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Unterwegs von Madrid nach Santiago de Compostela | ![]() |
Tag 14 (Di, 9.9.2025) - Von Villarente nach Villadangos del Páramo / 33,9 km
Wir hatten gestern nicht ausgemacht, wer wie lange schlafen will. Also bin ich um halb sechs, nachdem ich schon eine Weile wach gelegen hatte, raus aus dem Bett und habe mich angezogen und ganz leise meine Sachen gepackt. Ich glaube nicht, dass ich dadurch jemand geweckt habe. Ich habe auch keine Smartphone-Taschenlampe benutzt, sondern nur ganz zum Schluss mit dem normalen Smartphone-Licht das Bett und die Umgebung nach Liegengebliebenem abgesucht.
In dem Raum mit den zwei großen Tischen habe ich mich dann zum Frühstück niedergelassen. Ich habe ja schon beanstandet, dass in der Herberge alle laut Bildern einst vorhandenen Küchengeräte verschwunden sind. Geschirr und Besteck gibt es auch nicht. Also habe ich mir meine Brote auf einer ausgebreiteten Plastiktüte mit meinem Notfall-Kinderbesteck geschmiert. Das ging auch. Da ich unter diesen Bedingungen mit meinem zwischenzeitlich erworbenen löslichen Kaffee nichts anfangen konnte, hatte ich mir gestern Abend extra noch im Eroski-Supermarkt zwei Kaffeebecher aus dem Kühlregal geholt. Normalerweise meide ich die, weil da so viel Zucker drin ist, beim Espresso zum Beispiel fast 10%. Hier hatten sie Café con leche-Becher ohne Zuckerzusatz. Da waren nur gut 4% Milchzucker drin.
Die fehlende Küche war bei der schönen Herberge ein echtes Manko. Die für das Bett geforderten 15 € waren m.E. genau wie die 15 € fürs Abendessen etwas überzogen, aber vielleicht ist da jeweils Museumseintritt eingerechnet.
Um halb sieben bin ich aufgebrochen und um neun war ich bereits in León. Allerdings am Stadtrand und das heißt, es ist noch ein ganzes Stück bis ins Zentrum zu laufen. Vor drei Jahren habe ich gleich am Stadtrand in der an sich sehr guten Herberge „Tomas de Canterbury“ eingecheckt und mich dann getückt, dass ich zur Stadtbesichtigung so weit laufen musste und natürlich spät abends auch das ganze Stück zurück.
Ich bin heute auf den ausgeschilderten Weg direkt bis zur Kathedrale und habe mich dort umgesehen, auch hinter der Kathedrale, wo es noch reichlich Stadtmauer gibt. In der Kathedrale drinnen war ich dieses Mal nicht, das hatte ich damals. Irgendwann kann man die Kathedralen eh nicht mehr auseinander halten. Bei einem Picknick in einer Parkanlage habe ich leider erst zu spät bemerkt, dass sich zwei Getränkedosen in meinem Rucksack mit ihren Verschlüssen verhakt hatten. Als ich die eine Dose herausgezerrt habe, habe ich zugleich die zweite geöffnet, deren Inhalt sich daraufhin im Rucksack verteilt hat. Da musste ich schnell umpacken und den normalerweise ganz unten im Rucksack befindlichen Schlafsack außen anbinden, damit der nicht nass wird bzw. die schon nasse Stelle trocknen kann.
Der Weg durch Leon führte wieder über den Plaza de San Marcos, der auf einer Seite von der prächtigen Fassade einer früheren Pilgerherberge flankiert wird, die jetzt ein 5-Sterne-Hotel (Parador) ist. Von dem, was man da für ein Zimmer bezahlt, kann ich bestimmt zwei Wochen in neuzeitlichen Herbergen unterkommen.
Aus León heraus ging es durch ein Gewerbegebiet, das ich sogar wiedererkannt habe, weil damals vor einer der Hallen ein Pilgerverein einen Stand aufgebaut hatte und Kaffee und Snacks an die Vorbeikommenden verteilt hat. Heute war da leider nichts.
In La Virgen del Camino, wo es eine sehr sehenswerte, aber heute leide geschlossene, moderne Kirche gibt, gabelt sich der Camino. Der originale Weg verläuft entlang der Fernstraße N-120, der andere ein ganzes Stück südlich davon entlang kleiner Landstraßen. Ich habe mich wegen der etwas kürzeren Länge und dem zu meinen Plänen besser passenderen Herbergsangebot für die erste Variante entschieden. Ich hätte mal meine eigenen Pilgerberichte vom Frühjahr 2022 lesen sollen. Da habe ich schon über den Verkehr auf der N-120 gestöhnt und den ohrenbetäubenden Lärm beklagt. Den hatte ich heute wieder. Der andere, von Gronze ausdrücklich empfohlene Weg wäre bestimmt besser gewesen. Da hätte ich auch ein Stück mit der netten, jungen amerikanischen Lehrerin namens Taylor laufen können, die ich kurz vor der Weggabelung getroffen habe. Aber dann wäre ich wahrscheinlich noch schneller k.o. gewesen, denn die ist erst in León gestartet und hatte noch einen flotten Schritt drauf.
Ich bin also meinem Plan treu geblieben und meinem Tagesziel Villadangos del Páramo entgegengestrebt. An eine Kirche in Valverde de la Virgen konnte ich mich noch gut erinnern. In dem hier typischen, nur aus einem Giebel mit Öffnungen für die Glocken bestehenden Turm sind unzählige Storchennester. Die waren damals alle besetzt und gaben ein gutes Fotomotiv ab. Heute waren sie alle leer. Vermutlich sind die Störche gerade alle in Deutschland Frösche picken. Die nette kleine Bar gegenüber, in der es die Bocadillos ganz säuberlich in Folie verpackt gab, hat leider zugemacht.
Als ich bei einer Rast nachgeschaut habe, wie die Küche der angestrebten Herberge ausgestattet ist, habe ich anhand der Bilder festgestellt, dass ich da schon mal übernachtet habe. Damals wusste ich gar nichts von der Herberge und bin auf der anderen Straßenseite fast vorbeigelaufen. Dann habe ich das Herbergsschild entdeckt und eine erwartungsvoll vor der Tür stehende Frau, eine italienische Hospitalera, gesehen. Da bin ich einfach mal rüber. Und siehe da, die Herberge, die gerade frisch renoviert wurde und deshalb in keinem Pilgerführer stand, war sehr ordentlich eingerichtet und fast leer. Da war nur eine ältere englische Pilgerin, die am Tisch saß und ihren Tagesbericht in einen Blog eingab. Wir haben uns damals untereinander und mit den beiden italienischen Hospitaleros gut verstanden.
Ich versuche zwar zu vermeiden, wiederholt das gleiche Quartier zu nehmen, aber hier wollte ich nicht umplanen, da ich einerseits so gute Erinnerungen hatte und andererseits auch nicht mehr als die ca. 36 km zu dieser Herberge geschafft hätte.
Ich bin da also freudestrahlend eingezogen, als ich endlich angekommen war. Dieses Mal sind hier spanische Hospitaleros von einem Pilgerverein in Sevilla. Die nehmen zwar alles sehr genau, sind aber trotzdem oder gerade deswegen nicht so familiär und einladend wie einst die beiden Italiener, die mit uns zwei verirrten Pilgern zusammen am Tisch gesessen und gegessen haben.
Nach meiner Ankunft und einem kurzen Nickerchen bin ich vorhin in den schon bekannten Dorfkonsum gelaufen und habe mir für heute Abend und morgen für den Weg was zu trinken geholt. Essen schleppe ich ja schon seit zwei Tagen mit mir rum. Es hätte mich zwar gereizt, auf einem der Ceranfelder mal ein paar ordentliche Rühreier zu machen, aber ich wollte auch mal mein Rucksackvolumen reduzieren, weshalb es Instantsuppe aus dem Becher und Meeresfrüchte-Paella aus der Mikrowelle gab.
Von den 48 Betten sind hier übrigens nur 9 belegt. Ein Flügel des Gebäudes mit sechs 4-Bett-Zimmern ist ganz leer und in unserem 24-Betten-Schlafsaal sind nicht mal alle Untergeschosse der zwölf Doppelstockbetten belegt.
Unter den Mitschläfern ist auch ein Italiener mit englischsprachiger weiblicher Begleitung. Den habe ich vorhin dabei erwischt, wie er in einem Tunnel irgendeinen tiefsinnigen Spruch an die Wand geschrieben hat. Ich ärgere mich hier immer über die Möchtegern-Philosophen, die mit dem Edding auf dem Pilgerweg unterwegs sind und ihre Sicht auf die Welt überall hinkritzeln. Auf Wände, Schilder und die schönen steinernen Wegweiser. Ich habe mich immer gefragt, was das für Typen sind. Jetzt sitzt einer vor mir, gerade am Tisch gegenüber. Nun habe ich ein fertiges Klischee für solche Leute: um die Vierzig, lange Haare mit Zopf, Rübezahl-Bart, Ohrringe und Wolfgang-Petry-Bändchen ums Handgelenk. Können diese Typen nicht einfach zuhause bleiben und ein Buch mit ihren weltverbessernden Gedanken schreiben, statt alles vollzukritzeln?
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