Unterwegs von Madrid nach Santiago de Compostela
Tag 5 (So, 31.8.2025) - Von Zamaramalla nach Santa Maria la Real de Nieva / 27,8 km
Die heutige Etappe war zwar mit 30 km wieder ziemlich lang, aber es waren Wolken und angenehme Temperaturen angesagt. Da gab es also keinen Grund zur Eile. Abgesehen von Koo, der lange vor uns losgestürzt ist, sind wir gegen sieben losgelaufen. Da ist hier ja immer noch dunkel.
Es ging eigentlich den ganzen Tag entlang abgemähter Getreidefelder. Die Landschaft, die vom Berg aus so platt aussah, erwies sich übrigens als recht hüglig. Die ähnelt durchaus der Uckermark. Und auch die Kneipendichte erinnert sehr an Brandenburg - auf 30 km bis zum Ziel gab es hier nichts. Es gab auf dem Weg nur fünf Dörfer, von denen sich drei so zwischen den Hügeln versteckten, dass man sie erst sah, als man schon fast da war. Die wirken auch alle ziemlich ausgestorben. In Aña, einem Dorf auf der Mitte des Weges, in dem ich mich mit den Italienern getroffen habe, hat Sandro mit einem kleinen Jungen Tischfußball gespielt, weil der keinen Partner hatte.
Trotz der versprochenen Wolken kam die Sonne doch manchmal ungebremst durch und erschwerte erheblich das Vorwärtskommen. Große Pakete gepressten Strohs waren hingegen die perfekte Einladung zu einem Mittagsschläfchen. Bequemer kann man kaum liegen. Etwas Probleme hat mir nur die Luft gemacht. Man läuft ja hier auf einer Hochebene in knapp 1000 Meter Höhe. Wenn da noch ein Tiefdruckgebiet dazu kommt, wird die Luft ziemlich dünn - so scheint es mir zumindest.
Dann ging es mit der Landschaft so weiter. Da wird man wirklich nicht abgelenkt. Allerdings ging es auch mal mehrere Kilometer ganz glatt auf einem Radweg entlang des kanalisierten Rio Eresma, der hinter einer wilden Hecke kaum auszumachen war. Vielleicht war ich aber auch durch die vielen Brombeeren abgelenkt, die alle verkostet werden wollten. Hinter dem Flüsschen waren große Baumplantagen. Da waren Pappeln (?) so in Reih und Glied ange­pflanzt, so dass man sie leicht ernten kann. Da alle Bäume gleich hoch waren, sah es aus, als hätte sich da gerade einer mit der Heckenschere ausgetobt.
Es ging auch mal durch einen Kiefernwald, in dem alle Bäume angeritzt und mit Töpfen zum Auffangen des Harzes versehen waren. Das war bei uns auch mal üblich, ist aber ganz aus der Mode gekommen.
In Pinilla Ambroz, dem letzten Ort auf der Strecke, konnte man zwischen dem offiziellen Jakobsweg und der ein paar hundert Meter kürzeren Variante entlang der Straße wählen. Eigentlich wollte ich den offiziellen Weg nehmen, aber zum Glück habe ich auf der Karte nach dem Hostel „Avanto“ gesucht und gesehen, dass das südlich von Santa Maria la Real die Nieva an der Fernstraße liegt. Da kam eigentlich nur die alternative Route in Frage. Andernfalls hätte ich von Santa Maria ein ganzes Stück wieder nach Süden laufen müssen.
Um halb vier war ich endlich im Hostel, einer Art Raststätte, und wenige Minuten später hielt ich ein Glas mit köstlichem Bier in der Hand. Dann bin ich auf unser Zimmer, für das Koo schon den Schlüssel besorgt hatte. Da habe ich gleich wohlwollend zur Kenntnis genommen habe, dass es eine Badewanne gibt und sogar ein Stöpsel daneben liegt. Hier war also mal ohne Improvisieren ein Vollbad möglich. Während Koo Essen gegangen ist, habe ich mich in die Wanne gelegt und im wahrsten Sinne des Wortes ein Vollbad genommen. Die Wanne war wirklich fast randvoll und nur der oberhalb des Kinns befindliche Teil des Kopfes schaute noch raus. War das schön!
Als ich dann um halb fünf wieder runter in die Gaststätte ging, wo ich mich mit den Italienern verabredet hatte, kam Koo vom Essen zurück, um sich wie üblich den Rest des Tages im Zimmer zu verkriechen.
Die Gaststätte im Hostel war riesig: zwei Säle, die jeweils eine ganze Seite des Hauses einnahmen. Und es war nachmittags bärig voll, fast ausschließlich Familien mit Kindern. Das muss, gut an der Fernstraße gelegen, so eine Art Ausflugsgaststätte sein. An manchen Tischen wurde aber offenbar auch etwas gefeiert. Es war auf alle Fälle mächtig laut. Wir haben uns deshalb an einen leeren Stammtisch gesetzt, bis es uns auch da zu laut wurde, weil im Fernseher über uns eine Sportsendung begann, die einige männliche Stehgäste angelockt hat. Als ein schöner rustikaler Holztisch in der Nähe der Bar frei wurde, sind wir dahin umgezogen. Da haben wir uns irgendwie verquatscht. Wir hatten aufgeschnappt, dass es ab 19 Uhr das preiswerte Tagesmenü gibt und wollten vorher eigentlich nochmal aufs Zimmer. Aber plötzlich war es kurz vor halb sieben. Da lohnte es denn auch nicht mehr und wir haben die verbleibende Zeit mit einem weiteren Bier überbrückt. Als wir uns dann um sieben zum Essen an einen anderen Tisch setzen wollten, wurde uns aber offenbart, dass es erst ab acht Essen gibt. Da sind wir dann doch nochmal auf die Zimmer.
Als wir um acht wieder runter kamen, war die Gaststätte bis auf einen Stammtisch völlig leer. Einige der Kellner lungerten noch vor dem Fernseher herum, aber auch deren Schar lichtete sich bald. Der Kellner, der uns bediente, schien auch bald Feierabend zu haben, denn der beeilte sich mächtig mit unserer Bedienung. Zum Bestellen hat er uns eine Liste mit den fünf Vorspeisen und den fünf Hauptgerichten zur Auswahl hingelegt und ist zwecks Bestell­annahme gleich stehen geblieben, obwohl wir noch Mühe hatten, uns vom Smart­phone die Gerichte übersetzen zu lassen. Die nur in einfacher Ausfertigung vorliegende Liste musste ja erstmal rumgereicht werden, damit jeder die Kamera rauf halten kann.
Ich habe wie Margit, die selbst im Gastgewerbe arbeitet, eine Kastilische Suppe als Vorspeise gewählt. Das war eine ganz gut schmeckende Suppe unbekannten Inhalts, auf der ein Spiegelei schwamm. Sandro, ein berenteter Polizeioffizier, hatte einen Teller Bohnen und war als erster fertig, weil er die Bohnen gleich in eine Tupperdose umgefüllt hat, um am anderen Tag was für unterwegs zu haben. Beim Abräumen hat mir der eilige Kellner die Suppenschüssel schon entrissen, als ich mit dem letzten Löffel noch auf dem Weg zum Mund war. Als Hauptgericht hatten Sandro und ich Lomo (Lende) bzw. Kalbfleisch mit Pommes, was gut und ausreichend war. Margit hatte ein riesige, fingerdicke Scheibe Schwertfisch mit Salat, was sehr lecker aussah und gut geschmeckt haben soll. Als Nachtisch hatten wir uns Eis ausgesucht. Das alles inklusive Rotwein für 12 € war ok und ist hier inzwischen eine Seltenheit.
Sandro hat darauf bestanden, dass wir das Essen mit einem Kräuterlikör beschließen und ich habe darauf gepocht, dass wir mit einem Bier nachspülen, da der Likör doch ganz schön am Gaumen klebte.
Auf dem Papierschnipsel, den wir dann als Rechnung bekamen, standen auch die 100 € für zwei Doppelzimmer. Alles ok und wie vereinbart, nur dass vermutlich der Finanzminister davon nichts zu sehen bekommt. Während in den Herbergen ganz penibel der ganze Personalausweis abgeschrieben wird, mussten wir den hier nicht mal vorzeigen. Pilger sind hier offenbar ein willkommenes Nebenbei-Geschäft. Aber egal, wir sind satt geworden und auch nicht durstig, sondern fröhlich auf die Zimmer verschwunden.

Von Madrid nach Santiago de Compostela - Tag 5