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Unterwegs von Madrid nach Santiago de Compostela | ![]() |
Tag 3 (Fr, 29.8.2025) - Von Manzanares nach Cercedilla / 23,9 km
Ich habe in der letzten Nacht weit besser geschlafen, als erwartet. Abends war nur stickig warme Luft zwischen der oberen Etage des Doppelstockbetts und der Laubendecke. Später zog dann aber doch frische Luft durch die Laube und nachts musste ich sogar zu der bereitgelegten Decke greifen, weil es kühl wurde.
Morgens habe ich geträumt, dass mich ein Wolf mit Rotkäppchen verwechselt und angefallen hat. Das ist vermutlich ein Trauma, das vom Wandern durch Brandenburger Wälder herrührt - im Wald kurz vor Kloster Lehnin hängen mittlerweile Schilder, dass man wegen der Wölfe nicht allein in den Wald gehen soll … Aber ich habe den Wolf mit einem kräftigen Fausthieb niedergestreckt. Leider sind dadurch die Italiener unter mir wach geworden. Aber da es eh fast um sieben war und wir um sieben aufstehen wollten, war das kein Problem.
Die Wirtin hatte uns noch am Abend ein Tablett mit Frühstücksutensilien auf den Tisch gestellt. Sehr vielfältig war das Angebot nicht, aber immerhin gab es Kaffee, Toastbrot, Margarine und Pflaumenmus. Letztere zählt zwar nicht zum diabetischen Pflichtprogramm, war aber ganz lecker und ehrlich gesagt auch gar nicht sehr süß. Wie die Brombeeren, an denen man hier laufend vorbei kommt. Die sind zwar schwarz, aber ganz klein und trocken. Die schmecken trotzdem sehr fruchtig und sind bei weitem nicht so süß wie bei uns.
Von der kleinen Terrasse vor unserer Laube bot sich ein schöner Blick über den Stausee auf den Sonnenaufgang. Da der Stausee nicht richtig voll ist, gab er den Blick frei auf eine Allee parallel zum jetzigen Ufer. Es sah ganz witzig aus, wie dort eine Reihe belaubter Bäume aus dem Wasser schaut. Das wäre was für den Kamera-Zoom gewesen.
Die offenbar noch gar nicht sehr alte Siedlung, in der wir unser Quartier hatten, war auch recht sonderbar, denn die Häuser wurden auf oder neben die riesigen Felsblöcke gebaut, die hier überall die Berghänge verzieren. Manche haben sogar auf den Felsen neben ihren Häusern Aussichtsplattformen angelegt.
Heute waren es nur etwas über 20 km, weshalb keine Eile angesagt war und wir auch erst nach acht nacheinander aufgebrochen sind. Die ersten zehn Kilometer bis Mataelpino ging es auf einem planierten Waldweg, auf dem auch immer mal Bauern oder Pferdebesitzer mit ihren Autos fahren, denn hier haben einige Pferdekoppeln und Viehweiden, die sich aber in der weiten Landschaft fast verlieren. Witzig war ein Brunnen mit Wasserbecken, an dem Schilder angebracht waren, dass Hunde dort nicht trinken dürfen. Da man da aber vor Kuhfladen gar nicht treten konnte, sind andere Tiere von dem Verbot offenbar ausgeschlossen.
Etwa an dieser Stelle habe ich einen Abstecher zu einer etwas abseits auf einem kleinen Felsen stehenden Kapelle gemacht, die dem Hl. Isidor geweiht ist, welcher hier als Patron der Landwirte verehrt wird. Wie nicht anders zu erwarten, war die Kapelle verschlossen, aber man konnte einen Blick durch die Glastüren werfen. Die war innen mindestens so ordentlich wie ihr eingezäuntes Umfeld, wo viele normalerweise durstige Gartenblumen in voller Blüte standen. Es muss wohl mindestens täglich jemand den Weg dorthin auf sich nehmen.
Den ganzen Tag ging es an der Südflanke einer Bergkette entlang, über der morgens noch dunkle Wolken standen. Aber wie versprochen gab es keinen Regen. Temperaturen knapp über 20 Grad und ein frischer Wind ergaben zumindest vormittags ein hervorragendes Wanderwetter. Am Nachmittag waren zwar die dicken Wolken verschwunden, aber ein interessanter Mix aus Schleier- und Häufchenwolken (Cirrus- und Cumulus-Wolken) haben auch am Nachmittag dafür gesorgt, dass die Sonne nicht zu sehr brennt.
In Mataelpino, einem nicht sonderlich herausstechenden Ort mit durchaus gepflegten Alt- und Neubauten und einem netten, mit Girlanden geschmückten Platz vor dem Rathaus, bin ich an einer Pilgerherberge vorbeigekommen. Als ich einen Blick hineinwerfen wollte, bin ich direkt den Hospitaleros in die Arme gelaufen: Gabriela aus Lissabon und Norman, einem Deutschen aus der Frankfurter Gegend. Die haben jetzt zwei Wochen die Herberge gehütet und hatten in dieser Zeit nur drei Pilger zu betreuen. Die haben sich natürlich gefreut, dass jemand wenigstens zum Quatschen kam. Das hat mir prompt eine Tasse Kaffee und beim Gehen noch eine Banane eingebracht.
Dass die kleine, sehr ordentliche, aber leider nicht sonderlich gemütliche 6-Betten-Herberge so wenig frequentiert wird, liegt ganz sicher an ihrer Lage. Von hier sind es noch etwa 10 km bis Cercedilla, von wo man nonstop 30 km über die Berge muss. Letzteres ist schon allein eine Herausforderung, da wird wohl kaum jemand freiwillig eine 40-km-Etappe draus machen. Und Pilger, die sich in 10 km-Sprüngen vorwärts bewegen, sind hier wohl auch eher selten. Es ist wirklich schade für Leute, die sich unentgeltlich ein, zwei Wochen als Herbergsbetreuer zur Verfügung stellen, wenn sie so wenig Gelegenheit haben, Pilgern ihre Dienste zu erweisen. Norman hat sich damit getröstet, dass er sein Auto dabei hatte und Ausflüge in die Umgebung machen konnte.
Hinter Mataelpino wurde der Weg dann wieder ziemlich übel. Es ging auf schmalen, oft zerfurchten Wegen zwischen den Felsen auf und ab und dann ein Stück parallel zur Landstraße nach Navacerrada. Das ist offenbar ein sehr touristischer Ort, denn um den kleinen Kreisverkehr mitten im Ort gab es allein mindestens zwölf Gaststätten, von denen bestimmt acht geöffnet waren. Ein paar Meter weiter kam die nächste Kreuzung mit fast genau so vielen Gaststätten. Und auch in allen Seitenstraßen standen Stühle am Straßenrand.
Ich hatte aber keine Lust, mich da irgendwo rein oder vor die Tür zu setzen und auf den Kellner zu warten. Ich bin stattdessen in eine Fleischerei und habe mir dort eine Empanada (Teigtasche) geholt. Die Sorten, die mir der Verkäufer zur Auswahl nannte, haben mir natürlich nichts gesagt. Und auch als er mir drei zur Auswahl präsentierte, konnte ich keinen großen Unterschied feststellen. Ich habe deshalb die Nummer 2 genommen. Draußen habe ich erst geschnallt, dass die Empanada frisch aus dem Kühlschrank kam und deshalb ziemlich bissfest war. Ich bin nochmal rein und habe gefragt, ob man mir das Teil nochmal kurz in die Mikrowelle schieben kann, aber sowas hatten die nicht. Da habe ich mich in der nächsten Parkanlage am Rande einer ganz tollen BMX-Bahn im Schatten auf eine Bank gelegt und derweil die Empanada ein paar Meter entfernt zum Auftauen in die Sonne auf einen heißen Stein gelegt. Anschließend ließ die sich ganz gut verzehren.
Der Weg aus Navacerrada heraus war ein Vorgeschmack auf das, was mich morgen erwartet. Es ging ziemlich steil bis auf 1300 m hinauf, dann aber leider wieder hundert Meter runter. Als mein Zielort Cercedilla schon fast zu sehen war, kam die erlösende WhatsApp von Koo. Er hatte inzwischen das Hostel erreicht und unser gemeinsames Zimmer in Beschlag genommen. Ray und Rosa, unsere letzten Wirtsleute, hatten uns nämlich gestern nach dem Abendbrot und dem peniblen Notieren der Ausweisdaten ein paar Tipps gegeben und u.a. empfohlen, in Cercedilla im Hostel für 35 € pro Raum Doppelzimmer zu nehmen, statt für 20 € je Nase in der Herberge zu schlafen. So habe ich mich mit Koo zusammengetan und Rosa hat für uns genau wie für die Italiener telefonisch ein Doppelzimmer reserviert. Nun war ich mir aber nicht sicher, ob Koo das alles richtig mitbekommen hat. Ich mache ja wenigstens ein dummes Gesicht, wenn ich was nicht verstehe, aber ein Koreaner nickt und lächelnd in einem solchen Fall.
Wir waren vorhin noch gemeinsam draußen einkaufen. Nun schläft er schon seit um acht. Ich war zwischendurch mal kurz unten an der Rezeption, um mir einen Stempel zu holen. Da bin ich auf die beiden Italiener gestoßen, die mit einer Flasche Wein im leeren Speisesaal saßen. Die haben mich noch auf ein Glas eingeladen und wir haben uns einen Moment gut unterhalten, sind dann aber auf unsere Zimmer verschwunden, weil wir morgen alle sehr zeitig aufbrechen wollen, um auf den Pass zu kommen, bevor die Sonne richtig hoch steht.
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