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Unterwegs auf der Via del Estrecho / Via Augusta von Gibraltar nach Santiago | ![]() |
Tag 1 (Mi, 13.11.2024) Unterwegs in Gibraltar / 25,3 km
Man soll Pensionen wie Menschen nicht nach dem Äußeren beurteilen. Ich habe diese Nacht für meine Verhältnisse hervorragend geschlafen. Allerdings war bis Mitternacht vor dem Fenster noch Lärm, weil im Nachbarhaus eine Kneipe ist. Da war es angebracht, das Fenster erst nach dem nächtlichen Klogang weit aufzureißen. Hinreichend warm ist es hier auch nachts.
Ich hatte mir heute den Wecker auf 7 Uhr gestellt und war dann doch schon vor sechs Uhr wach. Da hier in Spanien der Tag nicht so früh beginnt, habe ich mich noch ein paar Mal gedreht und beim Anziehen getrödelt. Um dreiviertel Sieben bin ich los und habe hier am zentralen Platz sogar eine schon offene Kneipe gefunden, in der ich einen Café con Leche und Toastbrot mit Olivenöl und Tomate bekommen habe. Als ich 7.20 Uhr an der Grenze war, habe ich gestaunt, wie viele Pendler von Spanien nach Gibraltar dort anstanden, überwiegend mit Fahrrad oder Elektroroller. Damit darf man nämlich wie die Fußgänger quer über die Landebahn, wenn gerade kein Flugzeug kommt. In Gibraltar war um acht das Leben schon in vollem Gange. Ich bin, den Wegweisern für Fußgänger folgend, vorbei am World Trade Center und anderen schicken Bürogebäuden bis zum „Grand Casemates Gate“, einem der Tore im historischen Befestigungsring der Stadt. Der dahinter befindliche Platz gleichen Namens ist umgeben von Gaststätten und vollgestellt mit Tischen und Stühlen, die zu dieser Zeit natürlich noch leer waren. An der Südseite des Platzes beginnt die Main Street, eine ganz nette Fußgängerzone, die lückenlos auf beiden Seiten mit Geschäften und Gaststätten bestückt und bereits von (noch dunkler) Weihnachtsdekoration überspannt ist. Viele Geschäfte haben da schon um acht geöffnet, es war also schon ein wenig Betrieb. Die Straße kann auch mit einer Kathedrale aufwarten, der „Cathedral of St. Mary the Crowned“, deren Tür nicht richtig verschlossen war, so dass ich da mal einen Blick reinwerfen konnte. Aber weder dort, noch in der nahe gelegenen zweiten Kathedrale, der „Cathedral of the Holy Trinity“, war ein Pilgerstempel zu finden. Ich wollte doch gern als Erstes einen Stempel von Gibraltar im Pilgerpass haben, weshalb ich mir gestern in der Pension keinen habe geben lassen. Den Wegweisern folgend bin ich durch mehr oder weniger schöne Wohngebiete und vorbei an unzähligen Baustellen neuer Häuser zur Kirche „Shrine of our Lady of Europe“ dicht an der Südspitze Gibraltars. Die ist mal vor ein paar Jahrzehnten modern gewesen, aber jetzt nicht mehr sehr beeindruckend. Außerdem war sie zu. Die macht erst um 10 Uhr auf. So lange wollte ich nicht warten. Es war ja erst um neun. Da bin ich in den nahe gelegene „Europa Point Campus“ der Universität von Gibraltar und habe mir dort meinen ersten Stempel geholt. Weiter südlich hätte es nichts mehr gegeben, denn da kommen nur noch eine Kanonenstellung, ein Hotel und der Leuchtturm an der Südspitze, der die Straße von Gibraltar im Norden begrenzt. Es war zwar noch diesig, aber man konnte trotzdem gut die Berge sehen, die auf afrikanischer Seite den „Straßenrand“ bilden. Unweit des Europa-Points, wie die Freifläche neben dem Europa Sports Park heißt, steht auch noch eine Moschee, die mit einem stattlichen Minarett aufwarten kann. Die strahlt in Weiß und Gold, ist aber wegen der noch laufenden Bemalung leider geschlossen. Mit der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten hatte ich bis hier leider nicht viel Glück. Aber als Höhepunkt meiner Tour hatte ich mir auch was anderes ausgesucht: Die „Mediterranean Steps“ - ein etwas abenteuerlicher Weg, der an der steilen Felswand bis hoch auf den Felsen führt. Das tschechische Kartenprogramm Mapy, das zu meinem Favoriten aufgestiegen ist, da es europaweit die Jakobswege und eine Vielzahl regionaler Wanderwege zeigt, kann auch mit den „Mediterranean Steps“ aufwarten. Der Weg sieht auf der Karte schon mal ganz nett aus. und bei flüchtigem Hinsehen könnte man meinen, dass man vom Europa Point da ganz leicht hinkommt. Aber bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass es da keinen Zugang gibt und zwischen Straßen, die dicht nebeneinander verlaufen, findet man mitunter eine steile Felswand. Der nächstgelegene Zugang ist am Jewish Gate, das wohl wegen dem nahen jüdischen Friedhof so heißt. Es ist eines der Tore zum Nationalpark, der den gesamten Felsen umschließt und für den man 19 Pfund Eintritt zu bezahlen hat. Um zu dem Tor zu gelangen, muss man die Europa Road ein ganzes Stück in Richtung Altstadt zurücklaufen und dann nach rechts abbiegen. Nach Umrundung eines hoch auf einem Felssockel thronenden mehrstöckigen Hauses mit Glasfassade kommt man an einem Militärgelände vorbei (wo gerade lautstarke Schießübungen stattfanden) und sieht plötzlich rechts ein Friedhofsgelände, auf dem die langen flachen Grabsteine alle auf der Erde liegen, ziemlich dicht aneinander. Darüber führen stählerne Laufstege und Brücken hinweg, die auch mal einen alten knochigen Baum umrunden. Wie bei einem Baumgipfelpfad kann man da alles Darunterliegende gut inspizieren. Ich bin nicht alles abgelaufen, sondern nach einer kleinen Runde zum schräg gegenüber liegenden Kassenhäuschen, wo ich meine am Abend zuvor gemachte Online-Buchung vorgezeigt habe und dafür ein Armband bekommen hat, das einen Tag lang Zutritt zum Nationalpark und ein paar Sehenswürdigkeiten gewährt. Gut hinter dem Kassenhäuschen versteckt befindet sich übrigens das Denkmal „Die Säulen des Herkules“, das man mitunter in Publikationen zu Gibraltar sieht. Gegenüber der Kasse führt eine Stiege an einer Vogelstation vorbei zum Wanderweg „Mediterranean Steps“, was auch groß an besagter Station steht. Die Vogelschützer haben wohl eine bestimmte, recht hübsche braune Taubenart im Visier, die man auf dem Weg immer mal sieht und auf die an den Straßen im Nationalpark mit speziellen Verkehrsschildern hingewiesen wird. Der Weg, der (nicht zu Unrecht) als „herausfordernd“ ausgewiesen wird, führt zunächst recht moderat um die Südseite des Felsens herum auf die dem Mittelmeer zugewandte Flanke. Man würde nicht vermuten, dass es dort eine Aufstiegsmöglichkeit gibt, da sich der Felsen fast senkrecht aus dem Meer erhebt. Aber er ist zum Teil begrünt und hinter den immergrünen, mitunter kaktusähnlichen Gewächsen führt der Weg bergan - aber nicht so, dass man nicht nach unten schauen kann. Damit einem leicht übel wird, kann man an vielen Stellen tief nach unten blicken und wenn es mal ein Mäuerchen gibt, dann ist das kniehoch. Nur an heiklen Stellen und da, wo es im Zickzack steil nach oben geht, sind Geländer mit Seilen. Dafür sind die Stufen so hoch, dass man beim Hochsteigen ordentlich ins Schwitzen kommt. Am Wegesrand finden sich immer mal wieder alte Beobachtungsposten und Reste von Kanonenstellungen, auch zwei Höhlen, die zum „Boofen“ einladen, gibt es zu sehen. Und wenn man, was angeraten ist, immer schön nach unten auf den Weg schaut, dann steht man plötzlich auf einem Rastplatz, der wie ein Balkon am Felsen klebt und an dem es nicht weiter geht. Fünfzig Meter vorher bog der Weg scharf nach links ab, was man aber nur richtig sehen kann, wenn man aus der Sackgasse zurückkommt. Von besagtem Rastplatz hat man aber einen grandiosen Blick auf den für Besucher unzugänglichen Nordgipfel des Felsens mit der Radarstation und auf das große Geröllfeld, das hier bis zur Uferstraße reicht. Am Ufer sieht man den Badestrand mit seiner noblen Bebauung und dahinter ein paar schlanke Hochhäuser, die eigentlich hoch aufragen, aber neben dem Felsen mickrig aussehen. Das letzte Stück führt in ganz scharfen Kehren steil bergauf und auf dem Grat angekommen, findet man sich zwischen sorgfältig eingezäunten Militäranlagen wieder. Rechts diverse, offenbar nicht mehr benutzte Antennen und links ein großes, drehbares Geschütz, das vermutlich aus dem 2. Weltkrieg stammt. Hinter dem Grat geht es ein paar Meter runter zu einer Straße, die zur O‘Haras Battery führt. Da ich da praktisch schon vorm Tor stand und der Posten mich durchgewinkt hat, weil er nicht so recht wusste, ob die 5 Pfund Eintritt bei meinem Ticket schon dabei sind, habe ich mir das nicht sehr große Gelände angeschaut. In miteinander durch Tunnel verbundenen Räumen kann man sich da diverse Gerätschaften, sowie die die Elektrizitäts- und die Pumpstation anschauen. Alles sehr gepflegt und gut hergerichtet. An der äußersten Spitze steht dann noch so eine Kanone wie die beim Aufstieg gesehene. Da kann man in den Unterbau klettern und sich den Drehmechanismus anschauen und bestaunen, was man alles braucht, um die schweren Granaten bis hoch ins Rohr zu befördern. Auf den Mauern ringsum habe ich dann auch die ersten Affen aus der Nähe zu sehen bekommen, die aber ziemlich gelangweilt taten. An anderer Stelle wimmelt es nicht nur an Affen, sondern da machen die auch ihre Spielchen mit Besuchern und Autos. Den Touristen zuliebe werden die da aber auch mit üppigen Futterportionen hingelockt. Das ist zum Beispiel beim Skywalk der Fall. Da hat man einen gläsernen Aussichtspunkt hingesetzt, der von einem gläsernen Balkon umgeben ist, durch dessen Boden man theoretisch nach unten schauen kann. Viel war da aber nicht zu sehen. Da standen ein paar Kleinbusse, die offenbar Touristen dort hoch geschafft haben. Auf denen kletterten die Affen herum und langten auch mal durchs offene Fenster. Und auch auf bzw. am Weg lungerten sie herum. Hinter einem Mäuerchen war dann zu sehen, welch üppiges Mahl den Affen bereitet wurde, damit sie sich gerade hier tummeln. Die nächste Station meiner Felsentour war die Bergstation der Seilbahn. Da gibt es ein teures Selbstbedienungsrestaurant, einen kaum beachteten Souvenirstand und ein paar Aussichtsterrassen, von denen man einen guten Blick auf beide Seiten des Felsens hat. Die Stadtseite mit dem Hafen ist natürlich auch sehr sehenswert. Die Altstadt, die sich ein Stück den Berg hochzieht, hat überwiegend flache Bebauung mit verschlungenen Straßen. Am Ufer dominieren dafür hohe Wohnbauten, die teilweise so dicht stehen wie die Hinterhäuser Berliner Mietskasernen. Und ich möchte nicht wissen, was man da für eine Wohnung bezahlt. Lange konnte man sich dieses Anblicks aber nicht erfreuen, denn plötzlich zogen die schwarzen Wolken, die sich am anderen Ufer der Bucht über den Bergen hinter Algeciras gesammelt hatten, über das Wasser und hüllten den Felsen ein. Kurz darauf begann es zu schütten. Ich hatte dummerweise die Bergstation schon hinter mir gelassen und musste jetzt schnell Unterschlupf suchen. Den fand ich auf einer Baustelle, wo ich mich unter einem Vordach unterstellen konnte. Ein Mann kam, um zu schauen, was ich da mache, hat mich aber nicht verjagt. Als der Regen stärker wurde und nicht mehr nur von oben kam, hat mich ein anderer Mann in einen Raum geholt, in dem ein paar Bauarbeiter Schutz gefunden hatten. Während es draußen prasselte, schauten sie sich drinnen auf den Smartphones schauerliche Videos von überschwemmten Städten an. Ich habe nur bei einem verstanden, dass es von Menorca stammte. In Malaga, wo ich am Tag zuvor angekommen bin, soll es laut Nachrichten, die ich von zuhause bekommen habe, auch Überschwemmungen gegeben haben. Davor hat man auch in der Wetter-App gewarnt und für Mittwoch früh eine „Schwere Regenwarnung“ herausgegeben. Genannt war da der Rio Guadalhorce zwischen Flughafen und Stadt. Für Gibraltar hatte die App ohne besondere Warnung 60% Regenwahrscheinlichkeit für den Nachmittag angesagt, weshalb ich meine Felsentour unbedingt noch am Vormittag abschließen wollte. Nach einer halben Stunde war der Regen erstmal vorbei. Ich bin weiter auf der Straße runter zur Princess Caroline‘s Battery, einem Geschützstand, an dem es aber nicht viel zu sehen gibt. Von dort wollte ich eigentlich zu den „Great Siege Tunnels“, die während der spanischen Belagerung Gibraltars in den Felsen getrieben wurden. Da es wieder zu regnen begann, bin ich aber umgekehrt und habe in einer kleinen alten Festung an einer Kehre der Willis Road Unterschlupf gesucht. Da hat man eine Ausstellung aufgebaut, die ebenfalls der Belagerung gewidmet ist und unter anderem mit lebensgroßen Figuren Szenen aus dieser Zeit darstellt. Im einzigen offenen Haus konnte man sich setzen, wenn man den Schreck überwunden hat, dass da ein Offizier mit Säbel in der Hand hinter der Tür lauert. Es waren zwei Bänke und ein großer Fernseher aufgebaut, auf dem in Endlosschleife ein Film über diese Zeit lief. Da konnte man gut abwarten, bis der von Gewitter begleitete Regen abgezogen war. Das Donnern klang übrigens in den Festungsmauern, als wäre es Gefechtslärm. Als auch dieser Regenguss vorbei war, klarte der Himmel wieder auf und die Details der immer noch unter mir liegenden Stadt waren jetzt viel deutlicher auszumachen als in der fast schwülen Luft des Vormittags. Auf dem Weg weiter runter stand ich plötzlich vor einem großen Tunneleingang und Tafeln, die zum Besuch einluden. Drinnen gab es endlos lange Gänge zu sehen, die teilweise zu Hallen erweitert waren, in denen man im Zweiten Weltkrieg Wellblechbaracken zur Unterbringung von Soldaten, Verletzten und für die Zivilbevölkerung bei Luftangriffen eingerichtet hat. Einer der zu besichtigenden Tunnel hatte sogar auf der nördlichen Felswand einen „Balkon“ mit durch Mauern geschützten Zugängen, von dem sich ein grandioser Blick auf den Flughafen und die dahinter liegende Stadt La Linea bot. In einer Ausstellung zum Tunnelbau konnte man erfahren, dass die Briten während des Zweiten Weltkrieges insgesamt 45 Kilometer Tunnel in den Fels getrieben haben. Mit dem dabei anfallenden Gestein hat man übrigens die Rollbahn des damals sehr wichtigen Flughafens ins Meer hinein verlängert. Kurz bevor beim Abstieg die ersten Häuser der Stadt erreicht sind, ragt ein dicker, mehrstöckiger, mittelalterlicher Turm aus der Landschaft, der Teil einer mittelalterlichen Stadtbefestigung ist und besichtigt werden kann. Das hatte ich auch vor, habe ich mir aber für halb vier vorgenommen, denn da sollte laut „Flightradar24“ der letzte Flieger des Tages landen und von da oben konnte man die Landebahn gut einsehen. In der Zwischenzeit wollte ich mir was zu essen und zu trinken besorgen, aber in den Wohngebieten am Berghang war keine Einkaufsmöglichkeit zu finden. Da hätte man die lange Stiege hinunter in die Stadt nehmen müssen. Ich bin dann also hungrig und durstig auf den Turm gestiegen, um mir die Landung der aus London kommenden A 320 der britischen Fluggesellschaft „oneworld“ anzuschauen. Leider hatte der Wind gegenüber dem Vortag gedreht, so dass man den Anflug nicht sehen konnte. Plötzlich kam die Maschine knapp über der Landebahn hinter dem Felsen hervor und setzte auf. Zum Ausrollen hat sie längst nicht die ganze Landebahn gebraucht, die mit 1800 Metern zu den kürzesten zählt. Ich bin dann noch bis etwa um sechs durch die Stadt gelaufen und habe dabei ein paar interessante Ecken entdeckt. Erst nach sechs wurde es nach einem eindrucksvollen Sonnenuntergang hinter den Häusern langsam dunkel. Bei meinem lang ersehnten Picknick nahe der Landebahn konnte ich nochmal den Felsen studieren und sehen, dass dessen landseitige Wand eine Vielzahl an Öffnungen aufweist, aus denen heraus mit größeren Waffen geschossen werden konnte. Sowas möchte man nicht miterleben. Einschließlich einer kleinen Runde durch La Linea standen abends fast 30 Kilometer brutto, d. h. mit allen gewollten und ungewollten Abstechern, auf dem Kilometerzähler. Das war ein wirklich erlebnisreicher Tag. |
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Via del Estrecho / Via Augusta - Tag 1 | ![]() |
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