Unterwegs auf dem Ökumenischen Pilgerweg entlang der Via Regia
Von Wallichen nach Frienstedt

Tag 13 (Sonnabend, 17.6.2023) - Von Wallichen nach Frienstedt / 24,9 km

10.00 Uhr. Heute bin ich sehr spät dran. Ich bin zwar wie üblich um halb fünf aufgewacht, aber noch ein bisschen liegengeblieben, bis mir mangels Bewegung das Kreuz wehtat. Nach Morgentoilette und Sachenpacken habe ich mich schon mal an den urigen Tisch gesetzt, um das versprochene Frühstück zu erwarten. Dafür hatten wir uns zu sieben Uhr verabredet. Obwohl heute nur ein kurzes Stück vor mir liegt und ich deshalb keinen Grund zur Eile habe, juckte es mir schon in den Beinen. Aber ich konnte unmöglich das Frühstücksangebot ausschlagen und mich aus dem Staub machen. Als Katrin dann pünktlich aufgetischt hat, war ich mir sicher, dass meine Entscheidung zu bleiben die richtige war. Matthias, der vermutlich wegen mir so früh aufstehen musste, gesellte sich kurz darauf zu uns und wir frühstückten gemeinsam in voller Länge - nicht nur mit Marmelade, sondern auch mit Wurst und Käse. Diese Herberge war wirklich sehr familiär und empfehlenswert. Und: alles Gebotene war auf Spendenbasis. Zum Abschied habe ich noch vor dem blumengeschmückten Haus ein Bild von Beiden gemacht und sie gebeten, sich dafür vor Matthias‘ Motorrad zu postieren - und habe bei dieser Gelegenheit erfahren, dass die Maschine Katrin gehört ...

Es war schon ein ganzes Stück nach acht, als ich losging. Aber ich habe ja keine Eile, denn ich will ja nur bis Schmira, ca. 3 km hinter Erfurt, wo man in der Kirche umringt von Büchern schlafen kann. Aber ich habe dort bis jetzt noch niemand erreicht, auch nicht in Cobstädt, das ich als alternatives Quartier auserwählt habe.

21.00 Uhr. Ich sitze in Frienstedt in der Pilgerherberge am Tisch und mir fallen gleich die Augen zu. Dabei war der Tag nicht übermäßig anstrengend. Von Wallichen war es nicht weit bis nach Erfurt. Ich bin etwas anders gelaufen, als für die Jakobsweg-Variante empfohlen und in Azmannsdorf gelandet. Von dort ging es erst entlang der ICE-Strecke auf einem Feldweg und dann auf der Weimarischen Straße bis zur Stauffenbergallee und von dort schräg durch die Altstadtausläufer bis zum Anger und weiter über die Krämerbrücke und durch die Marktstraße zum Dom. So schön wie die Straßen und Gassen auch sind, es hat mir keinen Spaß gemacht. Es war Krämerbrückenfest mit vielen Imbiss-Ständen, Buden und Bühnen rings um die Brücke und die an einem schönen warmen Sonnabend vermutlich eh schon volle Stadt war heillos überfüllt. Auf der Krämerbrücke war solch ein Gedränge und Geschiebe, dass ich mit dem Rucksack auf dem Rücken kaum durchkam. Ganz unver­drossen saßen auf dem schmalen Gehsteig der Brücke zwei Frauen an einem kleinen Tischlein vor einer Weinstube. Der beste Platz, um gesehen zu werden! Prosecco schlürfend haben sie es genossen, wie sich die Massen an ihnen vorbeischoben. Ich hätte Angst gehabt, dass mir jemand im Vorbeigehen ein Stuhlbein wegzieht.

Ich habe meine Stadtbesichtigung darauf beschränkt, einen Blick in die am Wege liegenden Kirchen inklusive Dom und St. Severi auf dem Domhügel zu werfen. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass auch auf dem Domplatz Rummel war - anders habe ich den noch nie erlebt. Ich hätte vielleicht noch einen Blick auf die Zitadelle hinter dem Dom werfen können, aber schon von weitem war zu sehen, dass auch da viel Betrieb ist. Wenn man seit zwei Wochen allein oder zu zweit vorwiegend auf einsamen Feldwegen unterwegs ist, dann nervt einen schon der normale Trubel einer Stadt, aber wenn dann so viele Leute um einen herum wuseln, dann steht man kurz vor einer Panikattacke.

Ich habe mir nur noch schnell in einem „tegut“-Supermarkt was für unterwegs und für den Abend eingekauft, dann bin ich raus aus der Stadt - über den Brühler Hohlweg und vorbei am Eselsgraben nach Schmira. Eigentlich hatte ich vor, mich ein bisschen in Erfurt umzu­sehen, dann abends bis Schmira zu laufen und dort die im Pilgerführer gepriesene Unter­kunft in der Kirche, umgeben von unzähligen Büchern, zu nehmen. Aber ich habe dort am Vormittag mehrmals vergeblich angerufen und keinen Rückruf erhalten. Nun hatte ich mich schon darauf eingestellt, weiter weg von Erfurt Quartier zu nehmen und habe deshalb vor Ort in Schmira nicht nochmal einen Versuch gestartet, jemand zu erreichen. Allerdings hatte sich auch aus dem als Alternative gewählten Cobstädt niemand gemeldet, obwohl ich auch dort mehrmals angerufen und aufs Band gesprochen habe. Deshalb habe ich es nun in Frienstedt, zwischen den besagten Orten gelegen, versucht. Da ging gleich beim ersten Anruf eine Dame ran, die mir sagte, dass in der Herberge alles frei sei und dass ich kommen könne, wann ich wolle. Frienstedt liegt einen Kilometer ab vom Weg, nördlich der B 7. Aber auf diesen kleinen Umweg kommt es nun auch nicht mehr an. Allerdings ging es über­wiegend auf unbeschatteten Feldwegen voran, die zwar herrliche Blicke über das Land und die fast erntereifen Felder boten, aber wegen der hoch stehenden Sonne ziemlich schweiß­treibend waren. Da freut man sich doch über eine Quelle an Wegesrand - nicht etwa, um daraus zu trinken, sondern um die im Rucksack befindlichen Getränke zu kühlen.

Kurz nach sechs stand ich dann endlich in Frienstedt vorm Pfarrhaus. Auf mein Klingeln kam die vielleicht 15jährige Tochter der im Pfarrhaus lebenden Familie raus - in der einen Hand einen Schlüsselbund, in der anderen ein Körbchen Eier. Vermutlich verdient sie sich etwas Taschengeld mit der Betreuung der Pilgerherberge. Von den 5 €, die sie für die Über­nachtung haben will, wird sie aber nicht so schnell reich werden. Ich bin deshalb ihrem Hinweis gefolgt, eine eventuelle Spende ins Körbchen auf dem Küchentisch zu legen, und hab‘ ihr da noch einen Fünfer reingelegt. Und ich habe ihr noch für 2 € fünf Hühnereier für Frühstück und Abendbrot abgenommen.

Die Herberge befindet sich in einem alten Fachwerkhaus mit vermutlich originaler Lehmfachung, das zwischen dem Pfarrhaus und dem ganz neuen, modernen evangelischen Kindergarten liegt, genau gegenüber der Laurentius-Kirche. Vom Eingang geht es die Treppe hoch und dann auf einem Wandelgang auf der Rückseite des Hauses zu zwei Türen. Hinter einer verbirgt sich ein Aufenthaltsraum mit einem großen Ecksofa und ein paar Möbeln nebst Musikanlage, hinter der anderen ist die kleine Pilgerwohnung. Dort stehen in einem Raum zwei Feldbetten und eine ausziehbare Liege, in der Küche eine kleine Herd-Kühlschrank-Waschbecken-Kombination, Küchenschränke und Tisch mit Stühlen. Das Bad ist klein, aber mit einer Dusche und einem gut funktionierenden Elektroboiler ausgestattet. Für kalte Tage stehen sogar zwei Heizgeräte und Decken zur Verfügung. Fußboden und Decken sind neu mit Holzdielen gefertigt, die dunkel abgesetzten Deckenbalken sind entweder auch neu oder gut wieder hergerichtet. Alles sehr einfach, aber für eine Nacht völlig ausreichend. Wie alles zu benutzen ist, steht auf einem gut abgefassten, in Schulkinderschrift geschriebenen Hinweisblatt, das laminiert auf dem Tisch liegt. Dazu auf einem zweiten laminieren Blatt ein „Stadtplan“ von Frienstedt, in dem der Weg zur Gaststätte „Fürstenhof“ eingezeichnet ist, wo Pilger ein preiswertes Pilgermenü bekommen. Das war schon verlockend und die ebenfalls auf dem Tisch liegende Speisekarte klang auch nicht schlecht: zum Beispiel Rinderroulade oder Wildschweinschenkel-Scheiben ohne Pilgerrabatt für 13 €! Aber ich hatte keine

Lust, noch einmal durchs ganze Dorf zu laufen und außerdem macht es mir keinen Spaß, allein in einer Gaststätte zu sitzen. Ich habe mir nur noch den Kirchenschlüssel für eine Besichtigung geholt und mich in der mit zwei umlaufenden Emporen ziemlich über­dimensionierten Kirche umgeschaut, wo schon alles für eine morgen stattfindende Taufe dekoriert war. Dann habe ich mir Süppchen und Eier gekocht, meinen üblichen Salat gegessen. Nun werde mich todmüde ins Bett begeben.

Via Regia - Tag 13