Unterwegs auf der Variante Espiritual des Camino Portugues von Vigo nach Santiago
Tag 4 (Di, 17.9.2024) Vilanova de Arousa - Padron / 36,0 km
Vom touristischen Gesichtspunkt war der heutige Tag nicht so berauschend. Von Vilanova nach Vilagarcia ging es noch recht schön am Ufer entlang und man konnte den Frauen zuschauen, die bei Ebbe runter zur Wasserkante sind und dort Muscheln ausgegraben oder mit speziellen Rechen aus dem Sand geholt haben, was sehr anstrengend aussah. In Vilagarcia ging es dann vorbei an teils zerfallenen, teils noch arbeitenden, aber dafür sehr übel riechenden Fischverarbeitungsbetrieben. Eine schöne Uferpromenade mit 22 ganz modernen Bänken, jede mit Laterne und Blumenkübeln, hat man da hergerichtet - entlang der Mauer des Klärwerkes. Da saß am Vormittag niemand und ich vermute, dass da auch am Nachmittag kein Gedränge ist.

Dahinter verlief der Weg mehr oder weniger entlang der Fernstraße. Damit man da nicht auf dem schmalen Randstreifen laufen muss, hat man streckenweise Trampelpfade durchs Gesträuch angelegt, bei denen man sich diverse Schrammen und schlammige Schuhe holen konnte. Die Orte am Weg waren alles in allem nicht sonderlich sehenswert und der Verkehr ziemlich heftig.

Hinter der großen, mehrbogigen Eisenbahnbrücke, welche die Mündung des Flusses Ulla überspannt, wurde es mal wieder für ein paar Kilometer schön. Da schwenkte der Weg dicht ans Wasser und verlief dort teilweise auf Holzstegen durch die unter Schutz stehende Uferzone. An der Straßenbrücke hinter Catoira stehen Ruinen ehemaliger Wehrtürme, der Torres de Este, die auf vielen Werbetafeln zu sehen sind. Dahinter führt der Weg vorbei an einem der sonst an Straßenecken stehenden schlanken, hohen Kreuze. Dieses steht ganz dicht am Wasser und kann bestimmt auch von denen gesehen werden, die auf dem Boot von Vilanova nach Pontecesures gefahren sind. Das ist die überwiegende Mehrzahl der Pilger. Ich bin den ganzen Tag allein unterwegs gewesen, erst fünf Kilometer vorm Ziel, als es endlos lang auf einer Asphaltstraße an der Bahnlinie entlang ging, habe ich zwei Leipziger Mädels getroffen, die am Straßenrand Picknick gemacht haben. Die hatten in Vilagarcia übernachtet, weil sie irgendwie mitbekommen hatten, dass in Vilanova, wo ich genächtigt habe, wegen dem lokalen Fest alles geschlossen ist.

Ich habe übrigens in der Herberge von der Musik auf dem Festplatz nichts mitbekommen, obwohl der gar nicht weit entfernt war. Deshalb weiß ich nicht, wie lange die beim Beginn um halb zehn äußerst dürftig besuchte Party ging. Erstaunt war ich, dass heute früh um sieben die ganze Bühne schon wieder abgebaut und weggefahren war. Das war eine ganz eindrucksvolle Konstruktion. Die ganze Bühnentechnik war auf dem Trailer eines Sattel­schleppers montiert. Der wurde aufgebockt und die Seitenwände wurden runtergeklappt - das ergab die Bühnenfläche. Dann wurde das Dach hydraulisch hochgefahren und dabei entfaltete schwarze Planen ergaben die Rück- und Seitenwände. An der Dachkonstruktion hingen bereits alle Scheinwerfer etc. Zwei kleine Kräne haben dann die Lautsprecher­batterien hochgehievt und zum Publikum gedreht. Das war schon fast alles. Ich habe von einem schattigen Platz aus teilweise den Aufbau verfolgt und war erstaunt, wie schnell das ging. Der Abbau ging offenbar noch schneller.

Zurück zum Weg: In Pontecesures trifft die „Variante Espiritual“ auf den standardmäßigen Camino Portugues, der hier schon längst aus der Vereinigung von Küsten- und Inlandsweg besteht. Ab Redondela verlaufen der über Vigo kommende Küstenweg und der über Valença/Tui kommende Inlandsweg identisch. In Pontecesures, einem Ort, der durch eine große Chemiefabrik dominiert wird, landen auch die Schiffe mit den Boots-Pilgern. Hier trifft sich also (fast) alles, was aus Portugal kommt. Dass ich dort auf keine Heerscharen gestoßen bin, lag nur daran, dass ich so spät dran war. Es war fast fünf als ich da ankam. Dass viele auf dem Weg sind, insbesondere auf dem aus Porto kommenden Küstenweg, habe ich dann im benachbarten Padron gemerkt, wo ich nach ca. 37 Kilometern auf lauter voll belegte Herbergen traf.

Die kommunale Herberge an der auf einem Berghang stehenden San Xosé-Kirche war voll und auch drei angesteuerte Herbergen nahe der „Santiago de Padron“-Kirche auf der anderen Seite des Flusses. Bei der Herberge „A Barca de Pedra“ in der Rúa Vidal Cepeda war dann genau noch ein Platz frei, wie ein Telefonat mit der gerade nicht anwesenden Besitzerin ergab. Der CheckIn ging ganz unkompliziert. Ich musste ihr per WhatsApp Fotos meines Ausweises schicken und 20 Euro unter der Tür durchschieben. Dafür habe ich den Türcode und mein Bett genannt bekommen. Als letztes freies Bett war das natürlich eins, zu dem man hochklettern muss. Aber da dies das erste Bett ist, das nicht wackelt und knarrt, ist das kein großes Problem. Auch sonst ist die Herberge sehr ordentlich. Stofflaken statt Einmalbettzeug, nur 6 Betten im Zimmer, gute Küche, großer Aufenthaltsraum und eins der Bäder mit Wanne.

Nach einem kleinen Rundgang durch die nähere Umgebung der Herberge und einem Einkauf im Supermarkt bin ich noch zum 20 Uhr-Gottesdienst in die „Jakobus von Padron“-Kirche. Ich war nur ein paar Minuten zu spät, da war aber schon die Hälfte rum. Der ganze Gottesdienst hat 24 Minuten gedauert. Zurück in der Herberge habe ich mir was mit Meeresfrüchten in die Mikrowelle geschoben und mich dann zum Schreiben in den Aufenthaltsraum gesetzt. Zu letzterem bin ich erst nach zehn gekommen, da ich mit zwei Mitbewohnern ins Schwatzen geraten bin, einer älteren, seit 2012 in Spanien pilgernden Dame aus dem Münsterland, und einem jungen Rheinländer, der zum ersten Mal auf den Jakobsweg ist und sich ganz aufgeregt zeigte, weil er morgen endlich in Santiago anlangt. Das war ein sehr nettes, interessantes Gespräch.

Variante Espiritual - Tag 4 (16)