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Unterwegs von Madrid nach Santiago de Compostela | ![]() |
Tag 20 (Mo, 15.9.2025) - Von Vilamartin nach Quiroga / 32,0 km
Die Waschmaschine hat sich gestern doch noch erbarmt und das Waschprogramm mit einem Schleudergang beendet. Dann war noch etwas Geduld gefragt, bis die Frontklappe freigegeben wurde. Die Wäsche wurde schnell in den über der Waschmaschine stehenden Trockner umgelagert und nach 30 Minuten kam sie so trocken raus, dass man sie gleich anziehen konnte. Ich musste also nicht einmal auf meinen „Schlafanzug“ verzichten.
In der etwas abseits vom Dorf neben einem Schwimmbad gelegenen Herberge von Vilamartin habe ich ganz hervorragend geschlafen. Heute Morgen habe ich, um meine Leserschaft nicht zu früh zu wecken, bei eingeschaltetem Flugmodus meine letzten Berichte und diverse Bilder versandt. Erst beim Verlassen der Herberge gegen sieben habe ich den Flugmodus ausgeschaltet, um alles mit dem herbergseigenen WLAN zu verschicken, was ein ordentliches Gebimmel gegeben hat - sicher auch bei den Empfängern. WLAN ist hier nicht in allen Herbergen Standard. Erfreulicherweise gibt es aber in vielen Orten an zentralen Plätzen „WIFI4EU“, ein kostenfreies WLAN ohne Passwort, wofür man sich nicht mal registrieren, sondern nur die Nutzungsbedingungen akzeptieren muss.
Als weitere Annehmlichkeit der Herberge ist die Bettwäsche inkl. einer ordentlichen Decke zu erwähnen, was das Auspacken des Schlafsacks erübrigt hat. Außerdem gab es im Kühlschrank zur Selbstbedienung Wasserflaschen. Nur der Kaffee- und Getränke-/Snackautomat war außer Betrieb. Der wäre beim gegebenen „Andrang“ auch etwas übertrieben gewesen.
Bei meinem Aufbruch war es noch finster und da die an der Bahnlinie entlang führende Straße etwas löchrig war, musste ich die erste halbe Stunde mit der Smartphone-Taschenlampe in der Hand laufen. Der Mond sah als schmale Sichel zwar hübsch aus, hat aber nicht zur Straßenbeleuchtung getaugt.
Um acht war ich schon in A Rúa und ein paar Minuten später nahe der dortigen Herberge, in der Marco abgestiegen ist. Bis hier hätte ich gestern laufen müssen, wenn sich die Herbergstür in Vilamartin nicht auf fast wundersame Weise geöffnet hätte. Was heute früh ausgeruht und frisch ein Katzensprung war, wäre gestern Abend eine Tortur gewesen. In A Rúa fand sich dann auch der erste Kilometerstein mit weniger als 200 Kilometern bis Santiago. Das nenne ich einen Lichtblick!
Die 26,5-km-Etappe von A Rúa nach Quiroga hat mehrere Besonderheiten zu bieten: Abgesehen von den letzten ca. 5 km schlängelt sich der Camino mit dem Rio Sil durch ein enges Tal, überwiegend auf einer kaum befahrenen, aber hervorragend asphaltierten Straße, die auf 400…450 Metern Höhe in den Berghang geschnitten ist. Der Rio Sil fließt etwa auf 250 Metern Höhe. Man ist also ein ganzes Stück über dem Wasser und hat hervorragenden Blick in das mitunter recht enge Tal mit steilen, felsigen Hängen auf beiden Seiten. Eine sehr traurige Besonderheit sind die aktuellen Brandschäden, denn auf einigen Kilometern sind hinter A Rúa die Berghänge auf beiden Seiten fast vollständig abgebrannt. Auf den gegenüber liegenden Hängen sind einige Dörfer zu sehen, um die herum es völlig schwarz ist. Das heißt, die Dörfer waren von Flammen eingeschlossen, konnten aber irgendwie gerettet werden.
Auf meiner Seite habe ich gleich hinter A Rúa ein paar Fabriken gesehen, die an der Straße im Wald errichtet wurden und überall reichten die verbrannten Flächen bis an die Grundstücke heran. Bei einem Werk mit einer sehr großen Halle war sogar die Hecke entlang des Zauns dicht hinter der Halle abgebrannt. Wie man es geschafft hat, die Flammen im letzten Moment zu stoppen, ist mir schleierhaft. Ein Transporter hat es offenbar nicht mehr geschafft, der stand ausgebrannt in einer Parkbucht an der Straße. Traurig ist auch, dass man jetzt im ausgebrannten Wald den ganzen Müll zu sehen bekommt, der über die Jahre von der Straße den Hang runtergekippt wurde.
Nach dem total verbrannten Wald, der überwiegend aus mannshohen Sträuchern bestand, kam ein Abschnitt, der wie ein herbstlicher Wald aussah, alle Baumkronen in verschiedenen Brauntönen. Doch das waren keine Laubbäume, sondern Kiefern, die dem „O Tannenbaum“ zufolge das ganze Jahr über grüne „Blätter“ tragen. Zum Glück war es auch damit irgendwann vorbei und auf beiden Seiten des Tals zeigte sich die ursprünglich Vegetation in satten Grüntönen. Das war für die Augen eine wirkliche Wohltat.
In einem auch gerade so von den Flammen verschont gebliebenen Dorf mit einer Handvoll bewohnbarer Häuser hat eine Dame einen kleinen Verkaufsstand für die vorbeiziehenden Pilger aufgebaut, an dem man sich mittels Wasserkocher einen Kaffee oder Tee zubereiten konnte. Außerdem hatte sie verschiedene Saftpäckchen im Angebot. Kaffee hatte ich zum Frühstück schon viel zu viel getrunken und die süßen Säfte waren nichts für mich. Kalte Limos oder gar ein Bier hatte sie leider nicht zu bieten. Auf meine Frage nach einer Bar oder einem Kaufmannsladen habe ich die wohl schrecklichste Besonderheit dieses Tals erfahren und später erleben müssen: Bars und Geschäfte gibt es erst am Ziel in Quiroga - also 26,5 km strukturelle Wüste! Aber immerhin hat man in den wenigen Wochen seit den Bränden den Leuten neue Telefonleitungen gelegt, wenn auch nur sehr provisorisch: Die neuen Kabel liegen erstmal nur im Straßengraben, denn die Masten sind meist mit verbrannt und es wird wohl lange dauern, bis überall neue gesetzt sind.
In Os Albaredos, wo ich die traurige Kunde von fehlenden Bars bekam, gab es aber wenigstens eine Quelle, so dass ich meinen Wasservorrat auffüllen konnte. Das Quellwasser hat viel besser geschmeckt, als das in der letzten Herberge abgefüllte. Ich wollte in Vilamartin nicht unverschämt sein und hatte mir nur eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank genommen und eine zweite unterm Wasserhahn gefüllt.
Die Leute, die hier den Verlauf des Camino festgelegt haben, haben sich größte Mühe gegeben, den Pilger von der verlassenen Straße auf noch verlassenere Wege am Berghang zu führen. Ich habe da an einigen Stellen nicht mitgemacht. Das moderate Auf und Ab der Straße war auf die Dauer schon anstrengend genug. Warum soll ich von der bestens asphaltierten Straße, auf der pro Stunde in jeder Richtung ein Auto fährt, runter auf einen holprigen Weg, der parallel zur Straße, aber 50 Meter höher oder tiefer verläuft?
An einer Stelle sollte man durch einen abgebrannten Wald, in dem kaum noch Wege erkennbar sind, runter zu einem Dorf, das außer einem Bahnhof (Montefurado) nichts zu bieten hat, und dann natürlich wieder hoch von 300 auf 400 Meter. Hier bin ich ganz stur auf der Straße geblieben und deren weiten Windungen in die Seitentäler gefolgt. Das war bestimmt viel länger, aber weniger anstrengend als der vorgeschlagene Weg.
Hinter Montefurado konnte man von oben gut sehen, dass nicht nur die unten im Tal verlaufende Nationalstraße und die Bahn in Tunneln verschwinden, sondern auch der Rio Sil oder besser ein Kanal, der eine weite Schleife des Flusses abkürzt. Die Römer haben im 2. Jahrhundert Kanal und Tunnel gebaut. Letzterer war mal 120 m lang, nach einem hochwasserbedingten Einsturz im vorigen Jahrhundert sind es nur noch gut 50 m.
Da, wo die wenig befahrene Landstraße auf die N-120 trifft, führt der Camino eigentlich rechts ab in die Berge, um dem Dorf Bendilló einen Besuch abzustatten. Das habe ich mir verkniffen und bin auf dem Seitenstreifen der N-120 gelaufen, bis der Camino aus den Bergen zurückkam. Nach einem kurzen obligatorischen Stück entlang der Nationalstraße ging es seitlich ab nach O Soldón, wo es der Karte zufolge doch eine Bar geben soll. Und zwar unter der Brücke, auf der die N-120 einen Seitenarm des Rio Sil überquert. Ich habe sie auch gefunden: ein verrammelter Kiosk in der Mitte eines ganz netten Rastplatzes mit Bootsanlegestelle.
Auf einer separaten Brücke ging es über den besagten Seitenarm und dann auf kleinen Straßen links oder rechts neben der N-120 sowie auf selbst gewählten Abkürzungen nach Quiroga hinein.
Marco, der mir weit voraus war, aber mit dem ich immer mal Standorte und Nachrichten ausgetauscht habe, hatte mich eine Weile zuvor mit der Nachricht überrascht, dass er in Quiroga nicht in der Herberge abgestiegen ist, sondern in einem Hostel. Die Herberge hat ihm nicht zugesagt, weil da lauter Arbeiter und Soldaten sind. Ja, mit Pilgern werden die das 95-Betten-Haus nicht voll kriegen. Ich habe kurz vor der Stadt noch zwei spanische Pilgerinnen getroffen, sonst niemand. Im Pilgerführer steht, dass sich in der Herberge gern Schulklassen einquartieren. Das hätte ich viel schlimmer gefunden, als Arbeiter und Soldaten. Die Arbeiter, die hier ihre eigene Küche und einen Speisesaal haben, waren zugegebenermaßen beim Abendbrot etwas laut, aber nach einer halben Stunde war das vorbei. Die Soldaten, die warum auch immer hier einquartiert sind und deren Jeeps vor der Herberge parken, haben sich in einem anderen Speisesaal ihr Hauptquartier eingerichtet, wo sie auch essen und sich aufhalten. Von denen bekommt man sonst gar nichts mit.
Ich habe also keinen Grund gesehen, Marco ins Hostel zu folgen. Erstens, weil ich lieber nur 12 statt 30 Euro bezahle und zweitens, weil ich hier Mikrowelle und Speisesaal habe und mich selbst verpflegen kann. Wenn man im Hostel wohnt, muss man zwangsweise irgendwo essen gehen. Ich gebe zu, dass ich etwas schadenfroh war, als Marco schrieb, dass er nirgendwo im Ort was zu essen findet. Da hatte ich mich schon im Dia mit Gazpacho, Hühnersuppe, einem Mikrowellengericht, eingelegten Paprika und einem großformatigen „Mahou“ versorgt und genüsslich gespeist.
Ich habe übrigens ein leeres 4-Bett-Zimmer mit angeschlossenem Bad bekommen, beides ganz ordentlich. Jetzt werde ich gleich ausprobieren, ob das Bett (mit richtiger Bettwäsche) auch so gut ist, wie es scheint.
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