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Unterwegs auf der Variante Espiritual des Camino Portugues von Vigo nach Santiago | ![]() |
Tag 3 (Mo, 16.9.2024) Armenteira - Vilanova de Arousa / 22,4 km
Der heutige Vormittag war wieder großartig. Gleich hinter der Herberge führte der Weg runter zum Rio Armenteira, einem Bach, der über viele Stromschnellen und kleine Wasserfälle den Berg hinab schießt und von vielen ehemaligen Mühlen gesäumt wird - insgesamt sind es 53!
Das war alles ziemlich genau so wie vor zwei Tagen, nur dass es dieses Mal bergab ging, was der Sache noch mehr Spaß verlieh. Das viele Fotografieren hat da wieder ganz schön aufgehalten. Aber auch alle anderen Pilger sind laufend stehen geblieben. Heute waren ja mal ein paar mehr unterwegs. Meine Herberge hatte 24 (nicht wie angegeben 17) Betten. Davon sind zwar ein paar frei geblieben, aber knapp 20 Leute sind allein von dort abwärts gestrebt und es gab ja auch noch andere Unterkünfte. Ich bin kurz vor acht aufgebrochen. Da war es zwar auf der Straße hell, aber am Bach im tiefen Tal war es noch so dunkel, dass man zwar laufen, aber vor halb neun kaum fotografieren konnte. Das iPhone hat jetzt erfreulicherweise eine Funktion, die bei Dunkelheit bis zu drei Sekunden lang Bilder kumuliert - sofern man still hält. Ich bin gespannt, ob da was Brauchbares rausgekommen ist. Das kann man ja erst zuhause am Bildschirm beurteilen. Also, der Abstieg entlang des Baches in einem urwüchsigen Tal mit so vielen Mühlen war großartig und hat riesigen Spaß gemacht. Man konnte an vielen Stellen gut sehen, wie damals das Wasser über Rinnen in die Mühlen geführt wurde, und in manchen lagen auch noch die Mühlsteine herum. Da, wo der Bach nach 200 Höhenmetern wilder Talfahrt (von 250 m auf 50 m) gemächlich dahinplätschert, hat man einen hübschen Rastplatz hergerichtet, an dem es einen Skulpturenpark gibt, der das bäuerliche Leben in Galicien thematisiert. Das war ganz nett anzuschauen, zumal man da auch eine kleine Kapelle nachgebaut hat. Auf dem Wegstück bis hier waren es wieder wie vorgestern genau 30 Mühlen, an denen man vorbeigekommen ist. Das waren aber wie gesagt längst nicht alle. Der Weg führte dann um eine als Kreisverkehr ausgeführte Autobahnauffahrt herum und bald danach wieder an den Bach. Da der hier mit weit geringerem Gefälle floss, musste man früher das Wasser immer mal aufstauen, um genug Druck für die Mühlräder zu erzeugen. Kurz bevor der Bach in den Rio Umia mündet, bin ich auf eine urige Kneipe gestoßen, die aus einem winzigen Häuschen und zwei angebauten Zelten besteht. Es lag zwar überall viel Trödel rum, unter anderem Berge von Kinderspielzeug, aber die vielen Bilder an den Wänden, welche die Inhaberin mit fröhlichen Pilgern zeigen, deuten darauf hin, dass es den Besuchern hier immer gefallen hat. Und hier habe ich zu meinem Café con Leche und einem (der Uhrzeit und der Hitze geschuldeten) alkoholfreien, dunklen Bier aus den Hause Estrella Galicia für zusammen 3,30 € als Zugabe ein Stück galicischen Kuchen, eine kleine warme Empanade und ein Stück mit heißem Käse überbackenen Brotes bekommen. Das war ganz lieb und sehr lecker. Das Bierglas, das ich mir am Tresen genommen hatte, hat mir die Wirtin wieder weggenommen und durch eins aus der Tiefkühltruhe ersetzt. Das liebe ich. Auch hinter der Mündung des Rio Armenteira in den viel breiteren Rio Umia ging es am Wasser weiter, nämlich erst rechts und dann links an diesem Fluss entlang. Dieser, mit vielen Inseln und Sandbänken versehene, etwa 20 Meter breite Fluss schlängelt sich in weiten Kurven durch die Landschaft und wird dabei von Wein„bergen“ begleitet. Die hätte ich hier nicht erwartet. Meist sind es keine einzeln stehenden Weinstöcke, sondern Weinranken, die auf etwa zwei Meter hohen Gerüsten bzw. in dieser Höhe gespannten Drähten wachsen und ein mehr oder weniger dichtes Laubdach bilden. Unter diesem hängen dicht nebeneinander die Trauben, wenn sie nicht schon abgeerntet sind. Es findet nämlich gerade Weinlese statt und Gruppen von etwa ein Dutzend Helfern pflücken die weißen oder roten Trauben und ein kleiner Traktor, der unter das Laubdach passt, fährt die gefüllten Kisten weg. Ich habe immer mal eine Beere gekostet. Die weißen waren nicht so mein Fall, aber die roten waren richtig lecker und nicht übermäßig süß. Allerdings sind die wohl nicht zum Essen gedacht, denn das Äußere ist ziemlich fest und muss ausgespuckt werden. Es war sehr angenehm, zwischen dem Fluss und des Weinfeldern zu laufen, da man dabei immer etwas Schatten hatte. Heute war es nämlich ziemlich warm. Das Smartphone hat 28 Grad verkündet, ich hätte sogar mehr geschätzt. Etwa da, wo der Weg den Fluss verlässt, hat mich Peter aus Münster eingeholt, der auch in der letzten Herberge war, wo ich ihn aber nicht wahrgenommen habe. Der ist zum ersten Mal auf dem Camino und in Porto gestartet. Er wird wie ich in Vilanova übernachten, aber in einem schon gebuchten Hotel. Er will hier einen Tag Pause einlegen und dann mit dem Boot nach Pontecesures fahren. Die etwa 28 km lange Bootsfahrt von hier nach dort bzw. nach Padron ist eine beliebte Besonderheit der „spirituellen Variante“, die von vielen genutzt wird. Mehrere Schiffer leben davon, dass Pilger jenes Stück mit dem Schiff fahren wollen, das angeblich der enthauptete Jakobus auf seiner letzten Reise zurückgelegt hat. Ich werde das Stück morgen laufen, Dampfer fahren kann ich auch in Berlin. Es ist ja auch nicht gesagt, ob das „Pilgerschiff“ genau die gleiche Fahrrinne trifft, wie einst Jakobus. Auf dem Weg in die Herberge habe ich etwas abgekürzt. Eigentlich wäre der Weg an der Küste entlang gegangen, aber am Wasser werde ich morgen die meiste Zeit laufen. Außerdem wäre es am baumlosen Strand noch wärmer gewesen, als auf den Weg, den ich direkt zur kommunalen Herberge genommen habe. Diese befindet sich im Obergeschoss einer großen, mit Tribünen versehenen Sporthalle. Wenn man aus der Herberge raus tritt, steht man auf der Zuschauertribüne. Das ist witzig, aber leider findet heute kein Spiel statt. Allerdings ist das letzte wohl für die heimische Mannschaft nicht so gut ausgegangen. Die Tafel mit dem Spielstand hat noch 10:18 angezeigt. Handball? In der 28-Betten-Herberge waren erst 5 Betten belegt, als ich kam. Zwei junge Spanier (?) und drei Amerikaner in meinem Alter. Solch eine 3-Ami‘s-Gruppe war auch gestern in der Herberge. Nach mir ist nur noch ein Paar gekommen, über das ich mich heute schon beim Frühstück amüsiert habe, weil er im wahrsten Sinne des Wortes um sie herum getänzelt ist, wobei er aber wegen ihrer Ausmaße ziemlich große Kreise machen musste. Ein Ami hat mich in der Herberge mit der Nachricht überrascht, dass heute hier Fiesta ist und die Läden geschlossen haben. Ich hatte Mühe, überhaupt einen Supermarkt zu finden und der war wirklich zu. Den Plakaten, die überall ausgingen, habe ich entnommen, dass in den zurück liegenden Tagen aller möglicher Heiligen gedacht wurde, die was mit dem Ort zu tun haben. Und heute ist als Höhepunkt der Heilige Cyprian dran, welcher Patron der hiesigen Kirche ist. Um 20 Uhr soll von der Kirche aus eine Prozession stattfinden. Auf dem Hauptplatz des Ortes wurde gerade eine riesige Bühne aufgebaut, was bedeutete, dass es da abends auch noch eine Party gibt. Also viel Programm, aber nichts zu essen. Ich habe dann zwar einen Süßigkeitenladen gefunden, in dem es einen Kühlschrank mit Getränken gab, aber nirgendwo war eine Tütensuppe oder ähnliches aufzutreiben. In den Gaststätten rings um den Festplatz gab es nichts zu essen, zumindest habe ich nirgendwo die sonst üblichen Reklameschilder für Tagesmenüs gefunden. Da muss ich mich heute mal mit einem Tütchen kandierter Nüsse am Leben erhalten. Wenn ich dem St. Cyprian schon zu verdanken habe, dass ich darben muss, dann wollte ich ihn wenigstens auch mal sehen. Ich bin deshalb um acht zur St. Cyprian-Kirche gelaufen und habe zugeschaut, wie dieser und eine Marienstatue auf die Schultern von je vier kräftigen Männern gehoben wurden. Dann ging es, gefolgt von einem Spielmannszug und einer ganzen Menge Gläubiger durch die verwinkelten Gassen bis zum Wasser, wo der Zug stoppte, um ein Salutschießen am anderen Ufer zu verfolgen. Danach ging es auf einem anderen Weg zurück zur Kirche. Derweil wurden auf der Bühne die letzten Vorbereitungen getroffen. Um halb zehn ging dann dort das Programm los - die Teilnehmer der Prozession hatten also nach dem Abstellen des Kirchenpatrons genug Zeit, dazuzukommen. Ich hatte die Hospitalera gefragt, ob eventuell in Anbetracht der Fiesta die Schließzeit der Herberge aufgehoben oder verschoben ist. Aber sie hat bedauernd mitgeteilt, dass dies eine kommunale Herberge sei, die generell um 22 Uhr geschlossen wird. Während die Kinder da noch munter vor der Bühne rum hüpften, musste ich also um dreiviertel zehn den Heimweg antreten, um nicht ausgeschlossen zu werden. Aber das reißt bei mir keine Lücke in die Reihe kultureller Highlights. Bei den vier „Künstlern“, drei Männern und einer Dame, die sich ganz in Weiß gekleidet in Begleitung einer Band auf der Bühne produzierten, war ich mir nicht sicher, ob das ihr Bühnenprogramm oder eine Parodie ist. Es war einigermaßen scheußlich. Die spanische Rock- und Popmusik ist eh nichts für unsere Ohren, aber auch das Getanze im Stile einer Boygroup war ein Kulturschock. Die Kommune tut gut daran, die Auswärtigen wegzuschließen, damit die nicht weitererzählen, was man hier ertragen muss. Einen zuckerfreien Keks habe ich jetzt noch in meinem Rucksack gefunden. Der ist zwar schon etwas zertreten, wird aber hoffentlich die Mitbewohner vor meinem Magenknurren bewahren. |
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Variante Espiritual - Tag 3 (15) | ![]() |
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