Unterwegs von Madrid nach Santiago de Compostela
Tag 26 (So, 21.9.2025) - Von Lalin nach Silleda / 16,0 km
Die Party in Lalin ging wirklich bis weit in die Nacht hinein, wahrscheinlich wie angekündigt bis um fünf. Zumindest war immer laute Musik zu hören, wenn ich nachts wach war. Und als ich morgens um sieben aus dem Fenster schaute, zogen immer noch Jugendliche die Straße entlang. Statt mein Kaffee-Angebot anzunehmen, wollte Marco sich eine Bar suchen, um zu frühstücken. Das fand ich sehr problematisch, denn sicher hatten die Bars bis um fünf auf und wer will da schon vor acht Frühstücksgäste haben? Wie ich später erfahren habe, ist er wirklich vergebens durch die Stadt geirrt und hat erst nach 5 km am Weg ein Restaurant gefunden, in dem er frühstücken konnte.
Ich habe mir derweil in der ganz brauchbaren Herbergsküche Kaffee gekocht und ein großes Burger-Brötchen mit Käsecreme und Kochschinken belegt. Auch davon wäre noch eine Portion für Marco übrig gewesen. Bei täglich drei Restaurantbesuchen habe ich die ganze Zeit über nur zweimal ein Lob aus seinem Munde gehört. Einmal gab es ein dickes Steak und gestern hatte er mittags Pulpo (Krake). Allein diese schlechte Erfolgsquote wäre für mich ein Grund, auf Fertiggerichte für die Mikrowelle umzusteigen.
Der Blick aus dem Fenster hat heute früh gezeigt, dass es geregnet hat und immer noch nieselt. Da habe ich mir sehr viel Zeit gelassen und bin erst um halb neun los. Da waren schon alle aus der Herberge ausgeflogen. Inzwischen hatte auch der Regen aufgehört.
Auf die ersten Kilometer gleich hinter Lalin hatte mich schon gefreut, denn die waren mir von meiner „Via de la Plata“-Tour im Vorjahr noch in guter Erinnerung. Es geht entlang eines kleinen Baches, der munter dahinfließt. Das Wasser plätschert da auch mal über ein paar Stufen im Bett des Baches, manchmal ist das Wasser auch des dichten Bewuchses wegen gar nicht zu sehen. Der Weg ist gut hergerichtet und man kann immer mal über hölzerne oder steinerne Bogenbrücken auf die andere Seite des Baches wechseln. Ganz am Anfang stehen auch noch zwei rekonstruierte Wassermühlen. Es macht Spaß, dort zu laufen und so habe ich dort auch einige Jogger getroffen.
Aber irgendwann ging der Weg weg vom Bächlein und verlief für den Rest des Tages wieder abwechselnd durch Wälder und Felder. Zwischendurch wurde auch immer mal ein Gewerbegebiet gestreift. In A Laxe, wo sich wie schon erwähnt, der Camino Sanabrés (Abzweig der Via de la Plata) und der Camino de Inverno treffen, habe ich mir mal die pompöse Herberge angeschaut - von außen, denn vormittags ist da keiner. Da hat man reichlich investiert und offenbar auch sehr großzügig gebaut. Aber wieder an einem Fleck, wo weder ein Restaurant noch eine Einkaufsmöglichkeit ist.
Gegen Mittag hat es dann leider angefangen zu regnen. Erst nur leicht, aber dann kam es richtig runter. Das war an einer Stelle, wo der Camino auf die Fernstraße stößt. Da bin ich schnell zu einer Bushaltestelle gerannt, um mich dort unterzustellen. Aber der Regen kam so schräg, dass man dort genauso nass wurde, wie auf freiem Feld. Hinter dem Wartehäuschen wäre man geschützt gewesen, aber da ging es gleich runter in den Straßengraben. Darum bin ich schnell auf die andere Straßenseite und habe mich dort bei einem verlassenen Haus untergestellt. Als der Regen vorerst aufhörte, bin ich weiter gelaufen, dem Camino folgend von der Straße weg durch einen regelrechten Gespensterwald. Aber die nassen Sachen am Leib waren ziemlich unangenehm, zumal es heute mit 15 Grad recht kühl war. Als der Regen dann wieder einsetzte, habe ich ganz reumütig den Regenponcho rausgeholt und über­gestülpt. Der hat auch gleich den Wind abgehalten und dafür gesorgt, dass mir bald wieder warm wurde.
Über das heutige Tagesziel konnte und wollte ich mich heute früh mit Marco nicht einigen. Er wollte über das im Pilgerführer genannte Tagesziel Silleda hinaus bis nach Bandeira. Ich wollte eher in Silleda bleiben, wo es mehrere Herbergen und auch ein paar Gaststätten mehr gibt. Außerdem hatte ich gesehen, dass es in der ganz modernen Herberge in Bandeira zwar eine tolle Küche, aber keinerlei Geschirr gibt, offenbar nicht mal eine Mikrowelle. Voraus­gesetzt, am Sonntag ist überhaupt irgendwo ein Fertiggericht aufzutreiben, dann ist man dort angeschmiert.
Letztendlich habe ich es vom Wetter abhängig gemacht. Und als ich noch ziemlich nass und mit kalten Füßen in Silleda ankam, hatte ich keinerlei Lust, noch weiter zu laufen. Es hätte ja auch nichts gebracht, heute 22 und morgen 16 km zu laufen, statt umgekehrt.
Auf einem Parkplatz am Ortseingang von Silleda bin ich auf einen portugiesischen Reisebus gestoßen, der gleich böse Erinnerungen wach rief. Im vorigen Jahr war die 70-Betten-Herberge, die ich angesteuert hatte, mit einer portugiesischen Pilgergruppe belegt, die Buspilgern zelebriert - ein paar Kilometer zu Fuß mit frommen Gesängen auf der Lippe und dann mit dem Bus zur nächsten Herberge.
Ich habe heute wieder diese Herberge angesteuert, weiß aber nicht, ob die Portugiesen dort untergebracht sind, denn es war niemand zu sehen. Die nicht besetzte Rezeption hat es mir erlaubt, erstmal einen Blick in die Herberge zu werfen. Die Küche, die genauso roch, wie sie aussah, hat den Ausschlag gegeben, gleich umzukehren. In der „Albergue Touristico“, die ich im vorigen Jahr nehmen musste, war damals die Küche genauso verdreckt. Die schied also auch aus. In der „El Gran Albergue“, die etwas abseits liegt, habe ich vorsichtshalber ange­rufen und erfahren, dass die heute geschlossen hat. Morgen könnte ich da unterkommen. Also habe ich mich zur „Albergue Trabazo“ in der gleichnamigen Straße aufgemacht.
Kurz vor dem Haus begegnete mir eine alte Dame, die mich neugierig beäugt hat. Als ich im angegebenen Haus im zweiten Stock vor der Herbergstür stand, kam sie die Treppe hoch. Das war also wie vermutet die Hospitalera. Sie hat mir aufgeschlossen, Bettwäsche gegeben und 15 € kassiert. Das ist bei der Ausstattung und Sauberkeit der Herberge nicht zu viel verlangt. In drei Räumen gibt es 24 Betten, aber vermutlich sind wir hier nur zu viert. Ich teile mir mit der Dame, die ich gestern vergeblich versucht habe, aus ihrem Gefängnis zu retten, ein 12-Bett-Zimmer. In einem anderen Zimmer ist ein spanisches Paar. Mehr habe ich hier nicht gesehen. Für die paar Leute ist hier alles sehr reichlich bemessen - abgesehen von den Steckdosen im Aufenthaltsraum, der zugleich Küche ist.
Trotz intensiver Suche habe ich im Ort kein Lebensmittelgeschäft gefunden, das heute geöffnet hat. Da ich nach Verzehr des letzten Burger-Brötchens gleich nach der Ankunft bezüglich Verpflegung völlig blank war, habe ich mich zur nächsten Tankstelle aufgemacht und mich dort mir Speis und Trank eingedeckt. An der Tanke kann man zwar keine Schnäppchen schießen, aber satt will man ja auch werden. Und dafür hat es gereicht.
Von Marco habe ich auf Anfrage erfahren, dass er bis Bandeira weitergelaufen ist und morgen bis Deseiro will. Ich werde maximal bis Outeiro laufen oder schon in Ponte Ulla aufhören, weil die moderne Herberge in Outeiro wieder abseits jeder Infrastruktur liegt und mit einer leeren Küche aufwartet. Da muss man auch Besteck und Geschirr dabei haben.

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