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Unterwegs von Madrid nach Santiago de Compostela | ![]() |
Tag 25 (Sa, 20.9.2025) - Von Rodeiro nach Lalin / 22,6 km
Heute bin ich mal fast den ganzen Tag dem ausgeschilderten Camino gefolgt. Erst im Zielort Lalin habe ich etwas abgekürzt. Es war ein schöner Weg durch üppig grüne Landschaft, durch Kiefern- und Eichenwälder, aber auch durch Felder und vorbei an Landwirtschaftsbetrieben. Auf langen Strecken war der Weg naturbelassen, dann aber auch wieder mit gewalzten Schotter versehen, was ich nicht so sehr mag. Den Sohlen meiner jetzigen Schuhe macht das nichts, aber ich war mal mit diesen schönen weichen Luftkammersohlen auf solchem Belag unterwegs. Da hat es nicht lange gedauert und der Schotter war in den Kammern und bald darauf hatte ich ihn im Schuh unter der Fußsohle.
Am Wegesrand standen wieder endlos viele Brombeersträucher, aber hier sind viele Beeren schon überreif. Noch ein paar Tage, und man kann sie als Likör ernten. Es standen auch ein paar Eukalyptusbäume am Weg. Nur selten findet man darunter Früchte, aber heute hat ein einzeln stehender Baum regelrecht Apothekengeruch von sich gegeben. Unter ihm lagen lauter kleine grüne Früchte auf der Straße. Die sahen ganz anders aus, als die bisher gefundenen, die eher Trachtenknöpfen ähneln. Ich hab mir ein paar eingesteckt und hoffe, dass die bis zum Vorzeigen zuhause durchhalten.
Wie nicht anders zu erwarten, ging auch heute der Weg immer auf und ab. Nicht so furchtbar steil und hoch, aber halt permanent. Das hat wieder ganz schön Kraft gekostet. Dazu kam, dass es leicht zu regnen anfing. Erst nur Nieselregen, aber dann doch so sehr, dass das Regencape gefragt war, damit der Rucksack nicht nass wird. Unter solch einer Kunststoffplane schwitzt man natürlich besonders, wenn es bergauf geht.
Wie schon in den letzten Tagen lagen wieder nur winzige Dörfer am Weg, oft mit nur einem halben Dutzend Häusern. An eine Gaststätte oder eine Einkaufsmöglichkeit war da nicht zu denken. Wie groß waren die Überraschung und die sich einstellende Freude, als etwa auf der Hälfte des Weges an einem Haus ein Banner mit „Kaffee und Stempel“ warb. Eine alte Dame, die aus dem Fenster schaute, machte außerdem die beim Stempeln übliche Handbewegung und zeigte auf ihren Hauseingang. Da stand eine große Tür weit offen und dahinter sah es eigentlich aus wie in einem Wohnzimmer: ein großer Tisch mit vielen Stühlen, ein Schrank mit Geschirr und in der Ecke ein in Naturstein gefasster Kamin. Nur der Kaffee-/Snackautomat gleich neben der Tür passte nicht zur Wohnzimmereinrichtung. Nie im Leben wäre ich da unaufgefordert eingetreten. Aber so habe ich mir einen schönen Café con leche aus dem Automaten gezogen, das Regencape mal eine Weile ausgezogen, mich gemütlich hingesetzt und etwas von mit mitgeschleppten Getränken genossen. Herrlich, solch ein Ruhepunkt, in dem man mal die Beine ausstrecken konnte. Sitzbänke sind hier am Weg selten und bei Regen laden die ja auch nicht gerade zum Pausieren ein.
Ich habe es also genossen, eine Weile da zu sitzen und raus in den Regen zu schauen. Da stapft doch plötzlich jemand vorbei und wirft nicht einmal einen Blick auf die Tür. Als ich hinterher rief, drehte sich die wetterfest verkleidete Person um: die Portugiesin Margarita. Sie hatte das Banner und die offene Tür gar nicht gesehen. Natürlich ist sie auf einen Kaffee reingekommen, auch das spanische Ehepaar, das gleich nach ihr kam. Wir haben zusammen noch eine Weile gesessen und unsere Pilgerpässe mit dem auf dem Tisch stehenden Stempel versehen. Es sind ja jetzt keine 100 km mehr bis Santiago, da braucht man jeden Tag zwei Stempel, um am Ziel die Compostela zu bekommen. Wenn es aber zwischen Start und Ziel gar keine richtigen Orte gibt, ist das gar nicht so einfach zu realisieren. Man kann sich natürlich am Zielort in mehreren Kneipen einen Stempel holen, aber das taugt ja nicht so richtig als Nachweis, dass man die Etappe auch wirklich gelaufen ist.
Die beiden großen Hunde, die uns bei unserer Pause besuchen kamen, sind zwar neugierig bis auf den Tisch geklettert, wollten aber eigentlich nur gestreichelt werden, so wie viele Hunde, die man hier trifft. Gestern haben mir mal zwei den Weg versperrt. Bei denen war ich mir nicht sicher, ab die auch nur Streicheleinheiten wollen. Da habe ich vorsichtshalber den nächsten Abzweig genommen, das war kein Umweg.
Am Nachmittag hörte dann endlich der Regen auf und es kam sogar mal etwas Sonne raus. Also schnell den Regenponcho ausgezogen, schon um sich wieder richtig umschauen zu können. Die Kapuze, die nicht viel mehr als einen Geradeaus-Blick erlaubt, stört mich beim Poncho am meisten. Nun konnte ich zu meiner Rechten sehen, dass es auch hier unlängst gebrannt hat und zwar in einem dichten Kiefernwald. Wie es aussieht, haben das aber die Bäume überlebt, nur am Boden ist alles Grün weg.
In Lalin angekommen, habe ich vieles wiedererkannt. Hier war ich voriges Jahr im April, als ich auf der Via de la Plata unterwegs war und von Granja de Moreruela nach Santiago den Camino Sanabrés genommen habe. Der trifft offiziell ein paar Kilometer weiter in A Laxe auf den Camino de Inverno, aber irgendwie bin ich damals hierher nach Lalin geleitet worden. Das ist eine richtige Stadt mit vielen Geschäften und auch einigen Unterkünften. Ich habe wie damals die Herberge „Lalin Centro“ genommen, die etwas schwer zu finden ist, da sie sich in einer Einkaufspassage befindet und bei Mapy nicht in der Karte eingezeichnet ist. Die Tür ist nur mit einem kleinen, leicht zu übersehenden Schild versehen. Obwohl ich das wusste, bin ich da wieder dran vorbeigelaufen und im Nachbareingang bei der gleichnamigen, zur Herberge gehörenden Pension gelandet. Auch da stand nur eine Telefonnummer dran.
Zwei Minuten nach dem Anruf kam aber schon jemand und hat mich zur richtigen Tür geführt und mir in der Herberge im zweiten Stock ein Zimmer zugewiesen, wo ich mir ein Bett aussuchen konnte. Von den acht Betten war erst eins belegt - von Marco, mit dem ich gar nicht abgesprochen hatte, wo wir übernachten. Im 6-Bett-Zimmer gegenüber sind drei ältere Herren, vermutlich spanische Pilger. Im Doppelzimmer, das noch zur Herberge gehört, ist eine ältere Spanierin. Die hätte ich vorhin retten sollen, was mir aber misslang. Während ich beim Abendbrot saß, hörte ich es klopfen und bin zur Eingangstür, weil ich dachte, da hat jemand seinen Schlüssel vergessen, oder bekommt die Tür nicht auf. Keiner da. Nach dem nächsten Suppenlöffel das gleiche Spiel. Dann habe ich mitbekommen, dass sich die Dame in dem Doppelzimmer eingeschlossen hat. Der Schlüssel steckte draußen, lies sich aber nicht drehen, vermutlich weil sie innen die Tür verriegelt hatte. Da sie nun kein Wort Englisch verstand, war es schwer, Ratschläge zu geben. Sie ist dann aber selbst auf die Idee gekommen, die Nummer der Herberge anzurufen und wenig später kam eine Frau, und mit einigem Probieren auf beiden Seiten der Tür ging diese dann endlich auf.
Ich habe mir gleich nach der Ankunft in der Herberge ein Süppchen gemacht: „Pollo con cabello de ángel“, also „Huhn mit Engelshaar“. Das muss eine Neuzüchtung sein, vermutlich ein Huhn, das man nicht mehr rupfen muss.
Dann habe ich die Wäsche gewechselt und gleich gewaschen, denn noch schien die Sonne auf die Veranda und versprach eine schnelle Trocknung. Anschließend habe ich das Bett bezogen und gleich ausprobiert. Ich habe bestimmt eine Stunde geschlafen und mich danach wieder richtig fit gefühlt.
Da ich schon bei der Ankunft in Lalin gesehen habe, dass hier irgendeine Party steigt, bin ich anschließend runter auf die Straße und habe mich dort umgesehen. Auf der einen Seite, auf dem Platz vor der Kirche, hat man gerade eine große Bühne aufgebaut und die ersten Tonproben gemacht. Wie ich inzwischen erfahren habe, wird da bis morgen früh um fünf Musik gemacht. Auf der anderen Seite, runter zum Fluss, hat man einen großen Rummel aufgebaut, der schon voll in Betrieb und ganz gut besucht war. Da gab es alle möglichen Fahrgeschäfte, Losbuden, Leckereien usw. Alles furchtbar bunt und laut. Jedes Fahrgeschäft hatte seine eigene Musik - so laut aufgedreht, dass die Lautsprecher krächzten, aber trotzdem waren die am Nachbarstand lauter. Da hat es mich nicht lange gehalten. Gestaunt habe ich, dass die hier für alle Attraktionen 4 € oder mehr haben wollen, auch für das kleine Kinderkarussell. Das fand ich für hiesige Verhältnisse ziemlich viel.
In einer Straße bin ich ganz unerwartet in den Wettstreit von drei Folkloregruppen geraten. Die aus jeweils etwa 20 Männern und Frauen bestehenden Gruppen hatten ganz tolle Trachten an und waren mit Gaitas (Dudelsäcken) und Trommeln „bewaffnet“. Die zogen spielend die Straße hoch und hielten vor einer gedachten Tribüne, das heißt dort, wo sich einige Zuschauer vor einem Denkmal versammelt hatten, um noch ein Ständchen zu geben. Nachdem sich alle zu einem Gruppenbild versammelt hatten, ging es mit dem Musizieren weiter. Das war wirklich schön anzuhören und anzusehen.
Den Schluss meiner Runde durch die Stadt bildete der Einkauf im Eroski-Supermarkt. Gestern war ich ja darauf gekommen, dass man nicht nur nach Fertiggerichten für die Mikrowelle (die ich schon fast alle durchhabe) schauen darf, sondern auch auf die Büchsen sehen sollte. Im Büchsenregal habe ich heute leckere Linsen gefunden, die auf den Teller geschüttet und in der Mikrowelle erwärmt ein sehr leckeres Abendessen für 1,35 € ergeben haben. Da Eroski auch noch das gute 5-Sterne-Mahou in der roten Büchse zum Aktionspreis von 65 Cent (statt 85 Cent für 0,33 Liter) zu bieten hatte, kann ich den Abend als sehr gelungen bezeichnen.
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