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Unterwegs von Madrid nach Santiago de Compostela | ![]() |
Tag 1 (Mi, 27.8.2025) - Von Madrid nach Tres Cantos / 23,1 km
Dafür, dass ich gestern Nachmittag in Ermangelung von Zero-Limonaden fast ausnahmslos Cola Zero getrunken habe, habe ich ganz gut geschlafen. Ich hatte wieder eine Schlafbox mit Vorhang und drinnen Licht und Steckdose. Außerdem Bettwäsche und Badehandtuch. Im Zimmer waren insgesamt acht solcher Boxen und dazu Klo, Waschbecken und Dusche, alles schön separat. Man muss da also nicht den Harndrang unterdrücken, nur weil jemand unter der Dusche Arien trällert. Die Klimaanlage hat wie schon gesagt Großartiges geleistet und auch frische Luft geliefert. So musste man nachts nicht das Fenster offen lassen. Es gab in der kleinen Gasse zwar so gut wie keinen Autoverkehr, aber gegenüber war ein durchgehend geöffneter Lebensmittelladen, vor dem immer mal Kunden gequatscht haben, außerdem standen auf der Straße die Raucher aus unserem Hostel, die sich auch ganz wichtige Sachen zu erzählen hatten.
Sehr erfreulich war, dass in dem Hostel überwiegend Einzelpersonen oder Paare waren, die nicht lärmend über die Flure gezogen sind, wie ich das bei meiner letzten Übernachtung in Madrid erlebt hatte, wo ich von Schulklassen umringt war, die sich im Hostel richtig ausgetobt haben. Hier, im „Adventure Hostel“ hält man sich die Schulklassen dadurch vom Hals, dass man ein Mindestalter von 18 Jahren festgelegt hat.
Apropos Alter: Eigentlich hatte ich schon vor ein paar Wochen im Hostel „UNPLAN“ gebucht, aber dann im Kleingedruckten gesehen, dass es dort ein Höchstalter von 65 gibt! Ich hab daraufhin angefragt, ob man vielleicht bei einem rüstigen Rentner, der zu Fuß nach Santiago will, eine Ausnahme machen kann. Aber die waren unerbittlich und haben mir geschrieben, dass sie keine Ausnahme machen und meine Reservierung nicht aufrechterhalten können. Also habe ich dort storniert und neu gebucht, wobei ich sogar noch günstiger gefahren bin. Jetzt habe ich nur 11,88 € statt vorher 16 € bezahlt. Inklusive City-Tax.
Ich war morgens schon sehr zeitig wach und hätte gut schon um sechs aufbrechen können. Da aber zu meiner Überraschung auf der Schlüsselkarte stand, dass Frühstück inklusive ist und ab 7 Uhr serviert wird, hab‘ mich noch ein paar Mal umgedreht und bin dann so aufgestanden, dass ich kurz vor sieben in der Lobby war. Vorsichtshalber habe ich noch mal an der Rezeption gefragt, ob wirklich Frühstück inklusive ist. Das war natürlich nicht der Fall, man hatte nur vergessen, das „inklusive“ durchzustreichen.
Ich habe da nicht diskutiert, sondern bin gleich losgezogen und habe mir einen schon offenen (bzw. durchgehend geöffneten) Bäcker gesucht, wo ich für 3,50 € einen Café con leche und ein kleines, getoastetes Baguette mit Olivenöl und Tomate bekommen habe. Letzteres hätte es bestimmt im Hostel nicht gegeben. Insofern war ich ausgesöhnt und habe ich mich nur geärgert, dass ich eine Stunde vertrödelt habe. Es sollte ja heute wieder warm werden, da war es angebracht, zeitig aufzubrechen, zumal es morgens noch sehr bedeckt und windig war, so dass man da ganz gut laufen konnte.
Zum gestern angesprochenen Thema „Falsche Auskünfte“ kann ich noch einen Nachtrag liefern. Mittags hatte ich auf dem Weg zum Hostel ganz in der Nähe einen Dia-Supermarkt entdeckt, der bis 22 Uhr geöffnet ist. Als ich mir abends ein „Estrella Galicia“ als Schreibhilfe holen wollte, wusste ich aber nicht mehr, wo ich den Markt gesehen hatte. Ich habe deshalb eine Dame an der Rezeption gefragt, wo denn in der Nähe ein „Dia“ sei. Also in der Nähe wäre gar keiner und lt. Kartenprogramm, wo sie schnell „Dia“ eingetippt hat, wäre der nächste weit weg in der Innenstadt. Ich habe daraufhin die zwecks Rabatt auf meinem Smartphone installierte Dia-App aufgerufen, die mir jede Menge Filialen in der Umgebung gezeigt hat, Die nächstgelegene war am Hostel um die Ecke etwa 50 Meter entfernt …
Da ich gestern wiederholt zwischen Santiago-Kirche und Hostel hin und her gelaufen bin, habe ich es heute früh unterlassen, zur Kirche zurück zu laufen, um standesgemäß dort zu starten. Stattdessen bin ich dort eingestiegen, wo ich gestern vom Jakobsweg zum Hostel abgebogen bin. Das gestrige Stückchen werde ich einfach vorn an den heutigen Track anhängen.
Der Weg führte zunächst durch eine typische Hauptverkehrsstraße mit vielen Geschäften, die morgens aber noch alle zu waren. Die Straße verläuft zwar ziemlich geradeaus, ändert aber auf der Hälfte ihren Namen von „Calle de San Bernardo“ in „Calle de Bravo Murillo“. Ihr Endpunkt ist der „Plaza de Castilla“, der von den beiden schräg stehenden Bank- bzw. Versicherungsgebäuden flankiert wird. Da geht es nach links (Norden) vorbei an einer ganzen Reihe an Wolkenkratzern bis zur Autobahn (Autovia de Colmenar) und dahinter, der Autobahn folgend, zunächst nach Westen und dann wieder nach Norden bis zum Stadtrand hinter dem Friedhof von Fuencarral. Die mehrstöckige Wohnbebauung ist dort auf einen Schlag zu Ende. Ohne jeden Übergang durch kleinteilige Bebauung steht man nach dem Unterqueren einer weiteren Autobahn (M40) plötzlich in einer endlos erscheinenden Steppenlandschaft.
Nach einigen Kilometern durch diese unwirtliche Landschaft trifft man wieder auf Eisen- und Autobahn, die nach Tres Cantos, meinem Tagesziel, und darüber hinaus führen.
Der Weg verlief auf den letzten Kilometern zwischen Bahnlinie und Autobahn durch ein steppenähnliches Gelände, wie es hier überall anzutreffen ist. Der ausgeschilderte Weg ist geschottert und gewalzt und lässt sich gut laufen. Viel besser läuft man aber auf dem neu angelegten, vier Meter breiten, asphaltierten Radweg an der Autobahn. Wie an anderen Stellen im Land habe ich aber niemand getroffen, der das Fahrrad ans Fortbewegungsmittel benutzt, sondern nur (Hobby-) Rennfahrer, die da hoch und runter brausen. Die sind aber nett, grüßen einen und drängeln nicht.
In Tres Cantos gibt es zwei Herbergen: eine in einem Kloster und eine in einer Flüchtlingsunterkunft. Beim Kloster hätte man sich zwei Tage vorher anmelden müssen, was ich aber erst heute gelesen habe. Also die privat betriebene Flüchtlingsunterkunft. Dort gibt es neben einem alten Haus und einer Baracke einen Container mit vier Betten, die für Pilger reserviert sind. Als ich gegen drei dort ankam, war erst ein Koreaner (Koo, gesprochen „Gu“) da, nach mir kamen aber noch zwei Italiener, Allessandro (kurz „Sandro“) aus der Nähe von Turin und Margit aus Südtirol, die vorher reserviert hatten. Damit war die Bude voll.
Die Unterkunft ist zugegebenermaßen sehr spartanisch und durchaus auch renovierungsbedürftig. Im Bad hat schon mal jemand versucht, die Silikonfugen nachzuziehen. Aber offenbar hat der die Kartusche verkehrt herum gehalten, vorn gedrückt und hinten die dicke Silikonwurst in die Fuge plumpsen lassen und das offenbar unter laufendem Wasser.
Ich habe mich wie Koo dazu überreden lassen, am Abendbrot teilzunehmen. Die Grundstücksbesitzer waren selbst nicht dabei, sondern nur eine Handvoll Schwarze und endlos viele Kinder. Beim Essen konnte man nichts falsch machen: Burger-Brötchen und Hackfleischscheiben aus dem Kühlregal, drei Minuten in der Mikrowelle erwärmt. Aber dreckig und unaufgeräumt war es in dem vermeintlichen Wohnzimmer. Da hat es einen nicht lange gehalten.
Draußen auf dem Hof war es schön und sehr belebt. Da trollte ein Dutzend Kinder in allen Farbschattierungen rum. Die haben uns ausfragen und in ihre Spiele einbeziehen wollen. Koo, der Koreaner, hat sich da schnell einbinden lassen. Das ist ein netter Kerl, der sehr aufmerksam ist und mich beim Abendbrot regelrecht bedient hat. Der ist auch schon Rentner und auf seinem achten Jakobsweg. Er unterhält sich auch sehr gern, spricht aber leider fast gar kein Englisch, was die Sache erheblich erschwert. Aber die Kinder, die draußen noch rumtollten, als wir schon in den Betten lagen, waren mit ihm zufrieden.
Am Abend war es noch furchtbar warm in unserem Container. Alle lagen ohne Decke o.ä. in den Betten und ein großer Ventilator schaufelte die Luft um. Nachts gegen drei wurde es dann aber ziemlich frisch und ich musste sogar meinen Schlafsack rausholen. Den Ventilator hatte schon jemand ausgeschaltet. Nun ist zu hören, wie verkehrsgünstig wir wohnen: auf einem schmalen Streifen zwischen Auto- und Eisenbahn.
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Von Madrid nach Santiago de Compostela - Tag 1 | ![]() |