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Unterwegs auf der Via del Estrecho / Via Augusta von Gibraltar nach Santiago | ![]() |
Tag 10 (Fr, 22.11.24) Von El Cuervo de Sevilla nach Las Cabezas de San Juan / 28,9 km
Der Tag begann mit einem Frühstück in der Gaststätte des Hotels, das plötzlich im Zimmerpreis enthalten war. Es gab ein getoastetes Riesenbrötchen, je zur Hälfte mit Schinken bzw. Olivenöl und Tomatenmark belegt, dazu Café con Leche und gepressten Orangensaft. Eigentlich hätte es noch ein Stück Torte gegeben, aber darauf habe ich verzichtet. Die Kneipe war morgens um halb sieben schon ganz gut frequentiert, vorwiegend durch Bauarbeiter mit Warnwesten, die vor Arbeitsbeginn noch schnell einen Schnaps getrunken haben.
Um viertel acht bin ich aufgebrochen. Da war es draußen noch dunkel. Der Sonnenaufgang war für 8.08 Uhr angesagt. Deshalb bin ich für die ersten 1…2 Kilometer an der überwiegend mit Fußweg und Laternen versehenen Straße (N 4) geblieben, bis diese von der Via Augusta gekreuzt wird, die weiter östlich durch die Stadt verläuft. Weiter ging es auf einer nur mäßig befahrenen Straße in Richtung Lebrija und dann rechts ab auf einen Feldweg. Der führt an einem Flugplatz vorbei, der zwar kein Flughafengebäude und keinen Tower besitzt, aber immerhin zwei sich kreuzende, frisch betonierte Start-/ Landebahnen. Flugzeuge waren nicht zu sehen, aber vielleicht waren welche in den zwei Blechschuppen am Rand des Flugplatzes abgestellt. Vermutlich ist dieser Flugplatz für Agrarflieger gedacht, denn die Sport- und Geschäftsflugzeuge, von denen hier einige in der Luft sind, nutzen wohl alle den Flughafen von Jerez, an dem ich gestern vorbeigekommen bin. Das ist der Verkehrsflughafen der Region mit einer direkten Anbindung an die Bahnlinie nach Cádiz. Da landen täglich ein paar Linienflüge. Ich habe dort eine TUI-Maschine aus Frankfurt im Landeanflug gesehen, die vermutlich Passagiere eines der Kreuzfahrtschiffe gebracht bzw. geholt hat. Nur ein paar Minuten vorher kam eine Linienmaschine aus Madrid. Apropos Fliegerei: In den Nachrichten kam, dass Ryanair, Easyjet und andere Billigflieger zu Millionenstrafen verurteilt wurden, weil sie z. B. Gebühren für die Sitzplatzreservierung und das Handgepäck nehmen. Was auf den ersten Blick zu Jubel anregt, wird schnell der Ernüchterung Platz machen, dass die Tickets generell teurer werden, wenn die Fluggesellschaften da alles reinreichen müssen. Dann ist es vielleicht mit der Wettbewerbsverzerrung vorbei, aber auch mit den Einsparmöglichkeiten durch kleines Unter-dem-Sitz-Gepäck und den Verzicht auf die Sitzplatzwahl. Und wir kommen wieder dahin, dass beim Einstieg ein Teil der Leute das Handgepäck abgeben und später am Gepäckband abholen muss, weil in der Flugzeugkabine nun mal nicht so viel Platz ist, dass jeder einen Rollkoffer verstauen kann. Oft genug haben wir beim Check-in gehofft, dass die strenge Dame, welche in der Warteschlange Rollkoffer einsammelt, uns übersieht. Seit man für Handgepäck bezahlen muss, fällt das weg, weil jetzt viel mehr Leute nur kleines, kostenfreies Unter-dem-Sitz-Gepäck haben und alles problemlos in die Kabine passt. Die Verbraucherschützer haben also mit dem erwirkten Urteil nicht unbedingt was für die Verbraucher getan. Aber zurück zum Weg. Der führte weiter entlang von Feldern und vorbei an kleinen Landwirtschaftsbetrieben. Die waren nicht alle herausgeputzt, aber ich bin ja auch nicht auf der Landwirtschaftsausstellung. Da jedes Gehöft über ein bis zwei bellende und vielleicht sogar wachende Hunde verfügt, wurde es nicht langweilig. Da, wo der Weg eine Fernstraße kreuzt, geben Schilder vor, wo man den Hang zur Fahrbahn hochklettern und eine Lücke zwischen den Leitplanken nehmen soll. So ging es recht abwechslungsreich weiter bis Labrija, wo am Ortseingang zwei angebundene Ponys den Randstreifen der Fahrbahn leer fraßen. Die haben sich durch mich genauso wenig stören lassen, wie durch die Autos. Labrija (28.000 Einwohner) machte auf mich einen recht netten Eindruck, obwohl der Weg nur am Stadtzentrum vorbei führte. Auf der Hauptstraße war der Mittelstreifen mit Palmen bepflanzt, am Straßenrand standen Orangenbäume und am Wegesrand gab es immer mal eine Sitzbank. An einer Kreuzung stand ein gut ins Bild passender, nur zweistöckiger Hotelneubau. Am Stadtrand warb ein Burger King für sich, der aber kurz nach zehn noch geschlossen war. Noch ein Stück weiter draußen soll offenbar ein Gewerbegebiet entstehen, bisher gibt es da aber nur einen Aldi. Stadtauswärts führen eine Straße mit Radweg und eine Anliegerstraße. Dazwischen ist eine lang gestreckte, kleine Parkanlage mit einem Spazierweg und Kinderspielplätzen. An einer großen, als Erholungsgebiet ausgewiesenen Grünanlage (Parque San Benito) gabeln sich dann die Wege. Die Via Augusta führt links an der Grünanlage vorbei und wird bald wieder zum Feldweg, der durch eine offene, flache Landschaft führt. Dann kommt sogar mal eine kleine Ausgrabungsstätte, über die man aber nichts erfahren konnte, da die vielen Schilder in der Sonne unlesbar geworden sind. Später führt der Weg lange Zeit an einem Stausee entlang, der leider komplett eingezäunt ist. Auf einem Hügel am See steht eine offensichtlich überdimensionierte Überwachungsstation der Wasserwirtschaft, die man für ein Ausflugslokal halten könnte, wenn da nicht mit großen Lettern „Sector B-XII“ dran stehen würde. Am Ende des Stausees steht am Wegesrand neben der üblichen Jakobsmuschel ein Schild, dass der Weg unterbrochen ist und man nach rechts ausweichen soll. Da kommt man nach wenigen Metern an den Canal de Bajo Guadaquivir. Diesem folgt der Weg nun über einige Kilometer nach Nordosten, mal auf der einen Seite, mal auf der anderen. Nicht nur die verschieden bestellten Felder boten da dem Auge Abwechslung, sondern auch mal ein Autofahrer, der sich am anderen Ufer festgefahren hatte. Der aus V-förmigen Betonsegmenten mit flachem Boden gefertigte, schnurgerade Kanal führte kaum Wasser. Ein paar, bestimmt 70…80 cm lange, karpfenähnliche Fische schauten nicht nur mit der Rückenflosse, sondern mit der ganzen Hauptgräte aus dem Wasser und zappelten hektisch herum. Die kann nur noch ein Angler erlösen, denn ein Stück weiter ist der Kanal stellenweise ganz ausgetrocknet oder nur noch mit ein paar Zentimetern Wasser versehen. Und das jetzt, nachdem es auch hier heftig geregnet hat. Aber vermutlich staut man das Wasser absichtlich auf, um im heißen Sommer etwas für die Bewässerung der angrenzenden Felder zu haben. Der fast ausgetrocknete Kanal hätte übrigens eine gute, leider ungenutzte Gelegenheit geboten, diesen von Steinen und Schlamm sowie dem Bewuchs an den Seiten zu befreien und abzudichten. Da, wo Büsche aus den Fugen wachsen, verschwindet bestimmt auch mancher Tropfen Wasser. Die Landschaft hatte sich inzwischen etwas geändert. Links, d. h. im Westen, war es immer noch bis zum Horizont total eben, aber rechts wurde es jetzt zunehmend hügelig. Zwischen zwei Hügeln konnte ich dann endlich auf einem Berg liegend meinen Zielort, Las Cabezas de San Juan, erkennen. Im Sonnenschein sehr malerisch anzusehen: Die erdfarbene Kirche auf der Bergspitze ist umringt von mehrheitlich weißen Häusern. Zum Fotografieren war das allerdings ziemlich weit weg - fast zwei Stunden bin ich noch gelaufen, bis ich in der Stadt war. Leider war es hier wie so oft bei vergleichbaren Städten, dass beim Näherkommen der tolle Effekt einer Stadt auf dem Berg nicht mehr wahrzunehmen ist. Den Ausschilderungen folgend bin ich von Südwesten auf die Stadt zugelaufen, während die Karte noch einen Weg von Nordwesten in die Stadt hinein ausweist. Hier hat man offenbar wie an anderen Stellen kleine Änderungen am Verlauf der Via Augusta vorgenommen, die ein bisschen direkter und/oder besser zu laufen sind. Der Weg führte kurz vor Las Cabezas ein Stück an der Fernstraße (nicht Autobahn) A-471 entlang und traf dort auf das Hotel-Restaurant „Venta El Pan“, eine Art Raststätte. Draußen standen Unmengen Autos und im und vorm Restaurant saßen entsprechend viele Leute. Das Hotel war nicht bei booking.com gelistet, darum habe ich mal schnell gegoogelt und dabei ziemlich üble Bewertungen gefunden. Aber fragen kann man ja mal. Hier hätte ich für 35 € unterkommen können, schon ein Stück billiger als das preiswerteste Hotel in der Stadt für 54 €. Aber hier war weit und breit nichts und man hätte Hunger und Durst in der lauten Gaststätte stillen müssen, was bestimmt die Preisdifferenz aufgezehrt hätte. Außerdem war es fraglich, ob man in solch belebter Raststätte zum Schlafen kommt. Ich bin also weiter in die Stadt gelaufen - zunächst hoch zu der (natürlich verschlossenen) Kirche und dann auf einer langen Treppe runter in das weiter nördlich liegende Stadtzentrum. Dort hat mir booking.com nahe einer Tankstelle und dicht neben einem großen Supermarkt eine Ferienwohnung in den „Apartamentos Touristicos La Terraza“ als günstigste Unterkunft in der Stadt ausgewiesen - für besagte 54 €, bereits unter Berücksichtigung meines Vielbucher- bzw. Vielschläfer-Rabattes. Das ist sündhaft viel Geld für einen armen Pilger. Dafür kommt man in Galizien eine ganze Woche in Herbergen unter und daheim kann man dafür mit dem Deutschlandticket einen ganzen Monat auf die Bahn warten. Gebucht hatte ich noch nichts, da ich gehofft habe, da noch was runterzuhandeln, zumal der Preis immer für zwei Personen ausgewiesen war. Vor Ort war da aber niemand, nur ein Hinweis an der Tür, das man sich bei der Tankstelle melden soll. Da bin ich hin und von einem netten Mädel an der Kasse an einen Englisch sprechenden Tankwart weitergeleitet worden. Der hat sich gern meine Sparwünsche angehört und telefonisch bei seinem Chef nach einem Rabatt gefragt. Den hat der auch geboten: 5 € auf den Standardpreis. Da kam jedoch mehr raus, als ich mit meinem Genius-Rabatt bei booking.com zahlen muss, weshalb ich nach etwas Überlegen online gebucht habe und mir dann in der Tankstelle den Schlüssel habe geben lassen. Treppenhaus und Flur der Unterkunft sahen sehr ordentlich aus und die Ferienwohnung (Wohnzimmer mit Kochecke sowie Schlafzimmer) machte einen geräumigen und sauberen Eindruck, nur leider sehr ungemütlich, da im Wohnzimmer außer zwei nutzlosen Spiegelchen nichts an der Wand hing und im Schlafzimmer auch alles kahl war. Nicht einmal eine Kunstblume als Deko. Wände und Möbel waren ziemlich abgenutzt, die Sockelleisten der Küchenmöbel vom Wischen aufgequollen und vermutlich schimmelig. Die Sofabezüge hatten Flecken und Brandlöcher. Beim Fernseher zeigte sich nach dem Einschalten, dass das Display gesprungen ist und nur noch auf zwei Dritteln was zu sehen ist. Die als Ausstattung aufgeführte Kaffeemaschine und das Bügeleisen fehlten ganz. Letzteres hätte ich zwar nicht gebraucht, aber ich habe trotzdem dem Wirt geschrieben, was kaputt ist bzw. fehlt, damit ich nicht in Verdacht gerate, das Bügeleisen im Rucksack weggetragen zu haben. Im Kühlschrank fehlte die Klappe des Tiefkühlfaches, weshalb es da wie in einer Eishöhle aussah. An Besteck gab es nur das Nötigste, aber z. B. kein Brot-, Fleisch- oder Obstmesser, mit dem man eine Verpackung hätte öffnen können. Bezahlt habe ich für zwei Erwachsene, aber am Essplatz an der Küchentheke gab es nur einen Hocker! Und so weiter. Das einzig Erfreuliche war eine nicht erwähnte Waschmaschine. Die war zwar ziemlich keimig und ohne Waschpulver, aber mit einem Stück Seife für den Vorwaschgang und einer Duschgel-Dosis für den Hauptwaschgang ist meine Wäsche frisch und sauber geworden. Es hat sich zum Glück ausgezahlt, dass die Wohnung keine Fenster nach draußen, sondern nur zu einem etwa 6 qm großen, überdachten Patio hatte, weil das den Straßenlärm ferngehalten und einen idealen Wäschetrockenplatz geboten hat. Für eine Nacht war das alles auszuhalten, nur halt überteuert. Aber ich stelle mir eine Familie vor, die hier ein paar Tage verbringen will … |
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Via del Estrecho / Via Augusta - Tag 10 | ![]() |
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