Unterwegs an der Costa del Sol von Almeria nach Gibraltar
Tag 4 (Mo, 13.1.25) Von Sitio de Calahonda nach Almuñécar / 36,9 km
Die Nacht in Calahonda war einigermaßen schlimm. Das Bett war so weich, dass ich stets tief eingesunken bin, was nicht in jeder Körper-haltung schmerzfrei ist. Es war wohl schon ziemlich spät, bis ich endlich für wenige Stunden eingeschlafen bin. Da ich zeitig wieder wach war, bin ich noch im Dunkeln, etwa um halb acht, losgelaufen. Da stand der Vollmond noch knapp über den Bergen, was eine reine Pracht war. Und so wie der langsam vor mir verschwand, kam hinter mir die Sonne hoch.

Zwischen Calahonda und dem Nachbarort Carchuna führt die N-340 schnurgerade durch eine fast lückenlos mit Folienzelten bestandene Ebene. Dazwischen finden sich nur mal große Gebäude landwirt-schaftlicher Kooperativen. Hier hat man gleich gesehen, dass nicht jedes Bäuerlein sein Zelt selbst gebaut hat, dann die sahen hier deutlich nobler, größer und stabiler aus, als die um El Ejido. Und die Kooperative scheint auch Müllcontainer auf dem Hof zu haben, denn hier lag kaum Abfall herum. Sicher müssen auch hier mal Planen ausgetauscht werden, aber die Firma, die das macht, nimmt offenbar die alten mit. Hier hat es Spaß gemacht, entlang der Zelte zu laufen, zumal zwischendurch mal ein paar Palmen gepflanzt wurden und einige Zelte kleine Vorgärten mit Sitzbänken fürs Personal haben.

Wenn man über die Zelte hinweg in Richtung Sonne fotografiert, kann man kaum ausmachen, wo die Zelte aufhören und wo das Meer anfängt. Die Berghänge waren hier auch reichlich mit Zelten bestückt, aber nicht krumm und schief, sondern überwiegend auf künstlich angelegten Plateaus. Es war manchmal gar nicht auszumachen, ob es sich um dunkle Zelte, oder um Solarfelder handelt. Letztere sind hier aber völlig unüblich. Man hat wohl Angst, dass die bei der kräftigen Sonne durchbrennen. Atomstrom tut es auch und liegt seit Ende der 80er Jahre konstant bei über 20% der Stromproduktion.

Hinter Carchuna führte die Straße wieder ein ganzes Stück hoch und um eine Felsnase herum. Von dort aus konnte ich wieder das ganze Tagesprogramm voraussehen, denn an der letzten sichtbaren Spitze beginnt Almuñécar, mein Tagesziel. Zunächst kam aber Torrenueva Costa, ein typischer Ort am Meer mit breitem Strand, Uferpromenade und einer mehrgeschossigen Bebauung. Dahinter führte die Straße ein Stück weg vom Wasser und wieder durch eine landwirtschaftlich genutzte Fläche, wo ich die ersten Äcker zu sehen bekommen habe, sogar einen Acker, auf dem Kaktus angebaut wird, der mit den großen Ohren. Ich weiß aber nicht wozu, vielleicht nimmt man die Stacheln als Zahnstocher.

Die Straße führte dann auf Motril zu, eine Stadt, die überwiegend aus niedrigen Häusern besteht, die sich einen Berghang hochziehen. Mittendrin ragt mal ein klassischer, spitzer Kirchturm heraus, was ich in diesen Tagen zum ersten Mal gesehen habe. Auch so etwas wie eine Burg war zwischen den Häusern zu sehen.

Ein anderer Teil der Stadt, El Varadero, liegt direkt am Wasser. Da gibt es einen richtigen Hafen, ein Industriegebiet und eine Uferpromenade. Um dort hin zu kommen, muss man kurz vor der Stadt an einem Straßenkreuz links abbiegen. Im Industriegebiet, das man noch vor dem Hafen erreicht, sind zwar viele Straßen eingezeichnet, aber nicht alle sind nutzbar, weil dort riesige, versandfertige Rotorblätter für Windkraftanlagen aufgestapelt sind. Wie die verladen werden, hätte ich ja zu gern gesehen. Im Hafen, den gerade ein Frachtschiff verlassen hatte, lag noch ein großes Fährschiff, an dem repariert wurde. Da gab es ein munteres Hämmern und Schleifen zu hören. Von hier fahren Fähren nach verschiedenen Orten in Nordafrika, unter anderem nach Tanger.

Die bald hinter dem Hafen beginnende Uferpromenade zieht sich in einem weiten Bogen bis nach Playa Granada, einem jetzt fast ausge-storbenen Touristenort hin. Der Strand ist hier sehr breit und man ist gerade dabei, dort Furchen auszubaggern, in die vermutlich Palmen gesetzt werden sollen. Ein Stück weiter sieht man nämlich Reihen schattenspendender Palmen am Strand. Außerdem war direkt am Wasser ein Bagger dabei, Kies abzutragen und in monströse Mulden-kipper zu verladen, die unablässig dicht am Wasser über den Strand brausten, um zwei Kilometer weiter ihre Last abzukippen, weil dort den Strand breiter gemacht wird. Da man dort auch Buhnen ins Meer gebaut hat, geht es dabei wohl eher um Küstenschutz, als um ausgedehnte Badefreuden.

Ein Stück kann man noch auf befestigten Wegen am Strand entlang laufen, den Rest der Strecke hätte man sich mit den Muldenkippern teilen müssen, was mir nicht so behagte, zumal nicht zu erkennen war, ob man die Flutrinne, auf die man zuläuft, überall passieren kann. Am Ende der Promenade hat man eine Siedlung inmitten eines Golfplatzes gesetzt oder umgekehrt, alle Freiflächen zwischen den Häusern zum Golfplatz gemacht. Da kreuzen laufend reife bis greise Damen und Herren mit Golfbesteck im Körbchen die Straße. Wer was auf sich hält, natürlich im Buggy.

Wenn man die richtige Lücke in der Bepflanzung findet, kommt man wieder auf ein Terrain, auf dem Landwirtschaft betrieben wird. Hier aber überwiegend auf Freiflächen, wo zum Beispiel Salat angepflanzt wird. Interessiert habe ich da einem Traktor zugeschaut, der hinten eine Plattform hatten, auf der vier Frauen standen und winzige Salat-pflänzchen in Rohre fallen ließen, von denen sie maschinell im gleichmäßigen Abstand in die Erde gesetzt wurden. Zwei Männer liefen gebückt hinterher und haben ausgebessert, wenn mal ein Stück nicht ganz gelungen war. Hier habe ich auch die ersten kleinen Obstplantagen mit Kirsch­bäumen gesehen.

Der Weg führte wieder direkt auf ein ausgetrocknetes, aber für den Ernstfall sehr breites und mit Mauern eingefasstes Flussbett. Der nicht vorhandene Fluss hat sogar einen Namen: Rio Guadalfeo. Dahinter kam auch schon der nächste Ort, Salobreña. Der besteht einerseits aus der üblichen Küstenbebauung mit Uferpromenade und breitem Strand und andererseits aus der auf einem Felsen gelegenen Altstadt inklusive Festung. Die Außenwände der Häuser und die Festungsmauern sind da eins mit der steil aufragenden Felswand. Das sah sehr spekta­kulär aus und war Anlass für viele Fotos aus allen möglichen Blickwinkeln.

Allein das Trägheitsprinzip hat mich davon abgehalten, dort hoch-zusteigen und mir das Ganze aus der anderen Richtung anzuschauen. An der Uferpromenade ist zwar Restaurant an Restaurant, aber viele davon haben im Winter geschlossen. Ganz am Ende steht ein großes, offenes und gut besuchtes, das noch voll im Weihnachtsschmuck ist. Die Türen werden von Nussknackern flankiert, überall blitzen rote Christbaumkugeln und auf dem Parkplatz steht ein aufgeblasener Weihnachtsmann. Ich habe überlegt, ob ich da für einen Teller Spekulatius oder ein paar Lebkuchen einkehre, bin dann aber doch weiter.

Der vom Routenplaner vorgeschlagene Weg führte von hier durch eine neu angelegte Parkanlage und über einen Parkplatz, der mit Wohn-mobilen älterer und sehr fragwürdiger Bauart vollgestellt war. Hier hausen wohl vorwiegend Aussteiger und dazu die doppelte Anzahl an Hunden. Dahinter bin ich auf den kleinen Ort Caleta - La Guardia gestoßen, auf dessen Supermarkt ich es abgesehen hatte. Da der leider geschlossen hatte, musste ich in die gegenüber liegende Kneipe, um meinem Körper etwas Flüssigkeit zuzuführen.

Dank des Jesus-Bildes über dem Zapfhahn habe ich mich gleich gut behütet gefühlt. Und was aus dem Zapfhahn kam, war auch wirklich himmlisch: ein „Tostada“ aus dem Hause „Estrella Damm“ - ein kupfer-farbenes, malziges Bier. Noch während die ersten kühlen Tropfen durch meine staubige Kehle rinnen, stellt mir die Wirtin ein Tellerchen mit noch dampfenden, lecker gewürzten Fleischbrocken nebst einer Scheibe Weißbrot hin. Letztere war gut geeignet, auch den letzten Tropfen Soße aufzutunken. Um mich erkenntlich zu zeigen (und weil ich noch nicht satt war), habe ich mir noch ein zweites Bier bestellt. Das sind ja nicht die bei uns üblichen Humpen, sondern eher das Format für Oberschüler. Dieses Mal kam dazu ein Tellerchen mit einer Scheibe Schinken, einem gerade der Pfanne entsprungenen Spiegelei und wieder Weißbrot, dieses Mal mit Olivenöl. Es hätte mich schon interessiert, was die Dame noch so alles in Topf und Pfanne hat, aber ich musste langsam weiter und mir war eh schon so, dass ich gern eine Sänfte in Anspruch genommen hätte. Stattdessen war aber Klettern angesagt, erst auf Wellenhöhe um einen Felsen herum und dann einen ziemlich steilen Berghang hinauf. Der war so mit Trampelpfaden übersät, dass ich mehrere Anläufe brauchte, um dort rauszukommen, wo ich hin wollte.

Der Routenplaner will einem immer die Straße ersparen und schlägt Wege vor, die mitunter hart an der Grenze des Benutzbaren sind und oft im Zickzack und vor allem stets auf und ab verlaufen. Später bin ich nochmal darauf reingefallen. Da bin ich nach Umrundung mehrerer Urbanisationen in einer Parkanlage treppauf und -ab geschickt worden. Das war ja einschließlich der Blicke aufs Meer sehr schön, aber anstrengend und zeitraubend.

So war ich erst zur Zeit des Sonnenuntergangs in Velilla-Taramay, was ich am Morgen noch für Almuńecar gehalten habe, weil da auf zwei Kilometer Breite ein Hochhaus neben dem anderen steht. Das ist aber nur einer der üblichen Badeorte, natürlich mit breitem Strand und Promenade, aber derzeit doch etwas verlassen. Interessant ist hier, dass es gleich hinter den Häusern steil nach oben geht. Man hat die Hochhäuser einfach vor die Steilküste gesetzt. Letztere erkennt man auf der Karte, aber dass davor gleichhohe Häuser stehen, ist nicht sofort zu erkennen. Da die Häuser mehrheitlich in Braun- und Ockertönen gestrichen sind, kann man sie gar nicht so leicht aus der Ferne als solche ausmachen, was man für einen Vor- oder Nachteil halten kann.

Hinter der nächsten Landzunge war dann endlich mein Zielort, Almuñécar, erreicht, der eine große Altstadt mit engen, verwinkelten Gassen hat. Meine Pension „Casa Fina“ liegt in einer solchen Gasse und hat innen noch viel engere Flure zu bieten. Mein Zimmer im zweiten Stock ist sehr gewöhnungsbedürftig: mit einem vergitterten Fenster zum Treppenhaus. Da fühlt man sich wie in einer Pförtnerloge. Der Pförtner hätte aber wenigstens ein Tischlein gehabt. Das hat man hier durch ein zweites Bett ersetzt. Bei den Brandschutzhinweisen steht, dass man sich bei brennenden Kleidern auf dem Boden wälzen soll - dazu müsste ich aber zunächst das zweite Bett raustragen, da sonst gar kein Platz zum Wälzen ist. Man soll sich außerdem am Fenster zeigen. Ob das im Treppenhaus viel bringt?

Costa del Sol - Tag 4