Tag 15 (Do, 26.10.2023) Airas - Porto / 27,8 km
Mein Smartphone spielt ein bisschen verrückt. Als ich heute früh auf dem Klo sitzend meine Nachrichten checke, macht es einen Schnelldurchlauf durch alle Apps und schließlich eine Video-Schalte zu meiner Schwägerin. Ich hoffe ich habe bei der Aktion nicht versehentlich irgendwelche Immobilienkäufe getätigt. Wachgeworden bin ich heute durch den prasselnden Regen und den Sturm, der ums Haus fegte. In dem kleinen Park vor der Pension waren riesige Pfützen und viele abgerissene Äste lagen rum. Um zwecks Frühstück die zehn Meter über den Hof zur Gaststätte zurücklegen zu können, mussten wir nochmal zurück aufs Zimmer, um unsere Regencapes zu holen. Das Wasser kam wie aus Kannen runter. Aber als wir beim Kaffee saßen, war plötzlich Schluss. Ich bin schnell los und habe vielleicht zwei Kilometer geschafft, bis der nächste Regenguss kam. Da konnte ich mich zum Glück in einem Hauseingang unterstellen. Als der Regen etwas nachließ, bin ich weiter, aber nicht weit gekommen, weil die Straße zu hoch unter Wasser stand. Aus den Gullys kam mehr Wasser raus, als darin verschwand. Und es kam ein Auto nach dem anderen. Ich glaube, heute haben sich auch alle ins Auto gesetzt, die eigentlich nicht raus mussten - nur, um durch die Pfützen zu donnern und zu testen, wer am höchsten und weitesten spritzen kann. Bei uns nennt man das „eine Spritztour machen“.
Inzwischen (kurz vor 12 Uhr) hat sich der Regen auf ein normales Maß eingependelt. Ich habe eine Kaffeepause gemacht und werde gleich wieder losziehen. Ich bin kurz vor Grijo, von dort sind es nur noch 15 km bis Porto.
21.00 Uhr. Etwa zehn Kilometer vor Porto hörte doch tatsächlich der Regen auf und es kam etwas blauer Himmel zum Vorschein, zeitweise zeigte sich sogar die Sonne. Da hätte eigentlich richtige Wanderlust aufkommen müssen, aber ich habe mir da auf Kopfstein­pflaster etwas den Fuß verstaucht und bin den Rest der Strecke gehumpelt. Irgendwie ging es aber, zumal der teilweise über felsigen Grund führende Weg bald in einen glatten Fußweg überging.
Aufmunterung brachte der Blick aufs Meer, der plötzlich mal über die Häuser hinweg möglich war. Die Häuser links und rechts wurden dann höher und plötzlich war da auch die Straßenbahn, die sich hier Metro nennt, da sie im Zentrum von Porto unterirdisch fährt. Auf der langen, geraden Straße, welche direkt auf das hinter der großen eisernen Brücke befindliche Stadtzentrum zuläuft, hat sie ein eigenes Gleisbett in der Straßenmitte.
Nach einem ganzen Stück durch die geschäftige Straße war plötzlich Schluss für die Autos und auf den letzten Metern bis zur Brücke war die ganze Straßenbreite den Fußgängern vorbehalten, welche die Fläche auch gut ausfüllten. Es sind Unmengen an Touristen unterwegs und ein Gang über die Brücke und zurück ist ein Muss. Kurz vor der Brücke erhebt sich rechts eine Aussicht mit einem Monument über der Stadt, das der guten Fernsicht wegen von vielen Touristen aufgesucht wird. Auf der Brücke war ein ziemliches Gedrängel, da verständlicherweise immer wieder Leute hielten und ihre Fotoapparate oder Smartphones rüber auf das Stadtzentrum oder runter auf die Häuser und die Flaniermeile am Fluss richteten - vorzugsweise mit dem eigenen Kopf im Vordergrund. Da es auf beiden Seiten herrliche Ausblicke gab, ging es immer hin und her. Und auch der Blick von der Brückenmitte nach vorn und hinten war Fotos wert. Die Metro kann hier nur im Schritttempo und unter permanentem Gebimmel fahren. Und auch das vertreibt nicht die Passanten, die sich todesmutig aufs Gleis stellen und eines eindrucksvollen Videos wegen erst zur Seite springen, wenn sie die herannahende Bahn bildfüllend „im Kasten“ haben.
Im Zentrum kam mir vieles vertraut vor, denn ich bin ja vor einem Jahr von hier auf den Portugiesischen Küstenweg gestartet. Ich habe von unterwegs auch wieder in der gleichen Unterkunft, im „Change the World“-Hostel reserviert, das mitten in der größten Fußgänger­zone liegt. Björn hat da auch eingecheckt und mich schon erwartet, als ich halb sechs eintraf. Er wollte ja des permanenten Regens wegen den Bus nach Porto nehmen und ist schließlich mit dem Taxi gefahren, da nicht so leicht zu ergründen war, wann und wo ein passender Bus fährt. Wie in Spanien hängen hier keinerlei Fahrpläne und nicht einmal Hinweise auf das Fahrtziel in den Haltestellen.
Wir hatten schon tagsüber per WhatsApp verabredet, zusammen einen Waschsalon aufzusuchen. Ich habe deshalb nur meinen Rucksack am zugewiesenen Bett abgestellt und alles zusammengeklaubt, was ich an Wäsche habe. Jeder mit einem großen Bündel in der Hand sind wir dann zum nächstgelegenen Waschsalon spaziert, haben dort zusammen eine Maschine bestückt und uns die Wartezeit gegenüber in einer Kneipe vertrieben. Nach dem Umlagern der Wäsche in den Trockner hat Björn da Wache geschoben und ich bin in einen Telefonladen und habe mir die Schutzfolie wechseln lassen, die zuletzt zu Fehlfunktionen und kuriosen Aktivitäten des Smartphones führte. Da in Südländern immer gehandelt wird, habe ich die acht Euro für den Folientausch auf sechs runter gehandelt und bin trotzdem bestens bedient worden. In einer Paderia, also einer Backstube, haben wir als Abendbrot große Teigtaschen mit herzhafter Füllung verspeist und dabei festgestellt, dass hier in der Großstadt in den etwas besseren Etablissements durchaus das bei uns übliche Preisniveau herrscht. Bei diesen vielen Touristen findet sich immer jemand, der nicht vorher alle Preisschilder studiert und die Speisekarten vergleicht.
Da meinem Fuß das zwischenzeitliche Sitzen gar nicht so gefallen hat wie gedacht, bin ich dann nur noch mit Björn ins Hostel gehumpelt, statt noch um die Häuser zu ziehen.

Camino Portugues Central - Tag 15