Unterwegs auf dem Ökumenischen Pilgerweg entlang der Via Regia
Von Strehla nach Wurzen

Tag 7 (Sonntag, 11.6.2023) - Von Strehla nach Wurzen / 38,2 km

Gestern Abend ist es spät geworden, weshalb es weder Bericht noch Bilder gab. Schuld daran war aber nicht die Gaststätte, in der es köstliches Schwarzbier vom Fass und für mich eine leckere Rinderroulade mit Rotkohl und Klößen gab. Vielmehr war es eine gemütliche Runde vor der Herberge in die wir gestoßen sind: unsere vier Mitbewohner und Susann saßen um den von Rosensträuchern eingerahmten Tisch vor der Herberge und haben im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt geredet. Susann, die mit anderen Freiwilligen die Herberge betreut und sich mit denen das Pilgertelefon teilt, ist bei der katholischen Kirche angestellt. Sie unterrichtet an staatlichen Schulen Sexualkunde, Familien­planung usw. und organisiert dazu Workshops, was natürlich viel Diskussionsstoff bietet und bei den Eltern im Vorfeld auf viele Ressentiments, im Nachhinein aber meist auf großes Lob trifft.

Die sehr jung wirkende Frau hat uns dann damit überrascht, dass sie vier pubertierende Kinder hat. Die steht also voll im Leben und zudem in der Kirche. Da war nichts Weltfremdes in ihren Beiträgen zu unserer Unterhaltung.

Darüber ist es aber halt recht spät geworden. Da Markus genau wie ich immer zeitig wach ist und wir uns wiederholt früh morgens in den Betten liegend zugewunken haben, sind wir heute mal um halb fünf aufgestanden, haben leise gepackt, eine Kleinigkeit gefrühstückt und sind um viertel sechs aufgebrochen. So konnten wir noch etwas die morgendliche Kühle nutzen.

10.00 Uhr. Vor ein paar Minuten haben wir auf einem schönen, vorwiegend durch Korn- und Rapsfelder führenden Weg, Dahlen erreicht und Abschied genommen. Markus fährt von hier, das heißt, vom 1 km hinter der Stadt liegenden Bahnhof, nach Hause. Hoffentlich ist der Zug pünktlich, damit er noch was vom Sonntag und von seiner Familie hat. Morgen muss er schon wieder nach Papenburg, um der Brandprüfung von Feuerschutzgläsern beizuwohnen, die einer seiner Geschäftspartner auf den deutschen Markt bringen will.

Es hat großen Spaß gemacht, ein paar Tage miteinander zu laufen, viel miteinander zu reden und sich so mal besser kennenzulernen, als bei den ohnehin sehr rar gewordenen Familien­feiern. Obwohl Markus mit seiner Schrittlänge und der im täglichen Lauftraining erworbenen Kondition viel schneller hätte laufen können, hat er sich gut auf meinen Bummelschritt eingestellt. Auch bezüglich der Pausenabstände und -orte und der zu besichtigenden Sehens­würdigkeiten gab es Übereinstimmung. So konnten wir beide die Tage in bester Harmonie genießen. Danke, Markus!

14.00 Uhr. Ich sitze in Dornreichenbach, etwa 2 Stunden von Wurzen entfernt neben der Kirche und warte auf meine Pommes. Völlig unerwartet bin ich hier auf eine Imbiss-Bude gestoßen, die am Wochenende von einem ortsansässigen Catering-Unternehmen betrieben wird. Eine tolle Idee! Hier gibt es Eis, Pommes, Burger und Getränke. Nebenan stehen reichlich Tische und Stühle. Hier gibt es auch eine „Pilgerrast“, die ich mir mal angeschaut habe. Ein Raum, momentan mit Tischen und Stühlen versehen, wo man sich aber sicher auch mit einem Schlafsack niederlassen kann. Im Raum eine Küchenzeile und nebenan eine Toilette. Ein guter Rastplatz für Pilgergruppen.

Hier im Schatten am Imbiss könnte ich stundenlang sitzen bleiben oder auf einer der Bänke ein Schläfchen machen. Aber jetzt sind Wind und Wolken aufgekommen, die das Laufen angenehmer machen. Da werde ich wohl lieber weiterlaufen. Meine Füße sehnen sich danach, aus den Wanderschuhen zu kommen. An den ersten Tagen tat mir auf beiden Seiten der kleine Zeh weh, der in der Schuhspitze eingequetscht wurde. Nun habe ich die Schuhe so straff zugeschnürt, dass ich nicht mehr so weit nach vorne rutschen kann. Damit ist das Problem zwar gelöst, aber das An- und Ausziehen der Schuhe dauert nun doppelt so lange, weshalb ich sie tagsüber nicht einfach für ein paar Minuten ausziehen kann.

20.00 Uhr. Ich sitze in Wurzen im China-Restaurant „Goldene Krone“ und muss beim „All You Can Eat“ nach dem dritten Teller mal eine Pause machen. Eigentlich sollte man solch ein Buffet nur wählen, wenn man richtig Hunger hat, aber mich hat es gereizt, mal alles auszuprobieren, was die Küche zu bieten hat. Was um diese Zeit schon vergriffen war, habe ich mir nachbestellt, zum Beispiel die Garnelen. Im Moment sind hier in dem sehr großen und schön mit Holz und Bambus eingerichteten Restaurant mit Vorgarten innen und außen zusammen drei Tische belegt. Der erste Schwung (wenn es den gab) ist durch - einen zweiten gibt es nicht.

Die Gaststättensituation ist hier katastrophal. Außer den Gaststätten im Zentrum und direkt an der B 6 gibt es nichts und von den Innenstadt-Kneipen sehen einige dauerhaft ge­schlossen aus. Zumindest Sonntagabend kann man nicht behaupten, dass hier der Bär steppt. Aber wenigstens hat man sich mit den Preisen dem Liquiditätslevel der Einwohner angepasst. 15,90 € für das Buffet (wochentags 2 € weniger) sind ok und die 3,90 € für einen halben Liter Warsteiner vom Fass sind sogar noch Vor-Habeck-Niveau.

Bis auf eine Reise durch die Welt des chinesischen Nachtisches, die bei mir sehr kurz ausfallen wird, passiert heute nicht mehr viel. Ich bin in der Pilgerherberge im Erdgeschoss des katholischen Pfarrhauses allein. Das ist ziemlich ungewöhnlich, aber unter Zuhilfenahme der Jakobsweg-Literatur im Regal werde ich den Abend gut rumbekommen. Die Herberge mit Tisch, Stühlen, Schränkchen und einem Regal mit Matratzen ist nicht sonderlich gemütlich und die Matratzen, die mal so rum und mal anders rum auf der Erde liegen, sehen nicht besonders appetitlich aus. Ich hoffe, dass die Pilger trotzdem reichlich was in die Spendenbüchse werfen, damit da vielleicht zwei feste, zu den sehr ordentlichen Möbeln passende Betten aufgestellt werden können. Mehr als zwei Pilger kommen hier wohl selten und wenn doch, dann gibt es ja als Reserve noch die Matratzen.

Küche und Sanitäreinrichtung sind ok und die Betreuung ist sehr herzlich. Ich habe mir bei einer Dame, die mir das Pfarrhaus genannt hatte, den Schlüssel geholt und dort nicht nur Sprudelwasser zu trinken bekommen, sondern auch eine (erwachsene) Tochter nackig aus dem Pool springen gesehen …

Heute waren es knapp 40 km. Das war von der Länge her gar kein Problem, aber die Hitze hat einen ziemlich mitgenommen: 26 Grad bei wolkenlosem Himmel auf meist unbe­schatteten Wegen. Das hat an Körper und Gemüt gezehrt. Ich hoffe, dass mich mehrfaches Eincremen mit Sonnenmilch vor bleibendem Schaden bewahrt hat. Morgen soll es angeblich etwas kühler werden. Da will ich bis Leipzig kommen (ca. 30 km), wo ich im „Sleepy Lion Hostel“ ein Bett für 19 € gebucht habe.

Ich habe Thomas, den großen Glatzkopf aus Leipzig, mit dem ich zeitweise auf dem Camino del Norte unterwegs war, angeschrieben, ob er Zeit für ein Bier am Wegesrand hat, aber leider ist er morgen auf Dienstreise. Schade, mit dem habe ich mich immer gut unterhalten können.

Via Regia - Tag 7