Unterwegs auf der Via del Estrecho / Via Augusta von Gibraltar nach Santiago
Tag 9 (Do, 21.11.2024) Von El Puerto de Santa Maria nach El Cuervo de Sevilla / 42,0 km
Ich bin im Nachhinein gesehen, am Morgen wieder viel zu spät los. Da hatte ich aber auch noch keinen endgültigen Plan, wie weit ich laufen werde. Der große Abstand der Orte ist hier ein Problem - und dass es nicht in jedem Ort preiswerte Unterkünfte gibt. Ganz grob sieht die Entfernungsliste so aus: El Puerto > 15 km > Jerez > 25 km > El Cuervo > 10 km > Lebrija > 20 km > Las Cabezas > 30 km > Utreira.

Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass ich nur bis Jerez laufe und morgen nach El Cuervo. Da sehe ich, dass das heute verfügbare Hotel in El Cuervo morgen ausgebucht ist. Ich müsste also weiter bis Lebrija und hätte am Tag darauf wieder nur eine kurze Etappe. Ich bin zwar nicht in Eile, aber das waren mir dann doch zu viele Ruhetage. In Jerez mit immerhin über 200.000 Einwohnern und ein paar Sehenswürdigkeiten hätte man sich vermutlich nicht gelangweilt. Aber eigentlich fand ich es in den recht ansprechenden Straßen (Fußgängerzonen) der Innenstadt zu voll. Also habe ich mich, als ich um eins in Jerez war, entschlossen, noch die folgende 25 km-Etappe anzuhängen. Kräftemäßig war das zu schaffen, weil keine großen Berge im Weg lagen. Das Problem war die Uhrzeit: Um viertel sieben geht die Sonne unter und eine halbe Stunde später ist es dunkel. Der Routenplaner hat aber ausgerechnet, dass ich erst um acht in El Cuervo sein werde. Aber wenn man nicht so lange Pausen macht und zügig läuft, ist da immer noch was rauszuholen. Zügig laufen wollte ich eh trainieren. Morgens lief 50 Meter vor mir jemand mit einem Rucksack mit was Weißem dran, was durchaus eine Muschel hätte sein können. Ich habe ihn nicht eingeholt und irgendwann war er meinen Blicken entschwunden. Da ist mir vermutlich ein leibhaftiger Pilger entgangen!

Leider war der Weg nicht sonderlich verlockend. Es ging fast den ganzen Tag auf oft holprigen Wegen parallel zur Straße oder Autobahn, so dass ich stets dem Autolärm ausgesetzt war. Wo wenige Orte sind, gibt es halt auch nur wenige Wege. Zu allem Übel musste ich auch immer wieder große Pfützen oder aufgeweichte und von schweren Fahr­zeugen zerfurchte Abschnitte umrunden. Man drohte zwar nicht sonderlich nass zu werden, aber übermäßig dreckig. Als ich dann nach etwa drei Vierteln der Strecke durch einen Tunnel auf die andere Seite der Autobahn musste, war Dreck an den Schuhen aber nicht mehr zu vermeiden. Der Tunnel war voller Schlamm, der von irgendwelchen großen Fahrzeugen zerwühlt war. Zum Glück war der schon so weit abgetrocknet, dass ich nur mit den Sohlen eingesunken bin. Vor ein paar Tagen wäre man da sicher mit dem ganzen Schuh im Schlamm versunken. Überhaupt war an manchen Stellen sehr deutlich zu sehen, dass es hier vor gar nicht langer Zeit heftig geregnet haben muss. Die Straßengräben waren mitunter kleine Schluchten von zwei Meter Tiefe und Breite. Und vor den Wasserdurchlässen unter der Autobahn lagen manchmal Berge von Maisstängeln, die von den Feldern angeschwemmt wurden und dort hängen geblieben sind. Zum Sonnenuntergang hatte ich gerade die Autobahn verlassen. Leider versperrten mir da ein paar in westlicher Richtung liegende Hügel die Sicht.

Für die letzten 3…4 km hat der Routenplaner eine Straße vorgeschlagen, die etwas vom Camino abweicht. Ich hatte beschlossen, diese Straße zu nehmen, um in der eintretenden Dunkelheit etwas schneller voranzukommen. Am Scheidepunkt habe ich aber gesehen, dass der durch ein offenes Tor ohne anschließende Mauer führende Camino genauso asphaltiert, aber kaum befahren ist. Da habe ich doch diesen wählen wollen. Hier rief mich aber ein Mann, den ich gerade argwöhnisch dabei beobachtet hatte, wie er am Feldrand für sich und seinen Hund ein Feuerchen gemacht hat. Er kam sogar zu mir rüber gelaufen, um mir zu sagen, dass ich nicht auf diesem Weg, sondern auf der Straße, auf der anderen Seite einer mit leuchtend grünem Wasser gefüllten Kiesgrube laufen soll. Ich weiß nicht warum, aber da komischerweise auch die gelben Pfeile in Richtung Straße, statt auf den in der Karte verzeichneten Camino zeigten, habe ich nicht lange nachgefragt. Auf der Straße bin ich dann aber bei jedem entgegenkommenden Auto ins Bankett getreten, wenn ich mir nicht sicher war, dass ich gesehen wurde.

Trotzdem war ich um sieben in El Cuervo de Sevilla, eine Stunde früher als vom Routen­planer berechnet.

Das erwählte Hotel „Via Sevilla Cádiz“ liegt ganz zentral und ist leicht zu finden. Es ist ein zweistöckiges Haus an einer Straßenkreuzung. Unten ist ein Restaurant und oben sind 20 Zimmer. Ich hatte hier bis kurz vor dem Ziel nichts gebucht, da ich bei booking.com gesehen habe, dass da mehrere Zimmer zu 34 € frei sind und ich gehofft habe, dass ich vor Ort noch was runterhandeln kann. Schliesslich kosten die gleichen Zimmer am nächsten Donnerstag nur 27 €. Ich habe aber vorsichtshalber stündlich nachgeschaut, ob die verfügbare Zimmer­zahl runter geht. Als ich kurz nach sechs nochmal geschaut habe, waren wirklich nur noch zwei Zimmer verfügbar. Und siehe da: zu 27 € und plötzlich sogar mit Frühstück. Da habe ich natürlich blitzartig gebucht. Mit dem Preis ist zwar auch die angegebene Zimmergröße runtergegangen (von 10 auf 6 qm), aber dafür ist der Name länger geworden. Jetzt heißt das Einzelzimmer „Economy Einzelzimmer“. Egal, mir reicht auch eine Mönchszelle.

Vor Ort zeigte sich dann, dass das Zimmer nicht nur sehr ordentlich, sondern fast gemütlich ist und keinesfalls nur 6 qm hat. Auf dem aushängenden Evakuierungsplan sehen alle Zimmer gleich groß aus, egal ob ein oder zwei Betten drin stehen. Gefreut hat mich auch die kleine Badewanne, da ich lieber bade als dusche. Wie immer gab es allerdings keinen Stöpsel, damit die Besucher in der Wanne duschen, statt durch Baden kostbares Wasser zu verschwenden. Zwar weiß ich, wie man auch mit einem Stück Frischhaltefolie oder ersatzweise einer Plastiktüte mit einer ordentlichen Portion Wasser drauf einen Abfluss dicht bekommt, aber für ein entspanntes Badeerlebnis habe ich mal 50 Cent investiert und mir im gegenüber liegenden Haushaltswarenladen einen Stöpsel gekauft. Sowas kann man immer mal dabeihaben.

Via del Estrecho / Via Augusta - Tag 9