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Unterwegs auf der Via del Estrecho / Via Augusta von Gibraltar nach Santiago | ![]() |
Tag 4 (Sa, 16.11.2024) Von Tarifa nach Zahara de los Atunes / 33,2 km
Ich habe mir in Tarifa das 4-Bett-Zimmer nur mit einem Mitschläfer teilen müssen: Victor aus Bordeaux, der mit dem Fahrrad in der Bretagne gestartet ist und u. a. dem Camino del Norte und den Camino Portugues abgefahren ist. Der hatte schon 5800 km auf dem Kilometerzähler. Von Tarifa geht es irgendwie per Bus heimwärts. In den verbleibenden Tagen will er aber noch in Marokko rumradeln. Ich hatte am Tag zuvor schon 5…6 Radler gesehen, die auf die Fähre nach Tanger sind. Das Radeln in Afrika scheint beliebt zu sein.
Apropos Marokko: Auf dem Weg nach Tarifa hat mir mein Smartphone plötzlich verkündet „Willkommen in Marokko“ und die geltenden Tarife angezeigt. Obwohl ich mir keines illegalen Grenzübertritts bewusst war, habe ich schnell in den Flugmodus geschaltet, damit nicht ein eventueller Anrufer in eine Kostenfalle tritt. Mir selbst kann ja mit einem Prepaid-Tarif nur passieren, dass nichts geht. Als ich heute morgens um sieben mein Surfer-Hostel verlassen habe, war es noch stockfinster und leider nass. Zum Glück war es nur Nieselregen, der zudem bald aufhörte. Ich bin dem in der Karte ausgewiesenen Verlauf des Jakobsweges folgend ans Ufer und dann auf der gut befestigten und beleuchteten Uferpromenade aus der Stadt hinaus. Zum Meer hin ist die Promenade mit einem flachen Naturstein-Mäuerchen begrenzt, in das wiederholt Aussichtspunkte eingearbeitet sind, vermutlich um den Kite-Surfern zuschauen zu können. Ich habe am Tag zuvor leider nur von weitem welche gesehen, zumindest deren Schirme. Auf der anderen Seite der Strandpromenade reiht sich eine noble Urbanisation an die andere - alle umzäunt, mit tollen Pools und gut gesicherten Zugängen. Am Ende der Promenade geht es vorbei an einem ummauerten Sportplatz und dann auf einem breiten Holzsteg durch die Dünen, etwa so wie auf dem portugiesischen Küstenweg. Leider war das letzte Viertel dieses Weges mächtig demoliert, dem Anschein nach durch eine Sturmflut. Und ein paar Bretter des defekten Abschnitts haben vermutlich inzwischen ein zweites Leben als Terrassendiele bekommen. Der Weg knickt dann landeinwärts ab und verläuft anschließend ein Stück entlang der N 340, weil zwei kleine Flüsse zu überwinden sind. Das ging dieses Mal viel besser als hinter Algeciras, da hier ein breiter, glatter und halbwegs sauberer Trampelpfad hinter der Leitplanke ist. Schließlich ist das der offizielle, ausgeschilderte Weg. An der ersten Brücke muss man etwas über den Brückenbogen balancieren, was aber mit der Hand an der Leitplanke kein Problem ist. Bei der zweiten Flussüberquerung hat man sogar eine ganze Brücke für sich allein, weil da parallel zur N 340 eine Vorgängerstraße mit eigener, allerdings geländerloser Brücke verläuft. Dass es mal eine noch viel ältere Brücke gab, kann man an einem mitten im Wasser stehenden Brückenpfeiler sehen, der mindestens aus dem Mittelalter, wenn nicht noch viel älter ist. Kaum ist das zweite Flüsschen überquert, führt der Weg durch ein kleines Wäldchen wieder zum Wasser, d. h. auf eine als Parkplatz hergerichtete Straße, die auf einer Seite voller Wohnmobile steht, darunter etwa die Hälfte deutsche. (Die andere Straßenseite ist im Sommer bestimmt auch zugeparkt.) Das sind ganz offensichtlich überwiegend Surfer, die es hier nur ein paar Meter zu ihrem „Arbeitsplatz“ haben. Erstaunlicherweise ist das Parken dort und an ähnlichen Stellen unbegrenzt erlaubt und ganz kostenfrei. Das hat leider zur Folge, dass es da ein paar „Dauercamper“ gibt, das heißt vor Jahren abgestellte und vergammelte Wohnmobile. Aber das sind nur wenige. Der Weg führt dann nochmal entlang der N 340 um zwei Zeltplätze herum. Einer davon liegt zu beiden Seiten der Straße und hat sogar seinen eigenen Tunnel, damit die landeinwärts Kampierenden ungehindert ans Wasser kommen. Hinter den Zeltplätzen verläuft der Weg ein ganzes Stück direkt am Strand, wo man dicht an der Wasserkante auch mit schweren Wanderschuhen ganz gut laufen kann. Hinter einer Lagune, die Surfanfängern als Übungsbecken dient, geht es eigentlich nach rechts weg vom Strand, aber die Lagune war inzwischen viel größer, als in der Karte eingezeichnet und man hätte da einen großen Bogen machen müssen. Also bin ich am Strand geblieben, der breit und fast menschenleer war. Die dunklen Wolken, die dieses Mal von den Bergen zum Meer zogen, lösten sich über dem Wasser auf und es kam immer mal wieder die Sonne durch. Es waren angenehme 19…20 Grad, aber es blies ein unglaublicher Wind, zum Glück von hinten. Alles, was sich das Meer nicht selbst holt, bläst hier der Wind ins Wasser. Man konnte sehen, wie der Wind den Sand über den Strand fegt. In diesem besonders windigen Abschnitt lag kaum ein Stein oder sonst was am Strand, höchstens mal ganz flache, vom Sand regelrecht polierte, handtellergroße Steine, die dem Wind keinen Widerstand mehr bieten. Die Küstenlinie macht hier einen Knick und in Verlängerung des breiten Strandes hat der Wind eine große, weithin sichtbare Düne aufgetürmt. Weil es sich so schön lief und bis auf Wind und Wasser nichts zu hören war, bin ich am Strand geblieben, vorbei an der Düne und an diversen Bunkern, die der Wind schon freigelegt hat. Es kamen immer wieder Steinfelder, wo man herumhüpfen musste, auch wieder welche, wo für den Geologen der frühere Meeresboden senkrecht hingestellt wurde. Da gab es viel zu bestaunen. Erst als der Strand an einem Vorsprung immer schmaler und der Boden felsig und glatt wurde, bin ich einen sandigen Hang hochgeklettert und auf einem in der Karte verzeichneten Waldweg zur Straße, die parallel zum Wasser verläuft. An der kaum befahrenen Straße zeugten wieder verrottete Schilder und verfallene Bauten von einer militärischen Vergangenheit. An einem verfallenen, grün gestrichenen Haus hing sogar noch das Schild „Cocina“ (Küche). Zwischen die Kasernen- und Bunkerbauten mischten sich ein paar Privatgrundstücke, meist mit dichten Zäunen gegen neugierige Blicke geschützt. Aus einem Grundstück ragte ein extravaganter, moderner Turm mit achteckigem Grundriss heraus, der nach oben hin verdreht ist. Das war aber nicht wie erwartet eine noble Gartenlaube, sondern ein neuer Leuchtturm. In der „Paloma“ genannten Siedlung gab es auch eine Gaststätte mit großer Terrasse, die aber ganz leer war. Da man nicht unbedingt Lokale wählen soll, in denen man der einzige Gast ist, habe ich es vorgezogen, weiterzuziehen. Wer weiß, wie lange da schon der galizische Oktopus auf der Leine hängt. Hinter der Siedlung wurde es richtig schön. Der Weg führt hier ein paar Kilometer durch einen Wald und ist ganz neu angelegt worden: zwei Meter breit und aus wassergebundenem Material, mitunter auch auf Holzstegen oder -brücken. Hier hat man auch mal an ein paar Sitzgelegenheiten in Form von Naturstein-Quadern gedacht, die regelrecht nach Picknick geschrien haben. Einen solchen habe ich mir hier gegönnt, obwohl ich zügig vorankommen wollte, möglichst bis Zahara, gut 30 km von Tarifa entfernt. Dieser schöne Weg führte mich nach El Lentiscal, einen nicht sonderlich attraktiven Ort, in dem alles auf das Surfen und Wellenreiten ausgerichtet ist: Surfschulen, Bretterverleihe, Segelreparaturen, Wohnmobilstellplätze, Hotels, Gaststätten usw. Und tatsächlich waren einige Surfer und Wellenreiter auf dem Wasser und jagten da auf den Wellen mit hoher Geschwindigkeit hin und her. Der Ort hat aber auch noch eine große römische Ausgrabungsstätte mit einem modernen Museum mittendrin zu bieten. Die Ausgrabungen hätte man gegen Eintritt besichtigen können, etwa genauso viel konnte man aber auch im Vorbeigehen durch den Zaun sehen. Hier hat leider die ansonsten hervorragende Ausschilderung des Jakobsweges und des bislang gleich laufenden, rot-weiß markierten Fernwanderweges GR 145 (Arco Atlanico) versagt, oder ich habe mich vertan. Anders als auf der Karte ausgewiesen, sollte man laut Ausschilderung nicht rechts um die Ausgrabung herum, sondern links über den Strand. Dort kam man auf einen aufwändig gebauten Holzsteg, der aber plötzlich auf einer Plattform mit Blick auf eine 30 Meter hohe Düne endete. Man hätte da rechts durch den Wald hochsteigen können und vielleicht auch sollen. Schilder gab es hier nichtmehr. Ich dachte mir, dass die hiesigen Tourismusleute den Wanderern den Aufstieg auf die einzigartige Düne bieten wollen und bin da wie einige andere auch hochgestapft. Der aufgetürmte Sand war gar nicht so locker wie gedacht, so dass man da auch mit Wanderstiefeln und Gepäck ganz gut hochkam. Ätzend war nur der permanente Sandsturm von hinten. Das war, als würde man mit einem Sandstrahler bearbeitet. Oben angekommen, gab es jedoch keinen erkennbaren Weg, auf dem man weitergehen könnte. Die Düne endete einfach im Wald und es gab viele Möglichkeiten, von der Düne runter auf den Waldboden zu kommen. Ich bin runter und im Wald auf die Straße zugelaufen, die ich mir fürs Weiterkommen auf der Karte rausgesucht hatte. Als die erreicht war, standen dort allerdings lauter Schilder bzgl. Militärgebiet und Betretungsverbot. Dieses Mal waren die Schilder aber noch nicht verwittert und ein Stacheldrahtverhau am Straßenrand machte deutlich, dass man die Hinweise diesmal ernst nehmen sollte. Ich musste also (wie offenbar viele vor mir) parallel zum Stacheldraht der Straße durch den Wald folgen - leider nicht in der Richtung, in die ich eigentlich gehen wollte. Der Stacheldraht an der Straße hörte dann zwar auf, dafür kam 100 Meter weiter ein großes verschlossenes Tor und ein quer verlaufender Zaun. Also rechts weg, tiefer in den Wald und dann durch eine Lücke im Zaun raus in die Freiheit. Vermutlich war ich wie andere in das Militärgebiet geraten, weil ein Zaun bereits von der Düne überrollt wurde. Nach einer Weile bin ich dann endlich auf die öffentliche Straße gestoßen, auf der lt. Karte der Jakobsweg verläuft und auf der ich gekommen wäre, wenn ich die Ausgrabung auf der rechten Seite umrundet hätte, statt den Schildern zu folgen. Nach 300 Metern auf dieser Straße trennen sich der Jakobsweg und der Fernwanderweg. Da ersterer ab hier ins Landesinnere führt und lange Zeit auf keinen Ort trifft, bin ich letzterem nach links gefolgt. Es ging vorbei an bizarren Felsen und je höher man kam, desto imposanter wurde der Blick auf die nunmehr links liegende Düne mitten im Wald. An der nächsten Gabelung führte ein asphaltierter und gut ausgeschilderter Weg runter zum Leuchtturm „Faro del Camarinal“ und weiter zur Siedlung Atlanterra jenseits des Bergrückens. Dort konnte man wirklich noble Villen bestaunen. Jetzt wurde mir klar, warum es bei booking.com hier keine günstigen Unterkünfte gab. Richtig preiswerte gab es hier nirgends. Aber im nächsten Ort, Zahara de los Atunes, hatte ich ein Hotel für 45 € gefunden, das „Colores de Zahara“. Gebucht hatte ich das noch nicht, obwohl es angeblich nur noch ein Zimmer zu diesem Preis gab, denn für ein paar Euro mehr waren da ggf. noch mehrere zu haben. Dort, wo in Atlanterra die Straße dicht am Meer um einen Felsen führt, wird der Wanderer eine lange steile Treppe hinunter zum Strand geschickt. Auf dem bin ich die restlichen Kilometer bis Zahara gelaufen und dann auf der Straße in den zu dieser Jahreszeit trostlosen Ort hinein. Der Zeltplatz und alle großen Hotels haben Winterpause. Folglich sind außer im Stadtzentrum, wo keine Touristen, sondern richtige Menschen leben, auch alle Gaststätten und Geschäfte zu. Aber mein kleines Hotel mit vermutlich 14 Zimmern ist noch in Betrieb, wenn auch der zugehörige Gaststättenraum mit dem Terrassengestühl vollgestellt und nicht benutzbar ist. Offenbar sind auch nur wenige Zimmer belegt. Da sitzt natürlich niemand permanent an der Rezeption. Mit meinen Telefonierkünsten habe ich aber eine Dame herangeholt, die mich eingelassen und abgefertigt hat. Mit Hinweis auf mein von Armut geprägtes Pilgerleben habe ich den Zimmerpreis sogar noch auf 40 € drücken können. Was ich dafür bekam, kann man wirklich nobel nennen. |
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Via del Estrecho / Via Augusta - Tag 4 | ![]() |
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