Unterwegs auf dem Ökumenischen Pilgerweg entlang der Via Regia
Von Gröditz nach Bautzen

Tag 2 (Dienstag, 6.6.2023) - Von Gröditz nach Bautzen / 18,8 km

13.00 Uhr. Bei dieser Tour breche ich alle Rekorde: so früh wie heute war ich noch nie in einer Herberge. Halb eins war ich in Bautzen und habe ich mir in der Bäckerei Richter in der Töpferstraße den Schlüssel für die Pilgerwohnung geholt. Die ist von der Bäckerei aus zweimal rechts um die Ecke im zweiten Stock des sehr modern hergerichteten evange­lischen Pfarrhauses Am Stadtwall 12. Zwei Betten sind in der Pilgerwohnung bereits belegt - von zwei Frauen, wie man mir in der Bäckerei sagte. Die sind aber gerade ausgeflogen. Ich werde auch gleich einen Stadtbummel machen. Für Markus ist ein Bett reserviert. Da ich alter Mann das letzte freie Bett im Untergeschoss der Doppelstockbetten belegt habe, muss er leider oben schlafen. Die verbleibenden zwei Betten werden wohl Katharina und Inge belegen, die auch hier absteigen wollen. Die Beiden habe ich heute früh nur kurz gesehen bzw. gehört. Ich war zeitig wach und habe nur noch bis zum Dienstbeginn des Hausmeisters gewartet, um ihm wie vereinbart die 20 € Übernachtungsgebühr zu geben.

Das Quartier in Gröditz war wirklich gut und mit allem ausgestattet, was man sich in einer Herberge wünscht. Die Betten waren ordentlich bezogen, im Bad lagen reichlich Handtücher. Es gab sehr üppig Geschirr und Besteck, in den Küchenschränken fanden sich Unmengen haltbarer Lebensmittel, die man sich für eine Spende hätte nehmen können. Im Kühlschrank und in nebenstehenden Kästen war reichlich Bier, Brause und Wasser. Im Bad standen außerdem Unmengen Wasch- und Pflegemittel für Pilger jeglichen Geschlechts, so dass man hier gut Wellnessurlaub machen könnte.

Um Dreiviertel sieben bin ich raus in den Regen, der bis halb acht ziemlich stark war und dann für den Rest des Tages etwas nachließ. Der Weg führte anfangs überwiegend durch Felder und war gesäumt von langem, triefend nass herunterhängendem Gras. Wenn man da mit dem Bein rankam, war die ansatzweise schon getrocknete Hose wieder pitschnass. Irgendwann waren von dem Gras, über das man lief, auch die Schuhe nass. Aber es ging gut voran. Da ich mich bei dem Wetter nur selten getraut habe, das Smartphone herauszuholen, gab es nicht so viele Fotopausen.

Die Dörfer, durch die ich kam, hatten alle keine Kirchen, die man hätte besichtigen können. Das spart Zeit. Die einzige Pause war am Getränkemarkt in Baschütz, der schöne Fischbrötchen für 1,40 € zu bieten hatte. Das Ende der nur ca. 21 km langen Tour war dann nicht so schön, weil es da an der stark befahrenen B 6 entlang ging.

15.00 Uhr. Ich sitze im Bautzener Dom St. Petri, der mit einer eigenwilligen Architektur und einer besonderen Nutzung aufwarten kann. Das sehr lang gestreckte Kirchenschiff weist nämlich in der Mitte einen Knick auf, den auch die Experten nicht richtig deuten können. Die Decke ist aber so gewölbt, dass kein scharfer Knick zu erkennen ist, sondern die Kreuz­bögen eine seichte Kurve beschreiben. Der Teil vor dem Knick wird von den Protestanten und der hinter dem Knick von den Katholiken genutzt. Die Protestanten begnügen sich freundlicherweise mit einem flachen Altar, so dass der Blick in den vorderen, katholischen Teil mit dem großen Altarbild nicht versperrt ist. Der ganze Innenraum ist weiß gestrichen, die Säulen und Fensterlaibungen in einem hellen Grau. Nur da, wo sich die Kreuzrippengewölbe treffen, ist ein bisschen Farbe verwandt worden. Es scheint, als wären da Fahnen angemalt worden. Ein bisschen sieht das aus wie das Tableau der bei der Marine für das Alphabet benutzen Fahnen. Ich muss mich mal belesen, ob da eine bestimmte Bedeutung hinter steckt. An den weißen Wänden heben sich die wenigen als Schmuck dienenden Gedenk­steine und Epitaphe sehr gut ab. Das macht die ohne Prunk aus­kommende Kirche so eindrucksvoll.

22.30 Uhr. Es ist Schlafenszeit. Vor einer Stunde ist Markus hier in Bautzen angekommen. Er hat den ganzen Tag im Auto gesessen (von Papenburg nach Dresden) und hat es nicht eher geschafft. Ich habe ihn vom Bahnhof abgeholt und wir haben hier noch in der Küche einen Begrüßungstrunk genommen, weil die beiden Damen im Zimmer schon schliefen. Bei den beiden Damen die vor mir im Zimmer waren, handelte es sich übrigens um die beiden, die ich noch erwartet hatte und für die ich Betten frei halten sollte: Katharina und Inge. Sie sind ein Stück mit dem Bus gefahren und waren deshalb vor mir da …

Den Nachmittag hatte ich in Bautzen mit einer Stadtbesichtigung verbracht, die unter anderem die Alte Wasserkunst (ein Turm mit Pumpen zur Wasserversorgung) einschloss. Von oben war ein schöner Blick auf die Stadt möglich. Es ist wirklich eine sehr, sehr schöne Stadt.

Via Regia - Tag 2