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Unterwegs von Madrid nach Santiago de Compostela | ![]() |
Tag 4 (Sa, 30.8.2025) - Von Cercedilla nach Zamarramala / 35,0 km
Heute sind wir sehr zeitig aufgestanden und aufgebrochen, um den üblen Aufstieg möglichst noch in der morgendlichen Kühle zu schaffen. Die Italiener wollten um fünf los und wir eigentlich um sechs. Ich war schon viel früher wach und als Koo um halb fünf aufs Klo ist, habe ich schon mal zu packen angefangen. Als er zurückkam, habe ich gefragt, ob er noch weiter schlafen will. Er hat „ja“ gesagt und angefangen, sich anzuziehen. Das mit der Kommunikation ist also noch verbesserungsfähig …
Kurz nach fünf sind wir beide dann auch aufgebrochen. Da war es noch stockfinster. Sonnenaufgang ist hier etwa 7.40 Uhr. Da an der Straße, die ins Gebirge führt, einige Wochenendsiedlungen liegen, ist sie noch ein ganzes Stück mit Laternen versehen. Dahinter hat das Sternenlicht die Straße soweit ausgeleuchtet, dass man die weißen Streifen sehen konnte und eine Taschenlampe nicht erforderlich war. Das ist bei uns unvorstellbar - die drei Sterne am Himmel könnten gar nichts ausleuchten. Als der Weg dann aber in den Wald abtauchte, mussten wir unsere Smartphone-Kameras anmachen, zumal auch Wolken aufzogen.
Es ging dann ein Stück auf einem Waldweg weiter und dann ziemlich steil bergauf auf den Resten einer alten Römerstraße. Die war bestimmt einst sehr sorgfältig gepflastert, aber Sturzbäche, Eis und Schnee sowie die Wurzeln der Bäume haben der alten Straße so zugesetzt, dass eigentlich nur eine Geröllhalde geblieben ist. Dort hoch zu klettern war wirklich mühselig und musste mit Bedacht erfolgen, um sich nicht die Füße zu verstauchen. Koo hat das besser gemeistert als ich und ist mir schon an diesem ersten Anstieg entfleucht.
Wie froh war ich, als der Pfad in einer breiten, glatt gewalzten Forststraße seine Fortsetzung fand. Die ging nur ganz moderat bergauf und lief sich wunderbar. Als die dann aber nach Süden abknickte, hab‘ ich doch mal auf die Karte geschaut und gesehen, dass ich falsch bin. Also zurück. Das waren nur ein paar hundert Meter und der Zeitverlust war gering. Als ich wieder an der Stelle war, wo ich falsch weitergelaufen bin, habe ich gesehen, dass gegenüber dem gemachten Aufstieg ein Pfeil am Felsen war und dort der nächste Aufstieg auf mich gewartet hat. Den Pfeil habe ich aber auch nur gesehen, weil es inzwischen hell wurde. Hier habe ich mich ein bisschen über Koo geärgert. Wir waren ja mit dem stillen Übereinkommen losgezogen, uns auf dem schwierigen Wegstück gegenseitig Beistand zu leisten. Dass er da schneller hochkraxelt ist ja ok, aber ich würde dann zwischendurch mal warten, bis der Andere ran ist. Da, wo der Weg auf die schöne Forststraße trifft, wäre ein guter Platz zum Warten gewesen …
Egal, inzwischen war es hell und ich habe den Rest bis hoch auf den Pass gut allein hinbekommen. Während ich da noch mühevoll Schritt für Schritt hochstapfte, schrieb mir Koo, dass er schon auf dem Abstieg ist. Ich habe mir, oben angekommen, erstmal auf die Schulter geklopft. Diese halbe Etappe lag mir schwer im Magen, seitdem ich mich mit dem Camino de Madrid beschäftigt habe. Dass ich die geschafft habe, hat mich froh und stolz gemacht. Und nun hatte ich gar keine Eile, nach Segovia bzw. noch ein Stück weiter in die Herberge zu kommen. Das ist eine 40 Betten-Herberge und außer uns Vieren wird da kaum einer sein.
Ich habe also immer mal ein Päuschen gemacht und bin trödelnd bergab gelaufen. Das ging zunächst auf einem noch recht intakten Stück Römerstraße und dann sogar auf einem geteerten Forstweg. Als dann der Camino von dieser Teerstraße abzweigte und wieder über Geröllhalden führte, habe ich sehr mit mir gerungen, ob ich nicht auf der Straße bleiben und damit viel Kraft und Zeit sparen soll. Aber ich bin hart geblieben: kein Schummeln.
Als sich dann zum ersten Mal Blicke aus dem recht dichten Kiefernwald auf die vor mir liegende Landschaft boten, war ich fasziniert. Es kamen hinter dem Wald noch ein paar Buckel, die mit wildem Getreide bewachsen waren und hell in der Sonne leuchteten. Da standen nur wenige Bäume, aber auch Neuanpflanzungen, die noch durch Gitter geschützt waren. Einen richtigen Weg gab es da nicht, manchmal waren es aber dank der Mountainbiker drei oder vier nebeneinander.
Am Fuß dieser Buckel war dann steppenhafte Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckt. Mittendrin waren immer wieder Dörfer und Städte zu sehen, wie z.B. Segovia, mein heutiges Ziel. Der Weg dahin zog sich aber endlos hin und die inzwischen hoch am Himmel stehende Sonne hat das Laufen zur Qual gemacht, obwohl angeblich nur 25 Grad waren. Nachts losgelaufen bin ich natürlich mit einer Jacke, kurz vorm Pass musste ich mir dann sogar noch meinen Pullover anziehen, denn es waren dort morgens nur 12 Grad und es blies ein kalter, scharfer Wind.
Als ich ziemlich abgekämpft in Segovia ankam, war es schon fast um vier. Ich habe mir im ersten Supermarkt eine eiskalte Fanta geholt und mich damit in einem nahen Park im Schatten niedergelassen. Und dann habe ich endlich nachgeholt, was ich seit Stunden vorhatte, aber mangels Schatten nicht umsetzen konnte: ein Mittagsschläfchen.
Etwas erholt ging es nach einer halben Stunde weiter in die Innenstadt, wo ein riesiges, aus Steinquadern gefügtes Aquädukt über den Marktplatz verläuft und auf der anderen Seite auf dem Hügel mit der Altstadt verschwindet. Auf dem Platz und in den dorthin führenden netten Gassen wimmelte es an Menschen. Es war schließlich Sonnabend. Alle hatten eine Wasserflasche unterm Arm und die Kamera im Anschlag. Auf der Treppe, die neben dem Aquädukt hoch in die Altstadt führt, war kaum ein Durchkommen, weil da so viele Leute Selfies machen wollten, was mit einem solchen riesigen Bauwerk im Hintergrund gar nicht so einfach ist.
Außer dem Aquädukt gibt es aber noch so vieles zu sehen, dass man da eigentlich einen Tag Pause einlegen müsste. Ein anderes Mal. Ich habe mir wenigstens noch die Kathedrale und eine kleine Kirche in einer früheren Synagoge angeschaut. Beide waren mit Eintritt, was mir die Sache aber wert war, weil sich jedes Mal eine Steckdose fand, an der ich Smartphone und Powerbank etwas aufladen konnte. Beides hatte ich tagsüber zu sehr strapaziert.
Aus der Altstadt führen Treppen vorbei an der Santiago-Pforte hinunter nach Los Marcos, von wo es nicht mehr sehr weit bis Zamarramala ist, wo sich die städtische Herberge von Segovia befindet. Das war ein Lichtblick, das Problem war nur, dass wir uns in Segovia mit Lebensmitteln eindecken sollten, weil es in Dorf angeblich nichts gibt.
Auf dem Weg nach Segovia hinein war ich an vielen offenen Geschäften vorbeigekommen. Da wollte ich aber noch nicht einkaufen und alles durch die Gegend tragen. In der Altstadt fand ich dann aber keinerlei Lebensmittelladen. Nochmal zurück zu den Geschäften wollte ich allerdings auch nicht. Da habe ich mir in einem Bäcker ein paar Empanadas fürs Frühstück und ein kleines Baguette für den Abend gekauft. Wurst hatte ich noch im Rucksack - und Vertrauen drauf, dass sie hinreichend konserviert ist, um die Hitze zu überstehen.
So gerüstet bin ich etwa halb sieben losgezogen. Da kamen von meinen Mitreisenden schon laufend Anfragen, wo ich denn bleibe, unter anderem, weil sie besprechen wollten, wo wir morgen nächtigen, da am Zielort keine Herberge, sondern nur ein Hotel ist. Da hat Sandro letztlich wieder zwei Doppelzimmer gebucht.
Wir sind übrigens in der sehr ordentlichen, zweistöckigen Herberge in Zamarramala die einzigen Gäste. Insgesamt gibt es da 40 Betten! Sandro hatte als ich kam schon herausgefunden, dass es im Dorf gleich um die Ecke doch einen kleinen Laden gibt. Da bin ich um halb acht schnell hin und habe dort neben Getränken auch noch eine letztlich ganz leckere Portion Lomo (Lende) mit Kartoffeln für die Mikrowelle bekommen. Damit war der Abend gerettet.
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