Unterwegs auf dem Ökumenischen Pilgerweg entlang der Via Regia
Von Frienstedt nach Neufrankenroda

Tag 14 (Sonntag, 18.6.2023) - Von Frienstedt nach Neufrankenroda / 28,6 km

11.00 Uhr. Ich sitze auf dem Klo der SB-Tankstelle in Siebleben, einem Ortsteil von Gotha. Mein erster heutiger Lebensretter ist damit gekürt. Vorn im Laden gibt es was zu essen und zu trinken, hinter dem Laden kann man selbiges vom Vortag in einer Porzellan-Schüssel versenken. Nun ist mir wieder wohler!

Ich bin heute um sechs losgezogen, um vor der großen Mittagshitze noch was zu schaffen. 15 km sind schon weg. Nun werde ich mich etwas in Gotha umschauen und dann nach Neufrankenroda (15 km entfernt) ziehen, wo ich mich gerade bei der Wohngemeinschaft SILOAH zum Übernachten angemeldet habe.

12.15 Uhr. Leute gibt es, das glaubt man nicht. Es ist kaum eine Stunde vergangen, da bin ich schon auf den zweiten heutigen Lebensretter gestoßen. Auf dem Weg von Siebleben nach Gotha hinein, am Weg entlang des Mühlgrabens kommt mir ein Mann mit zwei Bier­flaschen in der Hand entgegen. Nur aus Quatsch sage ich „Da kommt ja endlich das bestellte Bier!“, darauf er „Willst Du eins haben?“ und drückt mir, ohne die Antwort abzuwarten, eine Flasche in die Hand. Ich konnte mich gar nicht richtig bedanken, denn er war so schnell weg, wie er gekommen war. Das ist schon irre, denn sicher ist er mit zwei Flaschen losgezogen, weil er mit viel Durst gerechnet hat oder sich mit jemand treffen wollte. Nun hat er bloß noch eine. Es war übrigens kein Sternburg und der Mann sah auch nicht aus wie jemand, der solches trinkt. Es war gutes Köstritzer Edel-Pils, „feinhopfig und mild-frisch“.

Mild frisch ist das Bier natürlich nur, wenn es nicht warm ist. Um zu verhindern, dass diese edle Gabe den Hitzetod stirbt, habe ich mir den nächsten schattigen Platz gesucht und das Bier seiner bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt. Ich sitze auf der Treppe eines alten Lagerhauses (?), in dem der „SV Wacker 07 Gotha e.V.“ seinen Sitz hat, mir gegenüber ein altes Schulgebäude (?), auf dem noch „Städtische Schulspeisung“ zu lesen ist. Wenn die Stufen nicht so kalt wären, könnte man hier auch gleich den gewohnten Mittagschlaf halten. Dafür werde ich mir aber lieber eine Parkbank suchen.

19.30 Uhr. Ich bin in Neufrankenroda bei einer evangelischen Wohngemeinschaft gelandet. Das sind Familien, die hier auf einem großen Gehöft zusammen wohnen und arbeiten. Und nebenbei vermieten sie Zimmer und Räumlichkeiten an Privatpersonen, Schulklassen, Kon­firmandengruppen usw. und veranstalten Workshops und Themenwochenenden. Das klingt ganz interessant. Auf https://siloah-hof.de kann man sich dazu belesen. Von den eigentlichen Bewohnern habe ich heute am Sonntag niemand gesehen, nur die zehn jungen Leute, die hier ihr Freiwilliges Soziales Jahr machen, weil ich gerade mit denen Abendbrot gegessen habe. Nun sitze ich noch im Speisesaal, weil hier der WLAN-Router hängt und mir jemand das Passwort verraten hat. Da kann ich nachher noch ein paar Bilder schicken. Da mein Datenvolumen fast aufgebraucht ist, habe ich mich damit zuletzt zurückgehalten.

Meine Unterkunft hier zählt als „rustikal“. Das ist das Einfachste, was man bekommen kann (8,50 € + 5,50 € fürs Abendbrot). Ein kleines zweistöckiges Fachwerkhaus neben den Stallungen, darin vier Doppelstockbetten und in der Mitte ein Tisch und ein Ofen. Das ist ok. Nur aufs Klo und zum Duschen muss man über die Wiese ins Haupthaus. Die Sanitär­anlagen sind allerdings recht ordentlich. Ich glaube aber, dass ich mir für meinen nächtlichen Toilettengang wohl eher einen nahen Baum suchen werde. Aktuell sind hier offenbar nur wenige Gäste und ich bin der einzige Pilger. Der junge Mann, der mich hier eingewiesen hat, erzählte aber, dass in der letzten Woche täglich einer kam. In einer hier ausliegenden Reklameschrift habe ich gelesen, dass es im vorigen Jahr 183 waren, darunter drei Schul­kinder, die mit ihrer Oma unterwegs waren.

Eigentlich wollte ich ein paar Kilometer weiter in Mechterstädt in der dortigen Bodelschwingh­schen Einrichtung absteigen, wo behinderte Kinder betreut werden. Meine vor­gestrige Herbergsmutter Katrin hat davon geschwärmt, wie freundlich man da empfangen wird und dass sie von den Kindern sogar am Ortsrand abgeholt wurde. Ein Telefonat gestern Abend hat jedoch ergeben, dass vor ein paar Monaten der Herbergsbetrieb eingestellt wurde - „wegrationalisiert“, wie der Herr am anderen Ende der Strippe verärgert mitteilte. Schade.

Heute führte der Weg fast ausschließlich über Felder, was bei der derzeitigen Sonnen­einstrahlung nicht so angenehm war. Nur in Gotha, wo es einmal quer durch die Stadt ging, habe ich mal etwas Schatten gefunden. Gotha hat eine schöne Innenstadt mit weiten Plätzen und schönen Häusern. Es gibt zwar einige Gaststätten mit Tischen und Stühlen davor, die auch gut besucht schienen, aber ansonsten sind kaum Leute unterwegs gewesen. So konnte ich mich ungestört am Markt auf einer großen, im Schatten stehenden Bank lang aus­strecken und ein Mittagschläfchen halten. Inzwischen gehe ich ja gut als Landschleicher durch. Ich werde beim nächsten Mal meinen Pilgerhut umgedreht neben mich legen, vielleicht sind dann ein paar Münzen drin, wenn ich aufwache.

Via Regia - Tag 14