![]() |
Unterwegs auf dem Camino Primitivo von Oviedo nach Santiago de Compostela | ![]() |
Tag 2 (Di, 3.9.2024) Escamplero - Cornellana / 24,6 km
Nachdem ich schon eine Weile wach lag, bin ich um halb sieben aufgestanden, habe meine Sachen gepackt, das Bett abgezogen und mich in die Küche geschlichen, um mein spärliches Morgenmahl einzunehmen. Ein oder zwei waren schon weg, die kleine Südafrikanerin war noch mit Körperpflege und Rucksackpacken beschäftigt und ein junger Spanier kam kurz nach mir. Als ich um viertel acht losgegangen bin, war es draußen noch dunkel, aber das erste Stück des Weges führte über die gemeinsame Dorfstraße aufeinander folgender Dörfer, die mit Laternen versehen ist. Es wurde dann aber schnell hell, obwohl man der Einfachheit halber den Sonnenaufgang hat ausfallen lassen. Die Hügel, zwischen denen der Weg hindurch führte, waren entweder in Nebel gehüllt oder von Wölkchen umgeben.
Eine hübsche kleine, leider verschlossene Kapelle am Straßenrand, die „Ermita de la Virgen de Fátima“, bot gute Gelegenheit für eine rechte Einstimmung in den Tag. Der Weg führte dann bald von der Straße weg und schlängelte sich durch die Gehöfte. Hier musste ich mich mal eines kleinen kläffenden Hundes erwehren, der sich zwar nicht traute zu beißen, mich aber auch nicht vorbei lassen wollte. Das war aber auch sein gutes Recht, denn ich hatte einen Abzweig übersehen und stand kurz vor dem von ihm zu bewachenden Gehöft. Der zwecks Hundezähmung heraustretende Bauer hat mir dann freundlicherweise den verpassten Abzweig gezeigt. Den dort aufgestellten Pfeil hatte ich zwar wahr-, aber nicht ernstgenommen, da er nicht klassisch gelb war. Während dieser Abschweifung hat mich der junge Spanier überholt, der mit seiner Stirnlampe den inzwischen im Hellen liegenden Weg ausgeleuchtet hat. Bald darauf kam eiligen Schrittes auch die kleine Südafrikanerin, die aber kurz nach dem Überholen jäh stoppte, weil es eine Katze zu streicheln gab. Letztere hat sich gedreht und gewunden, damit auch ja keine Körperstelle beim Streicheln ausgelassen wird. Das Mädel hat wohl auch die nachfolgend am Weg stehenden Katzen ähnlich verwöhnt, denn jetzt, nach fast drei Stunden, hat sie mich noch nicht wieder eingeholt. Von den anderen habe ich auch noch niemand zu sehen bekommen. Entweder haben die so lange geschlafen oder sie sind zum Frühstück in die Gaststätte eingekehrt, in der wir uns am Abend angemeldet hatten. Jetzt, 10.30 Uhr, bin ich gleich in Grado, wo ich hoffentlich einen Café von Leche bekomme. Schon 50 Meter vor dem Ortseingang von Grado bot sich die Möglichkeit, dem Körper einen Kaffee zuzuführen. Damit er dort nicht so allein ist, habe ich noch eine große Schrippe mit einem Schnitzel drin nachgeschoben. Ohne Beilage wollte die Schrippe nicht so richtig rutschen, aber dabei half dann ein Getränk mit schwarz-rotem Etikett. So konnte ich gut gelaunt die Stadt betreten, die ein paar nette Häuser und eine sehenswerte Kirche zu bieten hat. Da es hinter der Stadt bergauf geht und nicht abzusehen war, wann ich wo landen werde, habe ich mich noch in einem Supermarkt für unterwegs und vorsichtshalber auch fürs Abendbrot eingedeckt. Der Aufstieg war letztlich nicht so schlimm wie erwartet, was mich aber nicht davon abgehalten hat, unterwegs reichlich Pause zu machen. Ein von meinem Namensvetter Benedikt Kurz in San Sebastián (auf Euskara, d. h. auf Baskisch „Donostia“ genannt) kreiertes „Keler“-Bier, das mir schon auf dem Camino del Norte viel Freude bereitet hat, half dabei, mich bei Laune zu halten. Aber eigentlich ist man bei jedem Aufstieg mit den schönen Ausblicken ins Land belohnt worden. Es gab zwar selten mal was Spektakuläres, aber immer was Schönes zu sehen. So wie ich es liebe: hübsche kleine Dörfer und dann wieder fast verlassene, in denen die Bäume aus den Dächern wachsen. Auch das hat seinen Charme. Eine kleine, schon halb eingestürzte Wassermühle kurz vor meinem Tagesziel habe ich zum Beispiel auf YouTube in allen Camino-Primitivo-Videos gesehen. Sowas scheint doch jeden zu faszinieren. Als Tagesziel hatte ich mir heute Cornellana ausgesucht - ca. 26 km von meiner letzten Herberge in Escamplero entfernt. Ich habe befürchtet, wer-weiß-wie-lange dafür zu brauchen, aber irgendwie war ich ganz gut in Form und schon vor vier Uhr am Ziel. Da stellte sich aber die schwierige Frage, in welcher der beiden Herbergen ich nächtigen soll: kurz vor dem Ort in der privaten Herberge „Roca Madre“ oder im Ort in der kommunalen Herberge am Kloster. Erstere, die auf Spendenbasis betrieben wird, wirbt mit einer traditionellen Pilgeraufnahme, d. h. mit gemeinsamen Abendbrot und Frühstück, die andere lockt mit dem angrenzenden Kloster und einer eventuellen Kirchenbesichtigung. Diese 8 €-Herberge zählt in der „Buen Camino“-App zu den am besten bewerteten am Weg. Da fällt einem die Entscheidung nicht leicht. Weil beide dicht am Weg liegen, habe ich mir zunächst die „Roca Madre“ angeschaut, für die ein großes Plakat an einem Hórreo wirbt. Unter diesem Hórreo ist ein recht gemütlicher Aufenthaltsraum im Freien, von dem man in einen sehr ordentlichen Schlafsaal mit fünf Doppelstockbetten kommt. Gleich daneben ist ein altes, aber schön hergerichtetes, flaches Haus in dem sich die Küche und vermutlich der Essenraum befinden. Als ich kam, war gerade der erste Gast dabei, sich einzurichten. Ein Deutscher, wie sich nach einer in Englisch abgehaltenen Konversation zeigte. Der wusste zu erzählen, dass mindestens noch zwei andere dort Quartier nehmen wollen. Wenn‘s dabei bliebe, wäre das eine nur sehr kleine, gemütliche Runde. Da ich noch einkaufen wollte und keine rechte Lust hatte, dafür einen Kilometer ins Dorf und wieder zurück zu laufen, habe ich mich für die „Klosterherberge“ im Dorf entschieden, von der es nicht weit zum Supermarkt ist. Ob das die bessere Entscheidung war, weiß ich nicht, aber es war eine gute Entscheidung. Diese Herberge mit 30 Betten in drei oder vier Räumen ist ganz ordentlich und hat eine gut ausgestattete Küche mit einem langen Esstisch zu bieten. Auf dem Innenhof stehen mehrere Tische mit Stühlen, teils unter dem vorgezogenen Obergeschoss, so dass man auch bei Regen draußen sitzen kann. Es gibt Waschmaschine und Trockner und im Hof jede Menge Wäscheleinen und Klammern. Eine Feldsteinmauer mit einem historischen Torbogen lässt trotzdem das Gefühl aufkommen, in einem Klosterhof zu sein. Hier kann man es gut aushalten. Gleich nach der Ankunft habe ich mit dem Mitgebrachten, einer 400 g-Salatpackung und einem Glas Paprika, die erste Abendbrot-Session abgehalten. Mit am Tisch saß das ältere der beiden spanischen Paare, die mit in der vorherigen Herberge waren: Andrés und Elena aus Madrid. Für ihn ist es der 15. Camino, für sie der zehnte. Vor vier Wochen sind sie in den Pyrenäen am Somport-Pass auf den Aragonischen Weg gestartet, dann von Puente de Reina nach Leon auf dem Camino Francés und von Leon nach Oviedo auf dem Camino de San Salvador gelaufen. Nun sind sie wie ich unterwegs auf dem Camino Primitivo nach Santiago. Außer den beiden Paaren sind noch ein paar andere Spanier in der Herberge, außerdem drei Amerikaner (zwei zusammen reisende Frauen und ein männlicher Einzelkämpfer) sowie Janusz, ein seit 1988 in Mönchengladbach lebender Pole, der voriges Jahr in Rente gegangen ist und nun von der Familie vier Wochen frei bekommen hat. Da in der „Buen Camino“-App stand, dass die Hospitalera bei Bedarf auch die Klosterkirche aufschließt, habe ich sie gleich darauf angesprochen und für 19 Uhr eine Kirchenbesichtigung vereinbart. Da war noch genug Zeit, vorher zum Supermarkt zu gehen und ein zweites Abendessen abzuhalten. Als Feinschmecker habe ich mich da für eine Nudel-Packung „Carbonara“ entschieden und diese genauso zubereitet, wie es auf der Tüte steht und von Apple‘s Texterkennung erfasst und übersetzt wird. Nach den angegebenen 10…11 Minuten hatten die Nudeln aber keineswegs sämtliches Wasser aufgesogen, sondern sind immer noch krachend zersplittert, wenn man darauf gebissen hat. Nach einer weiteren viertel Stunde war dann aber alles so wie erwartet und hat gar nicht mal so schlecht geschmeckt. Nun wurde es aber langsam knapp mit der Kirchenführung. Da ich unter den Mitbewohnern Reklame gemacht hatte, stand pünktlich um sieben ein Grüppchen von etwa 10 Leuten auf dem Hof und wartete auf die Hospitalera. Da die nicht kam, habe ich ihren Mann rausgeklingelt, der auch bereitwillig die Kirchenführung übernommen hat. Der hat nur leider keine Stimme. Die Spanier konnten offenbar seine Mundbewegungen und das Gehauchte gut verwerten, ich musste hingegen um mich herum die Leute fragen, was er denn da gesagt hat. Also, das Kloster wurde 1024, d. h. vor genau 1000 Jahren gegründet und Teile der Klosterkirche stammen noch aus dieser Zeit. Der Rest wurde im 17. Jahrhundert errichtet. 1840 haben die Mönche aber schon das Kloster verlassen. Lange war es dem Verfall preisgegeben, jetzt wird es zusammen mit der Kirche aufwändig saniert. Der ehemalige Klosterhof mit Kreuzgang existiert leider nicht mehr. Die Kirche wird hingegen immer noch genutzt - zweimal wöchentlich gibt es dort einen Gottesdienst und als wir reinkamen, brannten da einige Kerzen. Das war ein schöner Abschluss eines Tages mit vielen neuen Eindrücken und Bekanntschaften. |
![]() |
Camino Primitivo - Tag 2 | ![]() |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() | |
![]() |
![]() |