme beim Verkauf bereitet. Dem will man laut Paolo mit speziellen Steuern für leer stehende Häuser begegnen. Ich habe mich inzwischen belesen und erfahren, dass die Kommunen leer stehende Wohnungen zwangsvermieten können. Wenn der Besitzer nicht auf ein Mietangebot der Gemeinde eingeht, kann diese die Wohnung übernehmen, renovieren und zu sozialverträglichen Preisen vermieten. Die eingenommene Miete abzüglich Renovierungskosten bekommt aber der Eigentümer. Der wird also nicht enteignet, sondern nur gezwungen, zu vernünftigen Preisen zu vermieten. Bei der Gelegenheit habe ich gelesen, dass der Mindestlohn 760€ monatlich beträgt und die Hälfte der portugiesischen Arbeitnehmer ein Einkommen unter 1000€ hat. Das erklärt hier Vieles.
Zur letzten Unterkunft wäre noch nachzutragen, dass „Casa Católica“ keine katholische Herberge ist, sondern nach dem Besitzer benannt wurde, der mit Nachnamen „Católica“ heißt. Und dass Paolo kein frommer Padre ist, sieht man vielleicht auf den Bildern. Der ist eigentlich Designer und hatte eine Firma mit 7 Angestellten, die für verschiedene euro­päische Firmen leicht montierbare Möbel entworfen hat. Er hat sich vor fünf Jahren von seiner Schwester überreden lassen, einen Camino zu gehen, hat seinen Mitarbeitern vier Wochen frei gegeben (!) und sich auf den Weg gegeben. Der Camino hat ihn so verändert, dass er nach seiner Rückkehr die Firma aufgegeben und sich in den Dienst für die Pilger gestellt hat. Tolle Geschichte.
Das Wetter ist heute im Laufe des Tages nicht wirklich besser geworden. Gegen drei hörte zwar der starke Regen auf, aber es war so neblig und feucht, dass das Laufen keinen Spaß gemacht hat. Man konnte bei dem Nebel kaum die Markierungen an den Strommasten erkennen und laufend musste man aufpassen, dass man nicht gerade neben einer Pfütze steht, wenn ein Auto kommt. Vor allem auf den letzten Kilometern, die entlang der unheimlich stark befahrenen N1 führten. Der Boden kann hier längst nicht mehr den vielen Regen aufnehmen und selbst auf gepflasterten Straßen, wo das Wasser versickern sollte, stehen große Pfützen. In einem Ort hat man gerade die Hauptstraße ganz neu gemacht und ist dabei, Parktaschen anzulegen, natürlich gepflastert, damit das Wasser versickern kann. Da liegen die Steine in einem zehn Zentimeter hohen See. Da versickert schon vor dem Pflastern nichts mehr.
Heute gab es, vor allem auf dem Weg durch die beiden etwas größeren Städte Oliveira de Azeméis und São João da Madeira, vieles zu sehen, was ein Foto wert gewesen wäre - nicht immer der Schönheit wegen. Aber bei diesem Wetter habe ich mich kaum mal getraut, das Smartphone herauszuholen. Das bedarf eh einer fachmännischen Behandlung. Die Schutzfolien auf dem Display löst sich langsam an den Ecken ab. Ich habe das für einen hinnehmbaren Schönheitsfehler gehalten, bis ich heute feststellen musste, dass an den Stellen mit loser Folie die Sensorik nicht mehr funktioniert. Da zum Beispiel bei WhatsApp nichts mehr passiert, wenn ich oben links auf den Rückwärts-Pfeil klicke, muss ich des Smartphone jetzt immer drehen, damit der Pfeil an einer anderen Stelle ist, wenn ich aus einem Chat raus will. Da muss ich morgen unbedingt in Porto in einen Telefonladen, um eine neue Folie aufziehen zu lassen.
Um sechs bin ich heute in meiner Unterkunft in Aires angekommen. Kein wirklich nobles Quartier, aber mit Bettwäsche und Handtüchern für 15€ ist das ok. Björn war schon eine ganze Weile vor mir da. Er will morgen, wenn es wieder regnet (was absehbar ist) mit dem Bus nach Porto. Das kommt für mich nicht in Frage. So lange es keine Steine regnet, werde ich laufen.
Wir haben gerade in unserer Unterkunft zu Abend gegessen: ein dick mit Schinken, Käse und Würsten belegtes Sandwich, darauf ein Spiegelei und darüber eine sehr schmackhafte, würzige Soße, deren Bestandteile unter anderem aus dem Zapfhahn und aus zwei Schnapsflaschen stammen. Dazu noch eine Schale sehr gut gelungener Fritten, mit denen man die köstliche Soße bis zum letzten Tropfen aufsaugen kann. Ich bin mehr als satt geworden. Und das Ganze zusammen mit einem Kaffee und zwei großen Bieren für 12,50€.
So, inzwischen ist das Championsleague-Spiel Antwerpen-Porto vorbei. Antwerpen hat 1:0 geführt und dann 1:4 verloren. Die paar Gäste in Restaurant waren darüber sehr erfreut.

Camino Portugues Central - Tag 14