Unterwegs auf der Variante Espiritual des Camino Portugues von Vigo nach Santiago
Tag 2 (So, 15.9.2024) Pontevedra - Armenteira / 19,6 km
Heute war nur eine kurze Etappe von gut zwanzig Kilometern auf der „spirituellen Variante“ des Camino Portugues zum Kloster in Armenteira angesagt. Da habe ich vorsorglich am Freitag reserviert, denn dort ist die einzige Herberge auf den 45 Kilometer von Pontevedra nach Vilanova de Arousa und in der gibt es lt. Pilgerführer nur 17 Betten. Da ich gebeten wurde, bis 15.30 Uhr da zu sein, wollte ich nicht zu spät los, denn der Weg zum Kloster ist bergig und sicher kräftezehrend.

Aber, nachdem mich die auf 5.30 Uhr gestellten Wecker meiner Bettnachbarn aufgeschreckt haben, bin ich nochmal eingeschlafen und erst um sieben wieder aufgewacht. Da ich am Abend zuvor noch Zutaten fürs Frühstück erworben hatte, bin ich aber nicht gleich losgestürmt, sondern hab ich noch in aller Ruhe gefrühstückt. Um acht war ich dann in der Spur, mindestens eine Stunde später als gedacht. Um diese Stunde wieder reinzuholen, bin ich nicht auf dem üblichen, zudem stark begangenen (und längst bekannten) Weg durch die Altstadt von Pontevedra nach Pontecabras und dann praktisch zurück nach Combarro, sondern gleich auf einer näher gelegenen Brücke über den Rio Lérez und auf direkten Weg nach Combarro auf der Südseite der Halbinsel, die ich überqueren will.

Auf der Straße ging es durch San Xoán de Poio, von wo ich einen Abstecher zum Kloster San Xoán in O Covento gemacht habe, um nichts von den Besonderheiten dieses Weges zu verpassen. Da kam ich leider genau zum Ende des Sonntagsgottesdienstes an und musste mit einer unbeleuchteten Kirche Vorlieb nehmen.

In Combarro liefen gerade die letzten Vorbereitungen für ein heute stattfindendes Fest. Ein riesiges, reichlich bestuhltes Festzelt war aufgebaut und ein Dutzend Männer und Frauen war damit beschäftigt, belegte Brote zu fertigen. Die Feuerwerker waren sich nicht sicher, ob ihr Salutschießen klappen wird, und haben eifrig geprobt. Die ortsansässigen Hunde hat das fast zum Wahnsinn getrieben. Die haben gekläfft, als hätte es einen Piratenüberfall gegeben. Nach einer Stärkung am mit Palmen bestandenen Strand habe ich mich auf den „richtigen“ Weg gemacht. Der verlief zunächst entlang des Strandes und dann durch den von (spanischen) Touristen gefluteten Ort in die Berge.

Als der obere, nördliche Stadtrand erreicht war, steckten schon fast 200 Höhenmeter in den Oberschenkeln, über 400 sollten es noch werden. Während unten am Wasser noch einige (überwiegend asiatische) „Pilger“gruppen zu sehen waren, blieb man in den Bergen davon verschont. In der Zeit, in der ich mich mit Andrea (69) aus Florida den Berg hochgequält habe, wurden wir nur von zwei Paaren überholt. Das lasse ich mir gefallen.

In Armenteira, wo ich eigentlich nur ein Kloster mit Herberge erwartet hatte, gab es doch einen ganzen Ort, unter anderem mit einer großen Gaststätte gleich am Klostertor. Da war nachmittags um drei schon ziemlich Betrieb. Das Kloster scheint ein gut besuchter Ausflugsort zu sein, denn neben den Pilgern mit und ohne Rucksack saßen da auch einige Familien, die offenbar einen Tagesausflug gemacht haben.

Außer meiner Herberge muss es hier noch diverse andere Unterkünfte geben - mindestens ein Hotel und ein zum Kloster gehöriges Gästehaus. Meine Herberge ist eine kommunale, die gar nichts mit dem Kloster zu schaffen hat und auch ganz am anderen Ende des Ortes liegt. Anders als in „municipalen“ Herbergen üblich, konnte man hier allerdings reservieren und es gibt eine auch mit Tellern und Besteck ausgestattete Küche. Und eine Deutsch sprechende Hospitalera - in Deutschland geboren, Vater Deutscher und Mutter Spanierin aus dieser Gegend.

Da es im Ort keine Einkaufsmöglichkeit gibt, ist es ein Segen, dass in der Herberge Getränke-, Snack- und Kaffeeautomaten stehen. Nur ist der Getränkeautomat bedauerlicher­weise nicht so bestückt, wie ich mir das wünschen würde, weshalb der Gang in die Gaststätte unausweichlich ist. Leider weiß dort die Bedienung die vielen Gäste zwar zu nutzen, aber nicht zu schätzen. Eine Kellnerin (vielleicht sogar die Besitzerin) hat zwar ein großes „Smile“ auf dem T-Shirt zu stehen, kann aber offenbar vorm Spiegel stehend keine Spiegelschrift lesen, denn die läuft mit einem Gesicht herum, als ob jemand hinter ihr mit der Peitsche knallt. An den reichlich mit Asiaten besetzten Tischen stört das niemand, die löffeln und schlürfen alles, was der Atlantik an Meeresfrüchten her gibt und offenbar im Pazifik nicht zu finden ist. Damit man sie auch ohne Gepäck als Pilger erkennt, haben einige ein blaues T-Shirt mit gelber Muschel und der Aufschrift „Camino Portugues“ an. Der Rest wird das T-Shirt in Santiago vor der Kathedrale überziehen. Ob die Japaner oder Koreaner zu Fuß übern Berg hierhergekommen sind, weiß ich nicht. Ich glaube es nicht. Wie schon gesagt, sind hier wenige auf dem Weg unterwegs, und jene, die ich gesehen habe, sahen wie „echte“ Pilger aus und haben ihren Kram auf dem Rücken mit sich rumgeschleppt. Hier sind keine Abiklassen auf Abschlussfahrt, keine Tupperfreundinnen und keine lärmenden Kegelklubs unterwegs. Da macht es Spaß zu laufen. Ich freue mich schon auf morgen, auch weil es dann nur bergab geht.

Variante Espiritual - Tag 2 (14)